05. Dezember 2013 – Donnerstag

Schon gestern hatten wir von unserer Cabana Vermieterin erfahren, dass die Modultankstelle Nachschub bekommen hatte. Also erst mal Auftanken. Es ist ein gutes Gefühl morgens schon eine so wichtige Aufgabe erledigt zu haben. Das 220 Kilometer entfernte Calafate sollte nun locker erreichbar sein. Die Reichweite unserer Motorräder liegt zwischen 300 und 450 Kilometer abhängig vom unterschiedlichen Tankvolumen und Verbrauch der Motoren. Liegen längere Etappen vor uns ohne Nachschöpfmöglichkeit, so können wir zusätzlich zwischen sechs und zwölf Liter Kraftstoff je Motorrad in Zusatzbehälter mitzuführen. Das reicht dann für bis zu über 600 Kilometer Reichweite.

Die nahezu 100 Kilometer lange Sackgasse, die wir nach El Chalten hineingefahren waren, müssen wir jetzt zurück. Der ewig anwesende Wind in seinen unterschiedlichsten Stärken, schiebt mich angenehm an. Diesmal können sich meine Augen nicht an die näherkommende Bergwelt des Fitz Roy erfreuen. Der Blick ist Richtung Pampa gerichtet, die gute Asphaltstraße verläuft schnurgeradeaus, rechts und links von mir herrscht graubraune Steppenlandschaft vor, der Himmel ist mit Wolken in unterschiedlichen Grautönen zugezogen, die Temperatur schätze ich auf etwa zehn Grad. Meine ausgedehnte gestrige Wanderung steckt mir noch in den Knochen. Die Monotonie lässt mich mehrmals in einen Sekundenschlaf fallen. Ein Phänomen, das mich beim Autofahren schon mal überfällt, das mir beim Motorradfahren bisher vollkommen fremd war. Endlich setzt  Rainer den Blinker. Ich schnappe mir sofort einen Apfel aus dem Tankrucksack, fange an zu kauen. Ich versuche die Müdigkeit zu vertreiben. Beim Absteigen vom Motorrad wird mir noch bewusster, wie sehr ich am Fitz Roy Massiv meinen Körper überreizt hatte. Selbst den Fotoapparat herauszunehmen für das obligatorische Pausenfoto, fällt mir schwer.

Ab jetzt fahre ich wieder Ruta 40 Richtung Süden. Der Wind bläst böig, mal von vorne, mal von rechts. Ich kämpfe, versuche hinter der Verkleidungsscheibe Schutz zu finden. Wenn ein Hügel oder eine Leitplanke rechts der Ruta mir Schutz vor dem zermürbenden Wind gibt, versetzt das Motorrad beim Einfahren in die offene Landschaft seine Spur. Ich versuche mit entsprechender Schräglage auszugleichen. Ich nähere mich der Brücke über den Rio La Leona, der zig Kilometer links der Ruta 40 fließt. Ich vermindere meinen Speed auf etwa Vierzig Stundenkilometer. Beinahe auf dem Mittelstreifen treffe ich auf den Brückenanfang. Eine Böe trifft mich, das Motorrad versetzt Richtung Brüstung, ich steuere entgegen. Weg ist die Böe. Meine Schräglage lässt mich auf die andere Brüstungsseite zufahren. Wieder gegensteuern. Man ist die Brücke lang und schmal.

Von der Ruta 40 zweige ich rechts auf die RP11 nach Calafate ab. Entfernt erkenne ich Behausungen auf einer weitläufigen Fläche, in der tristen, graubraunen Landschaft. Ich werde an der Stadtzufahrt aufgefordert anzuhalten. Mein Reisepass und der internationale Fahrzeugschein werden inspiziert. Ein dickes Journalbuch wird mittig aufgeschlagen. Ich erkenne viele handschriftliche Einträge von Fahrzeugtypen, Kennzeichen und Passnummern. Meine stehen jetzt auch dabei.

Ein stundenlanger Marathon der Cabanasuche beginnt. In der um die 20000 Einwohner großen Stadt, spielt der Tourismus eine wesentliche Rolle. Wir scheinen heute Pesch zu haben. Mehrmals erfahren wir, dass die kommende Nacht ausgebucht sei. Genervt finden wir das Touristenbüro. Die hilfsbereite und verständnisvolle Mitarbeiterin sucht uns vier Optionen aus, markiert die Lage der Cabanas auf einem Stadtplan, händigt uns Bildprospekte samt Preisangaben aus. Bei der ersten angekommen, hängt dort ein Zettel im Fenster. Bin gleich wieder da, telefonisch erreichbar unter ….Wir warten eine halbe Stunde. Vergebens. Im Touristenbüro lassen wir die nächste Cabana anfragen. Der Marathon nährt sich dem Ende. Eine geräumige Cabana mit Blick auf den Lago Argentino ist für drei Nächte unsere.

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