25. November 2013 – Montag

Gestern hatte ich meine erste Füllung Scottoileröl leergefahren. Wir sind jetzt etwas über 2000 Kilometer unterwegs. Beim Nachfüllen des 200 Milliliter fassenden Vorratstanks, spanne ich gleich noch die Kette. Nach flottem Frühstück, das unsere Vermieterin Veronica uns versprochen hatte, da unsere Cabana keine Küche hatte, sitzen wir zeitig auf den Motorrädern. 220 Kilometer bis Coyhaique zeigt der Hinweistafel an. Wir gehen von durchgehend Schotterpiste aus, bezweifeln diese Strecke zu schaffen. Der wind heute Morgen bläst kälter als gestern gegen meinen Körper. Um mich noch besser gegen die Kälte zu schützen bleiben mir nur noch die Dreifingerandschuhe, die ich noch nicht aus dem Gepäckfach geholt habe. Die Carretera Austral ist stellenweise übersät mit kleinen Schlaglöcher, die ein umfahren unmöglich machen. Ich reduziere die Speed, fahre viel im zweiten Gang, vielleicht 40 Stundenkilometer. 40 Stundenkilometer mit Fotopausen lass eine Schnittgeschwindigkeit von 25 Kilometer die Stunde rauskommen, geteilt durch 220 Kilometer macht ungefähr neun Stunden Fahrzeit. Also Ankunft gegen 19 Uhr. Mannomann. Trotzdem lasse ich mich nicht treiben, nehme mir Zeit Augenblicke zu genießen und mit der Kamera einzufangen.
Die Landschaft stellt sich da wie gestern. Teils undurchdringlicher Urwald, dann wieder breite Weidelandflächen mit spärlicher Bebauung. Der Himmel verwöhnt uns heute mit viel azul, der Regen scheint sich zurückgezogen zu haben. Ein Hinweisschild kündigt einen kurvenreichen Streckenabschnitt an. Eine Spitzkehre folgt der nächsten. Ich denke an den Tieflader, der einen Grater geladen hat, den ich vor einiger Zeit überholt hatte. Der kann hier unmöglich hochfahren ist meine feste Überzeugung.
Ich erreiche die Passhöhe. 550 Meter über Meeresspiegel zeigt mir Garmina an. Es geht auf diesem Niveau mehrere zig Kilometer weiter. Gesäumt ist die Piste hier von schneebedeckten Berggipfeln, dessen weiß sich vom tiefen Blau des Himmels abhebt.
Lass es 80 vielleicht 90 Kilometer nach heutigem Aufbruch sein, als , welch Freude, ich wieder auf Asphalt fahren kann. Der fünfte Gang ist drin, um die 90 Stundenkilometer zeigt der Tacho. Viele Kurven mit angenehmen Radien reihen sich aneinander. Ich halte an einem See. Ein paar Fotos, etwas Wasser trinken und die Beine vertreten. Was ist das? Soeben zieht der Tieflader samt Ladung an mir hupend vorbei. Ich hab dich wieder eingeholt, will er mir wohl sagen.
Die Carretera Austral verläuft an breiten, nur von der Natur vorgegebenen Flussbetten entlang. Diese integrieren sich teils als langsam fließende Abschnitte in die Landschaft. Dann wieder sind reißende Stromschnellen mit spritzenden Gischten zu sehen. Die frühlingshafte Flora zeigt viel leuchtendes gelb, vergleichbar mit unseren Rapsfeldern, dazu gibt es hier eine Art Lupinie, deren kegelförmige 20 bis 30 Zentimeter lange Blüten sich in einem tiefen violett zur Schau stellen. Die dritte wenn auch seltenere Farbe ist ein leuchtendes orangerot. Mir ist kein Vergleich mit einer heimischen Pflanze greifbar.
Im Vorbeifahren erkenne ich einen nahe an der Straße herabstürzenden Wasserfall. Ich drehe und parke auf dem daran liegenden Parkplatz vor einem Marienaltar. Kurz steige ich über einige Felsbrocken zum Wasserfall hinunter. Trotz des Getöses des Wassers, vernehme ich ein schrillendes Piepsen. Mir gegenüber sitzt ein winziges Vögelchen, in karnevalistischer Farbenpracht. Türkismetallicfarbenes Gefieder mit schriller rotmetallic Halskrause. Meine Kamera zoomt, ich klicke den Auslöser und es ist weg. Meine Augen suchen die Umgebung ab. An den Blüten eines nahen Strauches steht es mit hochfrequentem Flügelschlag mich kurz anschauend bevor es wie weggebeamt aus meinem Augenschein verschwunden ist. Kolibri? Hier?
Das letzte Highlight des Tages sind die Lamas, die auf einer Weide Wiederkauend den Nachmittag verbringen. Der massive Körper auf dem Boden liegend, dem meterlangen Hals gen Himmel gestreckt, haben sie die Umgebung bestens im Blick.
Dank der guten Asphaltdecke haben wir gegen 17 Uhr eine vollwertigen Cabana. Wir füllen unsere dahingeschwundene Pesos bei einer Bank wieder auf, kaufen Gabelöl für Rainers undicht gewordenen Gabelsimmerring und natürlich leckeres Essen für unser Abendmahl.
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