Ich lasse den Tag geruhsam angehen, da ich von maximal 120Tourkilometer ausgehe. Den Schlamm am Motorrad von der gestrigen Lehmetappe möchte ich an einer Tankstelle entfernen. Der Tankwart deutet auf einen Wasserschlauch, den ich zur Reinigung verwenden darf. Gut das ich den Regenkombi anhabe. Ich drehe auf maximalen Druck, doch der Schlamm bleibt wo er ist. Mehrminütiges einweichen hilft auch nicht weiter, da muss wohl mechanische Arbeit geleistet werden. Schwamm oder Bürste? Beides nicht greifbar. Dann eben manuell. Nach einer dreiviertel Stunde liegt der Schlamm unter der Twin und auch ihre anderen Oberflächen sind lange nicht mehr so sauber gewesen.
Ich besuche noch das Fährenbüro, um einen alternativen Rücktransport Richtung Valparaiso zu prüfen. Beide Mitarbeiter sind beschäftigt. Warm unter dem Regenkombi warte ich draußen vor der Office. Es dauert. Ich hole den Fotoapparat raus und knipse. Endlich kommt der kräftige in Motorradsachen gekleidete Kunde aus dem Gebäude. Er wollte auch sein Motorrad nach Puerto Montt verschiffen, erklärt mir das Vorgehen teils auf Spanisch teils auf Englisch. Ich bekomme einen Aufkleber von ihm und seine Email Adresse. Jetzt gerade, wo ich mir den Aufkleber erstmals bewusst anschaue, bin ich ein wenig fassungslos. Der Aufkleber trägt die Überschrift RUTA DE LOS LIBERTADORES 2013-2014. Der südamerikanische Kontinent ist abgebildet. Ein schwarzer Streckenverlauf durch sämtliche Länder ist erkennbar. Unten steht Venezuela Ushuaia drauf. Ein Motorrad mit seinem Namen gekennzeichnet und einige spanisch klingende Namen mit Büsten von Persönlichkeiten vergangener Tage sind erkennbar. Ist das seine Aufgabe für dieses und das nächste Jahr?
Während des Gesprächs ist schon wieder jemand in die Hafenoffice gegangen. Irgendwie möchte ich doch mal loskommen nach Torres del Paine. Endlich an der Reihe bestätigt mir Parcival Ramirez in perfektem Deutsch, was ich zuvor von dem hilfsbereiten Cesar schon erahnt hatte.
Schnell geht es die Ruta 9 nach Castillo zurück. Die folgen vierzig Kilometer bis in den Parkt sind zunächst gut ausgebaut. Ich nutze die, im Gegensatz zur argentinischen Pampa, jetzt frische lebhafte Landschaft für viele Fotopausen. Ich werde Teil eines Viehtriebs. Zwei hoch zu Ross sitzende Farmer steuern hunderte Rinder mit einer Hundemeute entlang der Straße auf frische Weiden. Entgegenkommende Fahrzeuge wurschteln sich durch die Herde. Dann tuckere ich auf das Herdenende zu, bin schnell Teil der Herde und froh als ich alle Rindviecher hinter mir habe. Am Kassenhäuschen des Nationalparks erhalte ich auch einen Plan des Parks und die Wächterin beschreibt mir die Lage der Hostelari Tyndall. Diese wurde uns in Trancillo, von unserm Cabanavermieter Christian empfohlen. Wir suchten sie vergeblich in Calafate. Abends fand Rainer eine Bezeichnung in seiner Karte, die diese Hostelari im Gebiet des Torres del Paine anzeigt.
Der Himmel ist aufgelockert, ab und an kann ich einige Torresspitzen komplett sehen, große Guanakoherden säumen den Weg, fast unbeeindruckt vom Motorengeräusch meiner AT. Ich erreiche den Lago Pehoe. Der Lago liegt rechts meiner Piste, die mich mal von oben auf den See blicken lässt, mal auf Seeniveau fahren lässt. Vor mir sehe ich eine Insel im See, auf der mehrere Gebäude errichtet sind. Die Häuser sind über eine stählerne Fachwerkrücke zu erreichen. Nach jeder Kurve eröffnet sich ein neues Panorama, welches mich wieder anhalten lässt. Südlich von Pehoe sollte sich dann auch mein Tagesziel finden. Ich komme an eine Ansammlung von gleichartigen Häusern, die eher einem Bergwerksdorf als einem Touristendomizil erinnern. Auf Nachfrage eines Ortskundigen beschreibt dieser mir den Weg. Ich fahre mehrere Kilometer übelster Piste ohne dass sich eine Bebauung findet. Ich halte ein entgegenkommendes Fahrzeug an. Der Fahrer gibt mir die Hoffnung in fünf Kilometer am Ziel zu sein. Ich erreiche das Hotel Rio Grey. Eine junge Senora schickt mich die zermürbende Strecke zurück, nennt mir den Ortsnamen Serrano, wo ich nach einem doch sehr langen Tag endlich die Hostaleri Tyndall finde.