13. März 2014 – Donnerstag

Frank schrieb gestern folgenden Kommentar zu dem Video auf gleichnamiger Seite:

Ich bin es, der im Augenblick im Aeroporto Santiago auf seinen Rückflug in die Heimat wartet und der die Reise und die Bilder gemacht hat.

Vieles während des Abenteuers ging mir zu schnell, oft habe ich rasch angehalten um hoffentlich ein brauchbares Bild von dem Moment zu erstellen. Viel zu wenig Zeit habe ich mir genommen, um die Gerüche zu inhalieren, die Umgebung zu ertasten, Geräusche der Natur und wenn es die absolute Stille war aufzunehmen.

Was ich in diesem Klipp sehe, wässert meine Augen vor Glück.
Danke Dagi, dass Du mir diesen Tripp, den ich beinahe nicht antreten wollte und der beileibe nicht immer nur Sonnenschein war, so inszeniert hast, dass viele wunderbare Augenblicke mir lange erhalten bleiben.

Es hat mir Spass gemacht, Euch an meinem Abenteuer teilhaben zu lassen.

11. März 2014 – Dienstag

Als wir heute am frühen Morgen in die Villa zurückkehren, hat sich noch ein Motorrad auf dem Hof eingefunden. Eine R 1200 GS. Sie gehört einem mexikanischen Vater mit seinem Sohn. Sie müssen hier ihre Reise unterbrechen, wegen ihrer Familie in Mexico. Eigentlich sollte die Reise nach Boenos Aires führen, um von dort nach Europa überzusetzen.

Mit Thomas schlendere ich nochmal durch Valparaiso, mich im Geiste von einigen sehenswerten Plätzen verabschiedend.

Abends heizen wir den Grill an und, wie damals im November bei meiner Ankunft in der Villa, grillen wir mit einer bunten Truppe ganz spezieller Vagabunden, verbringen einen kurzweiligen Abend mit Diskussionen über tiefgreifende Lebensphilosophien in trilingualer Geräuschkulisse.

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10. März 2014 – Montag

Der lange spannende Abend gestern hatte zum Abschluss noch eine kleine Überraschung für mich. In meinem Zimmer hatte sich ein weiterer Weltreisender eingefunden. Tobias, eine Internetbekanntschaft, die unsere amerikanischen Freunde aus Potosi herbestellt hatten, wacht heute Morgen auch hier in der Villa auf. Er zu mir, bist du deer Frank, ich zu ihm, bist du deer Tobias, den ich in Potosi treffen wollte. Curtis, einer der Amerikaner hatte mir den Hühnen so angedeutet, wie er jetzt neben mir steht. Seit eineinhalb Jahren ist Tobias unterwegs, gestartet im Osten der USA, dann Alaska, dann neues Motorrad, heute in Vlparaiso und bald in Ushuaia.

Doch heute ist Verpackungstag. Ich missbrauche meinen neuen Freund sofort um beim spannenden Kistenzusammenbau zu helfen. Gegen zehn liegt die in sechs Einzelteilen auf der Ladefläche des roten Nissan Pickup vor mir. Ich folge ihm die zwanzig Kilometer bis zum Trockenhafenbereich, in dem wir die die Africa Twin zunächst auf die Bodenpalette fest zurren. Jetzt werden die Seitenteile angeschraubt. Die Seitenteile und der Deckel lassen sich erstaunlich gut zusammenfügen. Die die Kiste verschließende Frontseite weist doch einige Schlitze auf.

Am frühen Nachmittag erreichen wir wieder die Villa. Thomas, auch ein Alleinreisender aus der Nähe von Frankfurt, bittet um eine Unterkunft und kurz danach erreichen uns Alesandro mit Fabrizio, die sobald ihre Africa Twins im Hafen ankommen, ihre Dreimonatstour starten. Der ganze Haufen wird abends von Ivo, meiner Bekanntschaft aus San Pedro de Atacama, der in nahegelegenen Vina del Mare wohnt, durch Valparaiso geführt. Verdammt, ist Abschied nehmen anstrengend.

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09. März 2014 – Sonntag

Gestern kurz nach mir erreichen Ying und Holger auch die Villa. Beide sind hier vor zehn Wochen gestartet, um auch zunächst in Richtung Süden nach Ushuaia aufzubrechen. Für Holger ist Südamerika die zweite große Reise. Er startete vor zwei Jahren von München aus, um ganz Russland zu queren und durch die Mongolei, Thailand, Kambodscha… bis nach Australien zu gelangen. Ein Jahr war er unterwegs.

Heute Abend sitzen wir in Valparaiso im Restaurant und der Abend kann nicht lange genug dauern, um Erlebtes auszutauschen. Schon übermorgen fahren beide zum Motorradservice nach Santiago, und dann Richtung Norden. Kolumbien ist erstmal das Ziel. Vielleicht danach Florida.

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08. März 2014 – Samstag

48414 Kilometer zeigt der Tacho meiner Africa Twin. Um viertel nach vier rollen wir von der Quebrada Verde in die Einbahnstraße Vista Hermosa, natürlich wieder in unzulässiger Fahrtrichtung. Das Tor zum Hof der Villa Kunterbunt wird mir von Martina, der Chefin, geöffnet. Laut Tachostand fuhr die Twin mit mir 21407 Kilometer in 113 Tagen durch vier Länder Lateinamerikas.

Für die heutige kurze Etappe von Los Andes nach Valparaiso plane ich einen Besuch des Parque National la Campana. Noch sind die Temperaturen erträglich. Die menschenleeren Gebiete gehören jetzt auch der Vergangenheit an. Neben der von mir befahrenen Ruta 60 befinden sich immer wieder Siedlungen, Restaurants, Souvenirsbuden. Eine sorgt dafür, dass mein eingeschränktes Packvolumen minimiert wird.

