25. Dezember 2013 – Mittwoch

Mein erster Weg heute führt mich wieder zur Tankstelle. Der Gastraum, der für Kunden eine wohlige Pausenumgebung bietet, öffnet leider erst in einer halben Stunde. Vor dem Laden komme ich nicht ins WiFi. Ich schlendere die eigentlich einzige Straße von Puerto Pirmides Richtung Strand. Der Wind bläst heute Morgen kühl, der Himmel ist bedeckt. Ich vermisse meine wärmende Jacke. Die liegt im Zelt. Endlich hat meine Tankstelle aufgemacht. Fabricio, der geschäftstüchtige Kaufmann, begrüßt mich wie einen Stammgast mit einem feliz navidad. Ich erfrage noch mal den inoffiziellen Tauschkurs. Ocho. Ich will diez. Wir einigen uns auf achtfünfzig. Ich handle noch einen Kaffee raus und zwei media luna. Das schlechte WiFi entschuldigt er und lässt mich über sein I-Phone mit seinem Password ins Internet. Man das geht mal richtig ab.

Mit Brot komme ich zu den Zelten zurück. Nach dem Weihnachtsfrühstück brechen Theo und ich zu einer Erkundungstour von der insula Valdez auf. Schotter führt uns 60 Kilometer zu einer Stelle, von der man Seelöwen beobachten kann. Der Hinkefuß, das Areal ist privat und wir sollen zunächst ein üppiges Mahl zu uns nehmen, um dann mit einem Guide die Meerestiere zu besuchen. Alternativ können wir nach weiteren 40 Kilometer diese Tiere ohne Schutzgebühr bewundern, teilt uns der hilfsbereite junge Mann am Restaurant mit. Auf dem Weg dahin führt die Piste einmal so nah an die Steilküste heran, dass ich anhalte, und die vielleicht 50 Meter zur ungesicherten 60 Meter steil abfallenden Küste geh. Unten liegen in beide Richtungen von mir hunderte der Seelöwen. Ihre Köpfe sind allesamt zum Land hin gerichtet. Sie kommen nur soweit aus dem Wasser, dass ihr Flossenende noch von der Brandung erreicht wird. Aus meiner Entfernung zu ihnen scheinen sie regungslos beieinanderzuliegen. Was veranlasst sie zu solch einem Verhalten, frage ich mich.

An dem für den Tourismus präparierten Seelöwenbesichtigungspunkt darf ich meine Motorradsachen beim Ranger ablegen. Befreit von der für Wanderungen ungeeigneten Motorradkleidung gehe ich den Lehrpfad entlang. Mittels Plakaten wird mir mitgeteilt, dass dieser Küstenabschnitt vor zehntausenden Jahren unter Meeresniveau lag. An der Steilküste kann ich die einzelnen Schichtungen mit unzähligen Einlagerungen ehemaliger Meeresbewohner erkennen. An die Seelöwen komme ich auf 50 Meter heran. Es wird darum gebeten den Pfad nicht zu verlassen, um die Seelöwen nicht zu stören, aber auch der eigenen Sicherheit wegen. Sollten sie mal ihre im Tonnenbereich liegende Masse in Bewegung setzen, ist man besser nicht in Reichweite. Vom Lehrpfad aus kann die Einfahrt in einen Naturhafen eingesehen werden. Diesen nutzte bereits Darwin auf seinen Entdeckerreisen. In der Ferne bemerke ich, wie mehrere Pinguine aus dem Meer an Land gehen. Drei von ihnen watscheln zielgerichtet ins Hinterland. Einer dreht in meine Richtung ab und beginnt zu meinem hoch über dem Meer gelegenen Aussichtspunkt aufzusteigen. Durch kurze Verschnaufpausen unterbrochen kommt er mir so nahe, dass wir uns fast mit Handschlag begrüßen könnten. Natürlich muss in so einer Situation wieder etwas nicht funktionieren. Der Acku meiner Leihkammara  ist leer. Auf dem Rückweg zum Rangerhaus sehe ich noch mehrere Schmuckeidechsen im gelb grün metallic Design, und Geckos in saharabeige, die sich bewegen müssen, sollte ich sie bemerken.

Roberto, der seit 23 Jahren der Chef der Station ist, lädt mich ein mich von seiner Assadoplatte zu bedienen. Er zeigt mir auf seiner Spiegelreflexkammara Bilder von einem Orka, den er heute Morgen beim Frühstücken eines Seelöwen erwischt hatte. Er selbst Stamme aus Rawson, die Stadt in der wir zuvor gecampt hatten. Er betreibt ganzjährig die Station. Jetzt im Sommer ist es sehr heiß, aber auch die Winter bleiben angenehm warm. Wir tauschen Mailadressen aus, er verspricht mir ein Orkafoto und eines mit ihm und mir vor der Africa Twin, wovon er auch mal eine besessen hatte, zu senden. Er packt noch eine vom Wind schon angefranste Argentinienfahne aus, die er mir schenkt.

Nochmal 70 nicht enden wollende Pistenkilometer fahre nach Piramides zurück. Abends beginnen Theo und Rainer mit dem grillen. Rainer holt seine Spiegelreflex und berichtet mir von einer Multikulti Veranstaltung an der Grillanlage. Deutscher Grill mittig, links von uns drei argentinische Familienväter die halbe Lämmer auf den Punkt bringe, rechts ein kolumbianisches Durcheinander von vielleicht zehn jungen Leuten. Jeder hat in einer Hand ein Gefäß mit etwas alkoholischem drin. Kolumbien favorisiert Rotwein mit Zucker und Eiswürfel in ausgehöhlter Melone. Von Argentinien muss ich Whisky Cola probieren. Unser anfänglich übersichtlicher Grillrost füllt sich mit Spenden von links und rechts. Gespräche aus einem Gemisch aus Englisch, Spanisch und Deutsch würzen den beeindruckenden Abend.

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