20. Dezember 2013 – Freitag

Letzte Nacht hat der Wind lautstark an unserer Cabana gepfiffen. So laut, dass ich Angst vor einem Umfallen meines Motorrades bekam. Das Kantholz aus dem Torres del Paine Nationalpark, mit dem ich mein Motorrad zusätzlich abstützen konnte, hatte ich vergessen in Ushuaia wieder mit unter die Spanngurte meiner Hecktasche zu Spannen. Da ich eh spät dran war und das Kantholz eigentlich zehn Zentimeter zu lang war, somit über die Lenkerbreite hinausragte, ließ ich mich dazu hinreißen, es am Ende der Welt zu lassen. Bei den vielen Holzöfen würde schon jemand Verwendung dafür finden. Heute Nacht um 2:20 Uhr bereue ich meine Kurzsichtigkeit. Die Twin steht aber mit dem Seitenständer in ihrem Windschatten und ich hoffe, dass die Kraft des Windes nicht die robuste Aufnahme des Seitenständers überlastet. Es dauert lange bis ich nochmal Schlaf finde.

Wie am Morgen zuvor wecken mich neben den Windgeräuschen auch blendende Sonnenstrahlen. Die Twin steht noch. Skypen mit meinen Eltern, die ich in Deutschland mit den vier Stunden Zeitverschiebung meistens gegen 11:30 Uhr erreiche, heute von der benachbarten Tankstelle aus. Ich verabschiede mich von der Kassiererin und bedanke mich deren WiFi kostenlos genutzt zu haben. Ich gehe zur gleich gegenüber unserer Cabana liegenden Polizeikontrollstelle. Die Polizeibeamten bewachen rund um die Uhr, wer in die am Atlantik endende Stadt hinein und wieder hinausfährt. Fremde müssen sich ausweisen und das Kennzeichen ihrer Fahrzeuge wir aufgenommen. Wir Exoten mit unseren Motorrädern waren in den letzten zwei Tagen eine willkommene Abwechslung im monotonen Alltag der Polizisten. Ich frage nach ob wir bei unserer baldigen Abreise nochmals unseren Reisepass zeigen müssen. Den trage ich tief unter meinen vielen Schalen Kleidung. Ich kriege den dann nur mit viel Einsatz heraus gekramt. Er gibt mir zu verstehen, dass er uns zuordnen kann und wir direkt starten können.

Rainer ist nicht sicher ob die hohe Windstärke eine sichere Fahrt heute gewährleiste. Theo und ich fahren probehalber aus Puerto Santa Cruz auf das nahe Hochplateau um die Windverhältnisse dort zu prüfen. Nach einigen pro und contra Diskussionen entschließen wir zu starten. Wir erreichen Puerto Santa Cruz gegen 13 Uhr. Eigentlich zu früh zum Pausieren. Der Wind war aber unterwegs doch recht kräftezehrend und die nächstmögliche Übernachtungsmöglichkeit liegt 170 Kilometer von uns entfernt.

Bei der Unterkunftsuche fragen wir neuerdings zunächst in der Touristeninformation freie Cabanas und deren Preise nach. Ich erwische diesmal eine flippige knapp sechzigjährige die scheinbar auf Motorradkunden steht. Ich kriege sofort ein Stück selbstgebackenen Trockenkuchen angeboten, ein kopierter Stadtplan wird herausgeholt und eine Preisliste hiesiger Cabanavermieter landet auf dem Tisch. Sie greift zum Hörer. Mir wird ein Preis unterbreitet. Ich versuche mitleidig den Preis zu reduzieren. Aber keine Diskussion. Wir Jungs stimmen vor der Touristeninformation ab. Beim erneuten Kontakt reduziere ich den geforderten Preis geringfügig, doch mein schwarz- und langhaariges, dauergewelltes einmeterfünfundfünzig großes und vielleicht siebzig Kilo schweres Energiebündel lehnt ab. Sie tritt hinter ihrem Tresen hervor. Der Kuchen wird mundgerecht geschnitten und mir die Tupperdose in die Hand gedrückt. Sie greift nach ihrer Digicam, drückt diese ihrer englischsprachigen Untergebenen in die Hand schmeißt ihre Mähne mit einen Tief von unten eingeleiteten Hüftschwung in Position. In einer Glasscheibe überprüft sie ihr Outfit. Energisch gehen wir drei auf meine zwei Amigos zu. Theo und Rainer stelle ich vor. Beide kriegen Kuchen verabreicht. Sie klettert auf meine Africa Twin, die Kollegin muss knipsen. Dann noch ein Bild mit uns drei Motorradfahrern. Wir werden von der Cabanavermieterin abgeholt, womit die überschwängliche südamerikanische Einwickelstrategie ein abruptes Ende nimmt.

Ein Versuch meine liebgewonnene Kamera zu reparieren scheitert. Dies sei Richtung Norden fahrend erst im über dreihundert Kilometer entfernten Comodoro Rivadavia wahrscheinlich. Schade. So gibt es für euch maximal Handybilder.

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