Um 2:20 Uhr werde ich von den heulenden Geräuschen durch einen aufgezogenen Sturm geweckt. Ich sorge mich um die Africa Twin, die nur auf dem Seitenständer neben der Hauswand abgestellt ist. Die patagonischen Winde sollen gar Touristenbusse umgeworfen haben. Diese Vorstellung lässt mich aufstehen, mich anziehen, mit einer Taschenlampe durch die, Gott sei Dank, menschenleere Rezeption rund um die Hostelaria laufen. Sie steht noch. Ich rangschiere den Brocken näher an die Hauswand, die dem Motorrad Windschutz bietet. Wenn mir nicht zum Schnattern kalt wäre, würde ich mir den faszinierenden Sternenhimmel gerne noch etwas länger anschauen.
Heute sollte ein Wandertag werden. Mario, der Hostelaridirektor, hat, nachdem ich den Reservierungsauftrag durch Christian und die vergebliche Suche nach seiner Hostelaria in Calafate erklärt hatte, sich fürsorglich um mich gekümmert. Er empfahl mir bereits an meinem Ankunftsabend, einige Attraktionen in der Umgebung und nannte mir den Zeitaufwand. Da das Programm eher nach einer Halbtagestour aussieht und der Sturm sich nicht beruhigt hat, tummle ich mich in meiner Nobelunterkunft. Etwas Wäsche waschen, Reisetagebuch schreiben und Bilder auswerten. So starte ich erst gegen elf Uhr dreißig. Mit Wanderschuhen, Outdoorhose und Daunenjacke gekleidet. Darüber die Regenkombi, der Wärme und des Schmutzschutzes wegen. Mit dem austreten aus dem Gebäude beginnt der Kampf mit dem Wind. Ein mulmiges Gefühl will mich zurück mein sichers Zimmer locken. Ich tuckere los. Nein der zweite Gang ist mir zu schnell. Unaufhaltsam wirken unterschiedlich starke Böen auf mich und die AT ein. Mit dem losen Untergrund der Piste gelingt mir kein sauberes Fahren. Ich brauche für 18 Kilometer fast anderthalb Stunde bis ich den Parkplatz erreiche, an dem der Wanderweg zum Wasserfall beginnt. Ich stelle die AT hinter einem Kleinbus, der etwas Windschutz bietet. Die Fahrzeugfront habe ich zum ankommenden Wind hin ausgerichtet. Ich rangiere das Motorrad so, dass es etwas schräger zum Seitenständer hin steht. Die rechte Seite stütze ich mit einem 6×4 Kantholz ab, dass ich bei einer vorherigen Rast gefunden hatte.
Den Tankrucksack vor meinem Bauch haltend, den Motorradhelm samt Motorradbrille angezogen gelassen, versuche ich die maximal 1000 Meter gegen den Sturm zum Mirrador zu gelangen. Einzelne Böen schmeißen mir aufgewirbelte Steinchen einer fünf Millimeter Körnung entgegen. Ich liege gefühlte dreißig Grad gegen den Wind. Horror. Den Fotoapparat kann ich nicht stillhalten. In der Zoomeinstellung versuche ich den gewünschten Bildausschnitt zu treffen. Ich stütze auf der Brüstung des Aussichtspunktes belaste mit meinen Knien den Tankrucksack, um sein wegfliegen zuverhindern. Ich krabble in Richtung eines Strauches hinter dem ich etwas Schutz finde. Ander Besucher quälen sich noch hierher. Der Sturm scheitelt die Frisuren ständig neu, die Kleidung wird so an den Körper gepresst, dass jedes zu viele Gramm sich zeigt. Der Gedanke, dass das Motorrad umgefallen sein könnte, lässt mich den Rückweg angehen. Wieder und wieder erwischen mich Böen, die mich vorantreiben, nur schwerlich kann ich ein stürzen verhindern. Die AT steht noch. Mit dem Wandern ist für heute Schluss. Auf dem Rückweg finde ich doch noch ein geschütztes Plätzchen, an dem ich die turbulente Umgebung entspannt miterleben kann.