Ich biege in die Zufahrt meines Zwischenzieles ein. Der Parkwächter erklärt mir den 30 minütigen Fussweg zum Mirador. Nach einer Obst und Wasserpause unter einem vor der Sonne schützenden Schattenplatz, entschließe ich mich, einen Teil meiner Motorradkluft beim Ranger zu deponieren und den beschwerlichen Weg in Angriff zu nehmen. Der trockene Landstrich zeigt nach dem langen trockenen Sommer viel verdorrtes Gestrüpp. Richtig glücklich scheinen mir nur die in Blüte stehenden Kakteen und natürlich die sehr alten Palmen zu sein. Der Ranger gibt mehrere hundert Jahre als Alter der Boliden an.

Die letzten Kilometer steuert mich meine Garmina über die Autobahn Richtung Valparaiso. Die Busse, die hier halten, um Fahrgäste aussteigen zu lassen, die Verkaufsstände am Straßenrand, vor denen Autos auf dem Standstreifen halten, um einzukaufen, Fahrradfahrer, die den Standstreifen als ihre Fahrspur betrachten, oder Passanten, die über die Mittelabsperrung klettern, um die andere Autobahnseite zu erreichen. Alles das, was ich vor vier Monaten für unfassbar hielt, registriere ich nur noch unterbewusst.

Noch 30, noch 20, noch 10 Kilometer. Ich fahre dem Ende eines lang gehegten, jetzt tatsächlich erlebten Traumes entgegen und ich fühle mich leer, müde und antriebslos. Die Gashand lässt die Twin eher mit 70 statt 80 Stundenkilometer tuckern, fast dass sie missmutig untertourig bockt. Lastwagen überholen uns elanvoll.

Und was nun?

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07. März 2014 – Freitag

Die Safaritour in den nahegelegenen Parque Rio Blanco, den mir Andres, mein Hotelwirt, mit einem Videovortrag schmackhaft gemacht hat, findet heute leider nicht statt. Alternativ beschließe ich den Cerro la Virgen zu erklimmen. Der kleine Hügel liegt direkt am Stadtrand, so dass ich direkt vom Hotel Genova losgehen kann. Hätte mir Andres nicht den Weg durch das  Büchereigelände beschrieben, wäre ich wohl nicht auf den Aussichtspunkt gelang. Verunsichert lasse ich mir von einer uniformierten Senora den Camino zum Cerro la Virgen bestätigen.

Es ist schon verdammt heiß und der Camino hat nur wenige Abschnitte die im Schatten verlaufen. Die Marienstatue erscheint schon fast greifbar, doch kann ich noch einige Serpentinen erkennen, die ich noch erklimmen muss. Oben angekommen bietet sich mir nicht nur der Blick auf Los Andes, nein ich kann auch weit nach Osten blicken, bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Anden. Ein schattenspendender Funkmast lässt mich lange verweilen und Details der Landschaft beobachten. Gegen zwei erreiche ich wieder mein Hotel.

Dann breche ich doch noch mal auf, um mit der sauberen Twin den Rio Blanco Park auf eigene Faust zu erkunden. Auch auf dem Motorrad ist die Hitze nicht besser zu ertragen. Ich bummele die 30 Kilometer. Der Weg, der in den Park führt, ist natürlich nicht asphaltiert. Ich krieche den Weg entlang, um nicht mehr als nötig Staub aufzuwirbeln. Doch nach zwei Kehren versperrt eine Schranke die Weiterfahrt. Auch eine zweite Piste, die an der Parkgrenze entlang verläuft ist für die Öffentlichkeit versperrt. Nicht wirklich enttäuscht halte ich an Souvenirständen und ergattere eine Kleinigkeit.

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06. März 2014 – Donnerstag

Gestern hatten Georg und ich einen deutschen Abend in Los Andes verbracht. Es tat gut, mal eine missverständnisfreie Konversation über fundierte Themen führen zu können. Der knapp vierzigjährige Kraftfahrzeugmeister hatte in Deutschland, Kalifornien, Guatemala und Chile gelebt. Seine derzeitige Wunschheimat ist Chile. Er schätzt die wirtschaftliche Entwicklung, gerade in der Minenbranche als positiv ein. Lange hatte er für Porsche Chile gearbeitet, ist nun aber in die Minenindustrie gewechselt. Wieder habe ich diesen Kontinent ein wenig mehr kennengelernt.

Heute wollte ich richtig arbeiten. Die Africa Twin muss ihren Urlaubsspeck los werden, bevor sie in ihrer Kiste für die Rückfahrt verzurrt wird. Wir haben zwar noch 120 Kilometer vor uns, aber das spätsommerliche Wetter sieht nicht nach Regen aus, deshalb will ich eine gründliche Vorwäsche durchführen. Der extrem verfettete Kettenbereich soll ein Autopflegeteam am nahen Supermarkt mit Hochdruck reinigen, bevor ich mit der Feinarbeit beginne.

Wen von den drei Washboys auf dem ersten Bild würdet ihr als letztes für eine Motorradreinigung auswählen? Genau der übernimmt die Arbeit. Emsig aber mit Verstand setzt er den Hochdruckreiniger ein, dann helfen die anderen beiden der Twin ein Schaumbad zu verpassen, bevor mein fehleingeschätzter Teamkollege eine liebevolle Trocknungsaktion mit abschließender Spezialbehandlung der schwarzen Plastik und Gummiteile vornimmt. Irgendwie glaube ich es der Twin anzusehen, dass sie ihre wohlverdiente  Wellnessfarm genießt. Um die letzten Wassertropfen abzuschütteln führe ich sie kurz aus der Stadt. Ein Winzer lässt uns auf sein Weingut, um das proper, saubere Motorrad vor reichlich tragenden Weinreben in Szene zu setzen.

Nur ich schaue in die Röhre, anstatt in die Ritze und Spalte der Twin mit meinem Küchenschwamm kriechen zu können, sitze ich relaxend am Hotelpool.

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05. März 2014 – Mittwoch

Heute soll mich die Africa Twin über den Pass bringen, mit dessen Überquerung ich vor fast vier Monaten meine Reise beginnen wollte. Die sich in gutem Zustand befindende, aber auch vielbefahrene Verkehrsader zwischen der Hafenstadt Valparaiso und dem Norden Argentiniens führt mich Richtung Westen. Die wärmende Morgensonne im Rücken strahlt gleichzeitig das vor mir liegende Andenpanorama mit den weißen Gipfeln und den in zahlreichen Farbnuancen schimmernden Felsformationen an. Die tiefblaue Atmosphäre komplettiert die perfekt gestaltete Eisenbahnlandschaft, durch die ich, wie ein auf Spur Z geschrumpftes Objekt, fahren darf. Ich erinnere mich an den Parque Torres de Paine, bei dessen Durchquerung ich hinter jeder Wegbiegung ein neues Panorama erblickte, dass mich wieder anhalten ließ. Ich nutze die noch ruhige Verkehrslage, um oft die Straße zu queren, steige vom Motorrad und inhaliere die vermutlich letzte Andenquerung meines Lebens. Nur zäh gewinne ich an Höhe, dafür das ich mich ganz in der Nähe des höchsten Berges der Welt, außerhalb Asiens, dem Aconcagua befinde. Seine Besichtigung soll heute mein Highlight werden.

Hinter Punta de Vacas, einem Kuhdorf, holt mich die hiesige Geschichte ein. Ein schreckliches, elektronisches, lärmendes Geräusch, einer ausgelösten Autoalarmanlage gleich, kündet mein Befahren des Museumparkplatzes an. Erst an Flucht denkend, traue ich mich doch das Blubbern der Twin verstummen zu lassen. Vor mir steht eine Sitzgruppe unter einem Coca Cola Sonnenschirm hinter der eine offene Tür in ein kleines Haus einlädt. Eine junge Senora kommt aus einer entfernteren Behausung zu mir herüber. Ich frage nach dem Museum. Es sei ein mit Audio und Plakaten untermalter Rundgang, der eine dreiviertel Stunde dauern würde. Sie wolle mir mit ihrem Englisch Erläuterungen geben. Nachdem ich mein Motorrad aus dem Sichtfeld der Ruta 7 hinter einer Hauswand versteckt habe, öffnet sich eine Klapptüre nach oben und gibt den Eintritt in einen Kuppelraum frei, in dem zwölf Personen auf Stühlen Platz finden. Ich bin alleine mit der jungen Museumswächterin. Sie schließt die Klapptüre, nur durch die provisorische Abdichtung fällt noch spärlich Licht ein. Rote, weiße, grüne und blaue Lichtblitze und Donnergrollen eröffnet eine spannende Atmosphäre. Dann tragen zwei tiefe Männerstimmen einen Dialog vor. Eine zweite Tür öffnet sich, durch die ich einen Raum betrete, in dem zwei lebensgroße, in antiker Militäruniform gekleidete maskuline Puppen beratschlagen. Mir wird klar, dass die historische Befreiungsschlacht mit dem argentinischen General San Martin und sein chilenischer Verbündeter General O’Higgins in Szene gesetzt wird. Noch mehrere liebevolle, aber mit primitiven Hilfsmitteln gestaltete Räume, durchlaufe ich, kriege dabei noch die geologische Erklärung für die Vielfarbigkeit der Bergwelt präsentiert.

Mit einem Andenken für die Lieben daheim und einem Kaffee genossen mit einem deutschen Paar, das sich von der Empfangssirene auch nicht vertreiben ließ, erreiche ich Puente del Inca. Die Strömung des Rio Mendozas hat hier eine natürliche Brücke erzeugt, die durch den vielfarbigen, keramischen Überzug zum Touristenmagnet mutierte. Eine Therme speiste vor Jahren ein Badehaus. Doch ein Erdbeben hat die Intensität der Quelle verringert. Die baufällige Badeanstalt ist für Touristen nicht mehr zugänglich.

Mit einigen neuen Fotos erreiche ich den Aussichtspunkt auf den Aconcagua. Drei argentinische Pesos habe ich noch nach Entrichtung des Eintrittsgeldes in den gleichnamigen Parque. Die umgerechnet 20 Cent will ich großzügig dem Kassierer als Trinkgeld überlassen. Doch der wehrt sich energisch, also wird der abgenutzte Geldschein in die heimische Urlaubsvitrine wandern. Berge haben immer etwas majestätisches, so auch der Aconcagua. Doch beim Betrachten des Riesen und meiner Erfahrung mit den Höhen des Altiplano, wächst kein Wunsch in mir, einmal dort oben stehen zu wollen.

In Las Cuevas verlasse ich die Ruta 7, die weiter zum Tunnel Christo Redentor führt. Ich nehme die unbefestigte Piste zum Paso de la Cumbre. Sie lässt sich auf argentinischer Seite mit dem Motorrad gut befahren. In deutlich abgekühlter Luft gepaart mit einem stürmischen Wind erreiche ich schnell die Passhöhe. Passfoto und runter geht es auf der steilen, mit vielen engen Kehren an den Berg geschmiegten Piste.

An der Zollstation werde ich auf das in einer halben Stunde beginnende Länderspiel Chile Deutschland angesprochen. Ich wage zu erklären, dass Deutschland sicherlich gewinnen wird. Trotz meiner Prognose lassen sie mich nach einer 30 Minuten Zeremonie  einreisen. Mein zuvor ausgegucktes Hotel passt auf Anhieb, so dass ich die zweite Halbzeit der eins zu null Partie noch mit Georg, einem Deutschchilenen, zu Ende sehen kann.

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04. März 2014 – Dienstag

Klasse Frühstück, klasser wolkenloser Himmel. Vor zehn mache ich mich auf die Wanderschaft zum Mirador del cruz. Eigentlich ist Wanderschaft zu viel versprochen. Doch mir tun die paar Kilometer gut. Und das Wolkenlose bleibt mir erhalten. An einem aus Felsbrocken gemauerten Marienschrein pausiere ich dauerhaft. Zwei Autos befahren den nahen Parkplatz, steigen kurz aus, knipsen für die Erinnerung und entschwinden wieder meinem Beobachtungsbereich. Aus dem Ort höre ich leise, Kindergeschrei, Hundegebell und das Hämmern von Zimmerleuten, die einen Dachstuhl fertigen. Zurück in Uspallata möchte ich gleich noch das propagierte Museum besuchen. Doch der Marsch dorthin kommt mir zu lang vor. Ich kehre an der offensichtlichen Ortsgrenze und nehme mir viel Zeit bis zur Rückkehr zum Hotel. Dort erklärt mir der Küchenchef den Weg zur Attraktion. Nach einer genüsslichen Pause trägt mich die Twin dorthin.

Ich parke als einziger auf den stattlichen Parkplatz und trau mich durch das halboffene Zauntor auf den historischen Boden. Mauerreste mit spanischen Beschreibungen reißen mich nicht gerade vom Hocker. Weiter gehe ich zu den drei weißen Kuppeln, die sich, wie die schneebedeckten Gipfel der Anden, vom dunklen Blau des Himmels abheben. Von den beiden Senoras im Gebäude kriege ich die Erlaubnis, alles Besichtigen zu dürfen. Doch die Ausstellung beschränkt sich auf ein paar Keramikscherben aus dem Zeitraum zwischen 1750 bis 1850, ein paar alten Werkzeugen und einer maßstabgetreuen Nachbildung einer Schlacht am hiesigen Rio, die mit dem Befreiungskrieg Campana Libertadora unter General San Martin in Verbindung steht.

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03. März 2014 – Montag

Juan, Roberto und Ernado, drei Argentinier auf ihrer Jahresmotorradtour, haben auch eine Pause am Stausee Potrerillos eingelegt. Die drei fahren richtig große Motorräder, wie sie bei uns in Europa alltäglich sind, hier doch exotisch anmuten. Ich muss auf sie noch ein Stück exotischer wirken, wollen sie doch gleich nach der Begrüßung ein Gruppenfoto fürs Album. Ein älterer Passant muss das moderne Smartphone bedienen. Gleich drauf kriegt er auch noch meine Fototechnik in die Hand gedrückt. Souverän erfüllt er unsere Wünsche. Wir verabreden uns im noch knapp 50 Kilometer entfernten Uspallata zum Kaffee.

Mein Spaziergang führte mich gestern Abend an einem Restaurant vorbei, in dem ein riesiger Grill aufgebaut war, der voll mit Leckereien lag. Der Außenbereich war ordentlich gefüllt, so dass ich mir einen Platz anbieten ließ. Ein junger Camarero erklärte mir die Asadoplatte, von dem ich zugegebenermaßen wenig verstand. Schon bei der Bestellung fiel mir der Straßenhund auf, der, so mein Eindruck, den  Ausführungen des Kellners genau folgen konnte.

Ich beobachte andere Gäste, das Treiben in Mendozas Fußgängerzone und Lassi, meinen Straßenhund, der auch mich intensiv in seinen Bann gezogen hat. Erst erreichen mich die Getränke und der Brotkorb bis schließlich auch mein Asado serviert wird. Lassi hat ein verstecktes Grinsen im Hundegesicht stehen. Ich beginne mit dem für mich identifizierbaren Fleischbrocken. Die sind schnell verspeist. Schon das zweite Würstchen schmeckt grenzwertig. Lassi sitzt mir schon ganz nah. Ich probiere ein Hautstück, das mehr einer überbackenen Ananascheibe vom Chinesen gleicht, als das es Fleisch vom Grill sein soll. Schnell spüle ich mit Mendozawein nach. Der Erkundigung des Kellners Antworte ich empfindungsgemäß. Dann wäre ubre de vaca sicherlich auch zu speziell. Ich genieße den Salat mit dem Brot, Lassi verputzt Bauchdecke und Kuheuter. Ein Espresso auf Kosten des Hauses neutralisiert meine Geschmacksnerven.

In Uspallata, ein 3500 Seelennest, kläre ich frühzeitig meine Übernachtung ab, bevor ich mit meinen argentinischen Bikern einen Imbiss einnehme. Wir vergleichen europäisches Motorradfahren mit dem hiesigen, sprechen die beliebtesten Marken und Modelle durch. Hier in den reicheren Gebieten Südamerikas ähneln sich die Bedürfnisse der Motorradfahrer mit denen der europäischen Kollegen. Meine drei Freunde und ich gehören der gleichen Generation an, sie fahren leitungsstarke Motorräder und diese nur in ihrer Freizeit. Schließlich muss ich, wie so häufig, meine lange Reisezeit erklären.

Das Motorradfahren hat heute richtig Spaß gemacht. Kurvig, auf der gut asphaltierten RN 7 konnte ich lange die frisch eingeschneiten Höhenzüge der Andenkordillere bewundern. Die guten 100 Kilometer verstrichen wie im Fluge.

Nach dem Bezug meines Zimmers erkunde ich noch das Touristenstädtchen und ziehe anschließend ein paar Bahnen durch den Hotelpool.

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02. März 2014 – Sonntag

Therme die vierte. Thermen haben für mich ja etwas. Wenn so viel heißes Wasser aus dem Boden kommt, dass es eine ganze Badeanstalt füllt, gleicht das einer energetischen Verschwendung, die sich nur die Natur leisten kann. Und ich liebe heißes Baden. Da mein Rücken auch noch etwas zerrt und ich ihm damit eine Freude machen möchte, breche ich gegen Mittag nach Cacheuta auf. Eigentlich verlasse ich auf den knappen 40 Kilometer die Stadt nicht. Überall säumen Gebäude unterschiedlicher Art meinen Straßenverlauf.

Die Sonntagsfahrer haben sich heute in dem Thermalort verabredet oder halten am Straßenrand unter einem schattenspendenden Baum, um ihre Picknick-Ausrüstung aufzustellen. Ich erreiche das überfüllte Sackgassenörtchen und werde gleich von einem Wächter über die gefragten Parkplätze in eine abseits gelegene Ecke bugsiert. Dreißig will er. Meine Äußerung mucho caro reduziert die Abgabe auf zwanzig. Meinen Helm legt er zu seinen Pausenbroten und über meinen Tankrucksack wird eine leuchtend orange Warnweste gestülpt, damit die boshaften Landstreicher auch wissen, wo meine Schätze verborgen sind. Hundert Meter schluffe ich in meiner Sicherheitsausrüstung zum Kassenhäuschen des Touristenmagneten. Für nicht lokal Ansässige, 75. Mein mucho caro ändert diesmal nichts am Preis, als ich nach dem Studententarif frage, verdunkeln sich seine Gesichtszüge. Eine banador und ein toalla muss ich an einem Stand außerhalb des der Wasserbecken leihen. Sie will 25 pro Teil. Ich sage cuarenta. Sie bleibt hart bei cincuenta. Nur die ältere Senora, die süße Teilchen in Form eines Kaktusses verkauft, hellt mein Gemüt wieder auf, indem sie zunächst fünf für einen, mir schließlich aber drei für zehn gibt. Später werden sie mir schwer im Magen liegen. Drinnen in der Anstalt brauche ich noch ein Schließfach. Macht 25, nicht verhandelbar.

Das waren noch Zeiten, in der ich für meine Top Therme nur ein Foto des Eintrittschefs auf der Twin machen musste. Dafür ist diese Anlage aber nicht nur für den Körper eine Entspannung, auch das Auge bekommt einiges geboten. Es dauert schon etwas, bis ich in dem wärmeren Pool einen den Körper massierenden Blubberplatz erschleiche, verteidige ihn dann aber energisch. Lange genieße ich das Bad. Doch ohne das wärmste Becken zu testen, mag ich die Therme nicht verlassen. Es ist ganz schön warm. Keine fünf Minuten halte ich es in ihm aus.

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01. März 2014 – Samstag

Der morgendliche Wettercheck fällt nicht euphorisch aus. Der Himmel ist zugezogen und der Boden feucht. Schon bei der ersten Tasse Kaffee höre ich Donnergrollen und Regenprasseln. Mit einen mal sitzt kaum noch ein Gast beim Frühstück, alle haben sich zu den Fenstern begeben und schauen den Regenfluten zu. Die halben Meter tiefen und ebenso breiten Regenrinnen sind den Wassermassen nicht gewachsen, so dass sie Teile der Fahrbahn nutzen, um talwärts zu strömen. Gut, dass meine Stadtrundfahrt nicht heute am Morgen stattfindet.

Ich bummele in den Tag, plane meine letzten Aufenthalte bis Valparaiso, gehe ins Zentrum und finde noch ein Cafe, von dem aus ich mir den Stadttrubel anschauen kann. Vor fünf werde ich zu meiner Rundfahrt abgeholt.

Mendozas Schicksal war ein Erdbeben im März 1861, das sämtliche Kolonialbauten zerstört hatte. Unsere Besichtigung startet genau mit dieser Geschichte. Wir sehen eine Tafel, auf der Teile der Stadt vor der Katastrophe dargestellt sind. Gleich danach werden uns die einzigen Überreste des Bebens gezeigt. Die mit einem Stahlskelett stabilisierte Ruine der Kirche San Francisco. An einige Plazas fahren wir im Kleinbus vorbei und gelangen zum Cerro de la Gloria. Dieses Monument ehrt General San Martin und seine Armee, die von Mendoza aufbrach, um die Anden zu überqueren und Chile von den spanischen Kolonisten zu befreien. Dieses recht imposante Denkmal zeigt viele Szenen des Lebens der damaligen Epoche. Zum Abschluss werden wir Gast des samstägigen Abendgottesdienstes in einer 3500 Menschen fassenden Neubaukirche. Der die Messe begleitenden Gitarrenchor, gibt die Akustik des Stahlbaus faszinierend wieder. Von draußen sehe ich das alte, zu kleine Kirchengebäude neben dem riesigen, modernen Hallenbau stehen. Mir gefällt das antike besser.

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28. Februar 2014 – Freitag

Die lange Etappe bis Mendoza unterbreche ich mit einem Besuch des Parque National Sierra de Las Quijadas. Er befindet sich mittig zwischen Villa Dolores und meiner Zielstadt. Ich biege zur Touristeninformation ab. Das Prospekt zeigt, was ich in Google an Bildern gefunden hatte. Ich zahle und fahre bis zum Mirrador. Ein Ranger erklärt mir die Rundgänge und verspricht ein Auge auf mein Motorrad zu werfen. Der Wind hier in knapp 1000 Meter Höhe weht frisch. Ich gehe in Motorradstiefel und ziehe auch die Jacke nicht aus. Nach wenigen Metern legt sich der Wind. Jeder Schritt mit den schweren Stiefeln fällt mir schwer, ich laufe warm. Tapfer klappere ich Mirrador eins und zwei ab. Die bizarre Landschaft bietet mir an den unterschiedlichen Aussichtspunkten keine wirklich veränderten Perspektiven. Mit einem Senior stiefle ich zum Parkplatz zurück. Er schaut mich in meiner Montur schon verdutzt an. Aber als er weiß was ich unternehme, plappert er was das Zeug hält. Worüber sage ich euch bei der nächsten Reise.

Die erste Hälfte der Strecke war so monoton wie der folgende zweite Teil, nur ging es zunächst durch eine grüne Buschlandschaft in der Rinder zum Steak gedeihen, jetzt durchkreuze ich mehr und mehr Sanddünen, mit spärlichem Buschpflanzenbewuchs. Immer fahre ich in der Landschaft, kein Hügel von dem ich auf die Umgebung schauen kann, ist mir gegönnt. Erst am Rio Mendoza zwinge ich mich eine Pause einzulegen. Der Rio fließt gemächlich talwärts, ist aber notwendiger Wasserspender für die riesigen Weinfelder und Obstplantagen rund um Mendoza.

Der erste Versuch, eine Übernachtung zu ergattern, ist ernüchternd. Medoza sei ausgebucht, schließlich sei Karneval. Die nette Senora schickt mich zur Touristeninfo. Dort ist Hochbetrieb. Meine Diva nimmt sich die Zeit zwischen zehn und zwanzig Unterkünfte anzurufen, bis sie mir zwei Alternativen in den Stadtplan einzeichnet. Die missfallen mir. Ein älterer Hotelier bietet mir keine berauschende Unterkunft, aber meine Twin steht in seinem Hof. Er schickt mich in den nahen Stadtpark, in dem ich open Air in einem Urlaubsambiente speise.

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27. Februar 2014 – Donnerstag

Schon beim zweiten aufwachen scheinen Sonnenstrahlen in mein Zimmer. Frühstücken, die Wäschestücke, die ich zur Reinigung abgegeben hatte, sind noch klamm, aber meine weiße Außenhaut strahlt wieder. Einen Wehrmutstropfen hat der der schöne Morgen. Mit meinen robusten Motorradstiefeln versuche ich so leise wie möglich durchs Hotel zu stapfen. Mit einem Schritt schießt mir ein stechender Schmerz in den Rücken, der mir den Atem stocken lässt. Weder dehnen noch setzen bringt Linderung, ich befürchte, nicht auf die Sitzbank zu kommen. Doch Luis hilft mit Schmerzmittel aus. Für den Fall, dass die Schmerzen noch schlimmer werden sollten, würde ich zurückkehren und seinen Arzt aufsuchen.

Ich finde eine erträgliche Position auf der Sitzbank, versuche mich häufig an die Schmerzgrenze zu dehnen. Ich rolle in die Peripherie von Cordoba. Neben mir taucht eine 1150 GS auf. Ob ich Hilfe bräuchte, höre ich zunächst in Spanisch, quasi zeitgleich in Englisch. Ich denke ja, ja, doch er bleibt hartnäckig. Während der Rotphase lädt er mich auf einen Kaffee ein. Es wird grün, ich folge ihm.

Wir parken an einer Tankstelle, er bietet mir einen Platz an und verschwindet in den Servicebereich. Rodrigo erklärt mir, dass es hier üblich ist, offensichtliche langzeitreisende Motorradfahrer einzufangen und, wie er sagt, den Spirit der Reisenden aufzusaugen. Wau, mir stellt sich meine Körperbehaarung hoch. Bald sitz sein Kumpel Gabriel mit am Tisch. Worüber reden Motorradfahrer, wenn gleich neben unserm Tisch eine ehemalige Werksdakarmaschine von KTM steht. Die gehört dem dreimaligen Dakar Teilnehmer Fernando Davi, der auch bald mit an unserem Tisch sitzt. Aus geplanten zehn Pausenminuten wird eine Stunde. Als die Einladung zur Übernachtung bei meinem Schnapper kommt und mir das jeden Donnerstag stattfindende Asado schmackhaft gemacht wird, reiße ich mich los. Die Ablehnung fällt mir schwer. Mit weniger Schmerz im Rücken hätte ich die Erfahrung nicht missen wollen.

Mit den Tipps meiner neuen Freunde, lasse ich mir viel Zeit für die anstehenden 100 kurvenreichen Kilometer, denen langweilige 500 Kilometer bis Mendoza, mein für morgen anvisiertes Ziel, folgen sollen. Die Berglandschaft der Sierra Cordoba ist nicht sonderlich aufregend, doch scheint sie für viele Argentinier ein Kurzurlaubsziel darzustellen. Der vermehrte Verkehr und die zahlreichen Souvenirsbuden sind eindeutige Zeichen.

Allzu schnell verfliegt die kurvenreiche Abfahrt. Ich höre noch den Rat, nicht in Villa Dolores zu Übernachten sondern einen Ort zuvor in Mina Clavero. Das sei gemütlicher, erholsamer, urlaubshafter. Ich versuche natürlich mein zuvor ausgesuchtes Hotel zu finden und lande in Villa Dolores. Ein Spaziergang durch den endlos langen Ort, bestätigt die Einschätzung meiner Motorradfahrer.

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25. Februar 2014 – Dienstag

Gestern Abend war ich richtig klasse Essen. Vom Hotel hatte ich eine Restaurantempfehlung bekommen und einen Gutschein. Zunächst etwas skeptisch, hatte ich mich schließlich doch durchgerungen, in dem Eckrestaurant einen Fensterplatz einzunehmen. Und draußen war die Hölle los. Unzählige Motorräder wurschteln sich durch den dichten Rushhour-Verkehr. Mal sitzt nur eine Person obenauf, mal zwei mal eine Familie zu viert, natürlich alle ohne Helm. Neben den vielen Hondas, Yamahas und chinesischen Fabrikaten sehe ich auch eine 125er Duke von KTM. Da nicht nur ich die Leute draußen beobachte, sondern auch Passanten sich die Gäste hier drinnen anschauen, kriegt der KTM Pilot meinen gehobenen Daumen mit. Beim Sprung der Ampel auf Grün gibt der, von mir gebauchpinselt, mächtig Gas und lässt die anderen Rennfahrer weit hinter sich.

Serviert wurde mir eine Flasche Wasser, eine gut mundende 3/8 Liter Flasche 2013er Cabernet Sauvignon aus der Mendoza Gegend, Panecillos mit pikantem Aufstrich, zwei mit Käse überbackene, auf den Punkt zubereitetet Steak Medallions auf einer Cremesoße, ein süßgekochter Apfel, viel zu viel frittierte Kartoffeln. Als Nachtisch gönnte ich mir einen Flan mit einem Espresso. Für Umgerechnet 11€. Für mich ein voller Erfolg.

Jetzt sitze ich Richtung Süden fahrend auf meiner Twin. In den Regenkombi bin ich schon in der Hotelgarage hineingeschlüpft hoffend, dass der Regen dann nicht so ergiebig wird. Die Fahrbahn der RN 157 ist nass, doch oben sind die Schleusen geschlossen. Kühl, aber mit der auf halber Kraft laufenden Griffheizung, erträglich. Ich will heute richtig Kilometer machen. In Colonia Caroya hatte ich mir heute Morgen bereits eine Bleibe für die Nacht ausgeguckt. Ich halte eisern den Lenker fest, wage es nicht anzuhalten bis die erste Hälfte der Kilometer abgespult ist. Nein gar nicht wahr. Eine Polizeikontrolle mitten im Nichts, stoppt mich und will meinen Pass und das Zolldokument vom Motorrad. Das war das zweite Mal auf, jawohl, heute sind die zwanzigtausend Kilometer voll geworden.  Zwischendurch mal leichter Regen mal trocken, mal sogar trockene Fahrbahn, seitlich grün oben immer grau, wie so oft zu Hause bei uns.

Der zweite Teil wird dann heftiger. Der Wind bläst stürmisch von vorn und aus dem dunkelgrau fällt immer mehr lluvia. Zwischen den stulpenlosen, die  Nässe aufsaugenden Handschuhen und den Ärmeln der Regenkombi schauen meine, von den vielen seligen Sonnenkilometer braungebrannten Handgelenke, heraus. Jetzt kriecht die Kälte von hier in meinen Körper. Dann urplötzlich stehende Fahrzeuge vor mir mit Warnblinklicht. Frech fahre ich gesittet vielleicht zwei Kilometer an ihnen vorbei. Ein Bergungstrupp versucht einen verunglückten Lastwagen zu bergen. Meine Frechheit, an den stehenden Autos vorbeizufahren wird belohnt. Mein Motorrad passt an der beengten Unfallstelle vorbei und der Polizist gibt mir grünes Licht.

Noch einen zu schnell in die Kurve gegangenen Lastwagen, der mit einem mobilen Kran auf die Räder gestellt werden muss, sehe ich, bevor ich die Tankstelle in Jesus Maria, so heißt der Ort wirklich, zum Tanken aufsuche.

Und dann passiert mir der Knüller des Tages. Steif vor Kälte finde ich mein Wunschhotel nicht. Ich kehre um, gehe in das zuvor gesehene Hotel und werde mit „ Servus“  begrüßt. Luis, der Chef hatte mich bei der Suche nach meinem Favoriten schon vorbeifahren sehen. Er hatte 14 Jahre in München, Bozen und Mailand gearbeitet, führt jetzt sein eigenes Domizil. Meine Africa Twin darf in seine Garage, ich wärme mich unter seiner heißen Dusche, sein Mitarbeiter gibt mir Tipps für meine Weiterreisen nach Mendoza.

Herz, was willst du mehr.

24. Februar 2014 – Montag

Der Anfang vom Ende. Es geht stramm auf März zu.

Ursprünglich war der Rückflug für den 20. März geplant. Mein erster Arbeitstag soll aber bereits der 24. März sein. Bei der Buchung vor einem dreiviertel Jahr und der aufwändigen Vorbereitung der Reise, vernachlässigte ich das Timen des Urlaubsendes und den Wiederanfang der Berufstätigkeit. So versuche ich den Rückflug um eine Woche vorzuverlegen. Einige Tage wird das erneute verpacken der Africa Twin in Anspruch nehmen. Die Zollformalitäten wird wieder Enzo, Chef der Villa Kunterbunt, erledigen. Ich befinde mich heute Abend in San Miguel de Tucuman und werde noch ungefähr 2000 Kilometer bis zum Verschiffungshafen Valparaiso fahren müssen. Also ein Ende das sich in die Länge zieht.

Mein Begleiter, Theo, nutzt die längere Reisezeit, indem er die Einladung seines Forumskollegen aus Paraguay folgt. Er hat heute Mittag den Blinker nach links gesetzt, und wird eine mehrere hundert Kilometer lange Gerade in Richtung Osten fahren.

Heute gibt es wirklich keine Bilder. Ich fuhr den ganzen Tag wie durch eine sommerliche Eifellandschaft. Rechts und links des Weges soweit die Augen blicken dichter grüner Wald, ab und an Felder und Weiden. Und jetzt gehe ich was essen.

23. Februar 2014 – Sonntag

Vom Kaktusland ins Rasenmäherland.

Wir starten kurz vor elf. In den letzten Wochen herrschte, wie auf meinen Fotos zu sehen ist, Wüstenlandschaft vor. Bereits nach 30 Kilometer Fahrt Richtung Süden fällt mir der leichte frischgrüne Flaum auf der rechts von mir gelegenen Gebirgskette auf. Doch auch der nahezu wolkenlose Himmel von Tilcara trübt sich immer mehr ein. Nochmals 30 Kilometer weiter wird die Vegetation immer dichter und nicht nur nahe am Flusslauf entlang, sondern soweit meine Augen schauen. Es tut gut die aus der Heimat gewohnte Flora wiederzuhaben. Auf saftigen Weiden grasen Kühe und Pferde. Lautes Vogelgezwitscher erscheint  mir zunächst ungewohnt. Wir fahren an Häusern mit gepflegten Rasenflächen auf großen Grundstücken vorbei.

Bei einer Pause an einem Staubecken, beobachte ich wie Schmetterlinge sich um Blüten streiten. Entfernt von mir sitzen zwei Männer unter einer Plane. Von einem Asado steigen Rauchwolken auf. Einer der Männer beendet sein Gitarrenspiel und wirft mir einen Wink zu. Ich werde eingeladen mit beiden, Vater und Sohn, mich vom üppig belegten Grill zu bedienen. Bei ihnen ist es Brauch, häufig hier den Sonntag mit Asado und einem guten Wein zu verbringen.

Wir befahren die ursprüngliche Ruta 9, die sich extrem kurvig durch die tropisch bewachsenen Berge schlängelt. Leider regnet es auch mitunter heftig. In den Vororten von Salta fahren wir an vielen großzügig gebauten, hochwertigen Gebäuden auf großen Grundstücken vorbei. In den Gärten sehe ich viele Erwachsene beim Asado, während Kinderscharen fröhlich umherlaufen. Einige Gebäude werden als Hostals oder Cabanas genutzt. Das wären schöne Übernachtungsmöglichkeiten, denke ich mir, doch wir wollen heute bis Salta kommen.

Salta, die Stadt beherbergt immerhin mehr als 500 000 Tausend Einwohner, erscheint wie ausgestorben. Ungewohnt schwimmen wir in einer grünen Welle, bis Theo vor einer Straßensperre anhält und in 60 Meter ein Hotel prophezeit. Es wird unsere feudalste Übernachtung aber auch die teuerste. Nach einem entspannten Bad, flanieren wir Richtung Plaza und finden ein gutes Lokal, bei dem wir bei angenehmen Temperaturen beinahe bis Mitternacht verbringen.

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22. Februar 2014 – Samstag

Wir sind im Kaktusland.

Die vielfarbigen Gesteinsfarben der Berge um Purmamarca, Tilcara und Humahuaca stellen einen Höhepunkt hier im Norden von Argentinien dar. Faszinierender als diese finde ich jedoch die vielen in der Landschaft verteilten Riesenkakteen. Wir machen keinen richtigen motorradfreien Tag, sondern sind am frühen Nachmittag aufgebrochen, um die nahe Umgebung zu erkunden. Der Blick von einem Mirrador auf unsere Herbergsstadt Tilcara zeigt das Grün der Oasenstadt in der ansonsten kargen Landschaft. Um noch etwas Kultur mitzunehmen, starten wir durch nach Humahuaca. An der Touristeninformation werden wir von einem Indigo angesprochen. Er erklärt uns den Weg zur Unabhängigkeitsstatue und anderen Kolonialen Bauwerken. Den Weg zu einem Aussichtspunkt, den Theos Reiseführer propagiert, kraxeln wir mit den schweren Motorrädern hoch. Doch wir schauen nur gegen eine hochgewachsene Hecke, hinter der man auf die Stadt hinuntersehen können soll. Etwas enttäuscht beenden wir unser Sightseeing, besuchen in Tilcara die Sonnenterrasse eines Lokals und beobachten das Treiben in der Stadt.

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21. Februar 2014 – Freitag

Unser Motel in Susques liegt gleich an der Stelle, an der die legendäre Ruta 40 von der Ruta 52 abzweigt. Ich erkundigte mich gestern Abend bei Leo, unserem jungen Motel-Manager nach deren Zustand. Er würde von einer Befahrung der Pistenstrecke nach den letzten heftigen Regenfällen nicht empfehlen. Obwohl, als er unsere Geländemotorräder anschaut, damit sollte es möglich sein. In einer unserer ersten Planungen war die Mythos Strecke enthalten. Doch nachdem uns die Strapazen des Pistenfahrens mit den schweren Motorrädern klar wurde, stehen Asphaltstraßen für uns an erster Stelle.

Trotzdem schaue ich jetzt, dieser Piste ein wenig wehmütig hinterher. Wir fahren auf der Ruta 52 Richtung Osten. Kurvenreich geht es durch eine abwechslungsreichen Gebirgslandschaft bis mich eine mehrere zehn Kilometer lange Gerade zur Salitral Grande führt. Die Straße teilt den Salar in einen großen Westteil und einen deutlich kleineren Ostteil.

Fasziniert von der grellen Umgebung versuche ich alles zu speichern. Touristen können an einem aus Salzplatten errichtetem Gebäude sich mit Souvenirs eindecken. Kleine Lamas und andere Figuren aus Salz werden angeboten. Ich entscheide mich für eine frisch aus einem Ofen geholte Empanada. Die schmeckt gut und kann beim Transport nicht zerbrechen. Hinter einem hohen Salzberg entdecke ich eine Ausstellung, in der Tische, Bänke und Säulen aus dem nur für trockene Gegenden geeigneten Werkstoff zu besichtigen sind. Es ist wohl gerade geschlachtet worden, frisches Fleisch hängt zum trocknen auf einer Leine.

Nach der großzügigen Pause am Salar führt die Jama Passstraße motorradfreundlich, kurvig bergan, um nach der Sattelhöhe extrem serpentinig auf etwa 2000 Höhenmeter abzufallen. Schöne Einblicke auf die in die steilen Bergflanken gezauberte Ruta 52 speichere ich im Fotoapparat. Die vielfarbigen Bergketten säumen den Weg bis Tilcara. In dem Touristenpueblo finden wir eine nette Übernachtungsstätte. Beim Bummeln durch den Ort lernen wir Holger, einen aus Füssen stammenden Radtouristen, kennen. Beim Entspannen auf einer Sonnenterasse vergleichen wir die unterschiedlichen Reisebedingungen. Hut ab für die Könige des Reisens, den Radfahrern.

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