13. Dezember 2013 – Freitag

In der Nacht werde ich von Stimmengeflüster geweckt. Wei, mein kanadischer Freund und Zimmergenosse, flüstert mit einer Gestalt die neben seinem Bett steht. Ich verstehe nur einzelne Worte. Policia und Rezeptione sind darunter. Nach vielleicht zehn Minuten ist der Spuk vorrüber, der Eindringling verlässt unser Zimmer. Morgens erklärt mir Wei, dass der junge Mann verfolgt wurde und sich bei uns versteckte bis die Polizei kam.

Gegen sechs Uhr stehen wir beide auf, packen und Frühstücken kurz etwas Brot mit Käse, trinken dazu Wasser. Wei hatte im Wetterbericht erfahren, dass es ab elf Uhr in Ushuaia regnen soll. Wir versuchen also die 240 Kilometer vorher zu schaffen. Wir geben das gleiche Hostal als Ziel ins Navi ein. Ich habe seit zwei Tagen nichts von Rainer und Theo gehört, nehme aber an, dass sie bereits in Ushuaia eingetroffen sind. Falls ich sie dort nicht finden sollte, würde ich versuchen auch in diesem Hostal eine Übernachtung zu machen.

Wei gibt seiner 800 GS die Sporen. Er fährt deutlich über 100 Stundenkilometer. An einer Baustelle hole ich ihn ein. Er hatte meine langsamere Gangart bemerkt und erkundigt sich ob bei mir alles in Ordnung sei. Ich sehe unseren Abstand auf der endlos einsichtigen Ruta drei immer grösser werden, bis mir die Straße wieder selbst gehört. Der Himmel ist bedeckter als gestern, doch häufig sehe ich noch die Sonne. Der Wind ist deutlich spürbar, aber nicht beängstigend. Landschaftlich herrscht karges, hügeliges Wiesenland vor. Meine Geschwindigkeit pendelt sich wieder auf um die 90 Stundenkilometer ein, meine Augen suchen nach Motiven, die die SD Karte des Fotoapparates füllen könnten. Weiter nach Osten vorankommend lebt Feuerland auf. Am Lago Fagnano sind mehrere Mirradore angelegt, an denen die erdgeschichtliche Entstehung Feuerlands beschrieben wird und wie die Menschen hier lebten. Dann folgt ein 500 Meter hoher Pass südlich des Lago Escondido. Ich nutze den erhabenen Standpunkt für letzte Fotos bevor ich nach Ushuaia erreiche.

Langsam tuckere ich durch die südlichste Stadt der Erde, rechts und links Ausschau haltend nach den Motorrädern von Rainer und Theo. Die knapp 60000 Einwohner zählende Stadt scheint mir doch recht unübersichtlich. Ich erreiche das in Garmina gespeicherte Hostal. Dort steht die BMW von Wei vor einer Garageneinfahrt. Für mich wäre nur noch ein privates Hostalzimmer zu einem üppigen Preis verfügbar. Ich darf mich aber dem WiFi bedienen. Theo gibt mir umgehend seinen Standort per Whatsapp durch. Die Hostalmanagerin erklärt mir den Weg zum Campingplatz. Insgeheim hoffe ich, dass die beiden dort eine feste Unterkunft bezogen haben. Theo erwartet mich am Eingang. Sicher schlafen wir im Zelt, höre ich aus seinem Mund. Noch immer es nicht glauben wollend fahre ich zwanzig Meter weiter. Direkt am Wegesrand geparkt stehen die Motorräder, gleich dahinter die Zelte.

Um jede Sache, die ich aufwändig in dem arg eingeschränkten Platzangebot verstaut habe und auch benötige, bin ich froh. Also ran an die Arbeit. Gefühlte zwei Stunden brauche ich bis alles steht und fürs Schlafen vorbereitet ist. Ich drehe noch eine Runde durch die Stadt, kaufe noch etwas Abendessen ein. In einer Gemeinschaftsküche werden Nudeln mit Tomatensoße und Hackfleischboulette angerichtet. Ich lerne Vito, ein ehemaliger Überlandbusunternehmer polnischer Herkunft, in Aachen ehemals beheimatet kennen. Sein Zeitfenster sind erst einmal zehn Jahre. Der knapp fünfzig jährige hat all sein Hab und Gut verflüssigt und ist seit zwei Monaten von Monte Video mit seinem Wohnmobil unterwegs. Am Tisch neben uns speisen Birgit und Michael. Sie tingeln alles im Rucksack mitführend ein Jahr durch Südamerika. Bis spät in die Nacht sitzen wir mit reichlich Vino tinto im Herbergsraum des Campingplatzes in wohlig warmer Atmosphäre. Für mich war das einer der gemütlichsten Abende der gesamten Tour.

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