Früh habe ich meine Ausrüstung zusammengepackt. Ich nutze die Zeit bis meine Begleiter reisefertig sind für Computerarbeit. Der Himmel hat sich zugezogen, ein kühler Wind bläst. Um den Laptop mit Strom zu versorgen lasse ich mich an einem Laternenmast nieder, an dem auch eine Steckdose angebracht ist. Den Sockel des Laternenmastes im Rücken, auf einer Plastiktüte auf dem Boden sitzend, den Blick durch Bäume hindurch zum See gerichtet suche ich nach Fotos und Worten die ich euch schicken kann. Das ist Camping. Den Spruch haben wir vor etlichen Jahren schon geprägt, als wir den Sand im Salat zwischen den Zähnen spürten, oder mitten in der Nacht aus dem vom Gewitterregen durchnässten Zelt unter den als Sonnenschutz gedachten Pavillon flüchteten und den Rest der Nacht mit den letzten Bierreserven verbrachten.
Der Motor der Twin wird nicht warm bis wir die argentinische Grenzstation am Ende von Villa Pehuenia erreichen. Die Ausreise ist schnell im Reisepass bestätigt. Ich bin froh meinen Freund den Regenkombi, eigentlich als Kälteschutz, bereits angezogen zu haben. Die Straße ist nass, Sprühregen fällt vom Himmel. Die vielleicht 15 Kilometer entfernte chilenische Grenzstation fordert mehr Geduld von uns. Ich beobachte wie eine Familie ihr gesamtes Gepäck vom Pickup laden muss. Es wird durch die Durchleuchtungsanlage der Station geschleust. Was mir auf einem Flughafen ganz natürlich vorkommt, scheint mir hier an einer Grenzstation, die nur über eine holprige Piste erreichbar ist, übertrieben. In der Warteschlange stehend, fallen mir die Äpfel ein, die Notration für den Tag. Lebensmittel dürfen nicht nach Chile eingeführt werden. Nachdem Einreisestempel und Motorraddokument erledigt sind, begleitet uns ein Zöllner und nimmt unser Gepäck pflichtbewusst aber nicht übertrieben streng in Augenschein. Einen Apfel esse ich noch vor überschreiten der Grenze, den anderen, durch mehrere Druckstellen lädierten, opfere ich der Entsorgungstonne, die sicherlich mehrmals am Tag geleert werden muss.
Die Wolken hängen tief in den rundlichen, dicht bewaldeten Bergkuppen, hier und da treffen mich Regentropfen, maximal 15 Gad. So stellte ich mir die Anden vor, so sind sie hier und jetzt. Zwar noch immer nicht lange Unterwegs zwinge ich mich zum Fotostopp. Einmal nach vorne, zur Seite, zwei durch Zoom fokussierte Bildausschnitte, weiterfahren. Nach der folgenden Kurve tauche ich in eine Nebelwand ein. Glück gehabt beim Einfangen des Augenblicks. Ich verliere an Höhe, die Wolken befinden sich wieder über mich. Ein mit 30 Stundenkilometer, die hinter sich befindlichen Verkehrsteilnehmer ausbremsender Pickup, lasse ich rechts liegen. Erst eine Baustellensperrung stoppt meine euphorische Gangart. Nach der Freigabe für unsere Fahrtrichtung durch den mit Funkgerät ausgestatteten Verkehrsmanager, endet bald die Schotterpiste. Eine kurvenreiche, gut asphaltierte Straße, weckt in mir Erinnerungen an dynamisches Motorradfahren im weit entfernten Europa.
An einem riesigen Lavagesteinsfeld des zuletzt 2009 ausgebrochenen llaima Vulkans pausieren wir. Die Wolken geben leider keine Sicht auf den Gipfel des Vulkans frei. Der Ausbruch hat die fruchtbaren Flächen in ein tristes offensichtlich totes Stück Natur umgewandelt. Bei näherer Betrachtung aber erkenne ich auf dem grobporigen Gestein bereits wieder Flechten und niedrigwachsende Pflanzen, die eine Wiederbelebung des Areals eingeläutet haben. Gewohnt geradlinig führt uns die S51 durch eine sanft hügelige, mit golden gefärbten, erntereifen Getreidefeldern gespickten Landschaft, bei mittlerweile locker bewölktem Himmel und angenehmen Temperaturen, in die Stadt Temuco. