Vor zehn Uhr verlassen wir Puerto San Julian. Die Pampa hat uns wieder. Der Wind bläst erträglich, der Himmel ist nahezu wolkenlos, die Fahrbahn von guter Qualität. Unsere Geschwindigkeit pendelt zwischen 90 und 100 Stundenkilometer. Wir werden oft überholt. Einige Fahrer grüßen uns durch doppeltes kurzes Hupen, andere Insassen richten ihr Smartphone durch das herabgelassene Fenster auf mich, freundlich verabschieden sie sich mit Händewinken und weichen langsam aus meinem Sichtfeld. Jeder scheint sich in der Einöde auf Abwechslung zu freuen. Beim ersten Stopp liegen bereits hundert Kilometer hinter uns. Danach noch mal das gleiche. Der Kartenausschnitt von Garmina zeigt mir, dass die von mir befahrene Ruta 3 mich bald an die Atlantikküste bringt. Rechts und links der Ruta sehe ich wieder Ölpumpen. Die behäbigen, unentwegten Bewegungen der Pumpenteile begeistern mich. Ich halte und nutze Rainers Ersatzkamera, die er mir anbot nach dem Desaster mit meinem Fotoapparat.
Achtung Kurven warnt das gelbe Verkehrszeichen. Ich fahre von dem topfebenen, um die 200 Meter hoch liegende Plateau hinunter. Der erste Blick auf den tiefblau erscheinenden Atlantik weckt mein Wahrnehmungsempfinden. Endlich wieder Kontraste. Das helle Blau des Himmels, die brauntöne der Felsplatten, auf denen sich die Wellen des Atlantiks mit einer spritzenden weißen Gicht brechen und die gelbblühenden Pflanzenkissen seitlich der Fahrbahn. Das Auge gibt dem Gehirn Nahrung. Es darf wieder Arbeiten.
An einem Mirrador auf einen Strand hält ein Argentinier neben uns, fragt neugierig wo wir herkommen. Uns teilt er mit, dass der ungewohnt starke Verkehr durch das nahe Weihnachtsfest verursacht wird. Viele Argentinier, die in den südlichen Provinzen leben, stammen aus dem Norden. Die Weihnachtszeit in Verbindung mit den zweimonatigen Schulsommerferien gibt ihnen die Möglichkeit, Freunde und Verwandte zu besuchen.
Nach über 400 Kilometer erreichen wir Comodoro Rivadavia. Nach längerer vergeblicher Suche einer Unterkunft, frage ich in einem Motel das auch mit Cabanas wirbt nach. An der Wand hängen Bilder, die die Ausstattung der Herbergen darstellen. Mein Handelsversuch wird mit hundert Peso Nachlass honoriert. Die Adresse sei auf dem Stadtplan, den ich aus der Touristeninformation habe nicht verzeichnet. Einen Straßennahmen den ich ins Navi eingeben könnte gäbe es nicht. Doch der Cabanavermieter würde uns in fünfzehn mit seinem Auto dorthin führen. Wir warten länger als eine halbe Stunde in der spätnachmittaglichen Hitze bis ein rundum verbeulter Duster uns durch ganz Comodoro zurück führt. Von der vierspurigen durch Grünstreifen getrennten Hauptstraße biegt unser blausilberner Duster in einen unbefestigten Weg ab. Der vom regen Verkehr aufgewirbelte Staub, lässt den Boden vor dem Vorderrad schwerlich erkennen. Die schnellen Blicke in die Umgebung sehen Bimssteinwände, Wellblech, Plastikfolien, Stacheldrähte, bösartig bellende Hunde, Kinder die im Dreck mit einem Ball spielen. Der Duster hält. Ein eisernes Schiebetor wird für uns geöffnet, das den Weg auf einen mit einer Steinmauer, in deren oberste Mauerlage zerbrochene Glasscherben eingearbeitet wurden, freigibt. Von Stahlwinkel, die unter 45 Grad nach außen gerichtet an der Mauer befestigt sind, werden drei Reihen Stacheldraht getragen. Die Fotos von der Cabana, die ich bei den Mietverhandlungen sah, kann ich in der uns angebotenen Behausung nur mit viel gutmütiger Fantasie zuordnen.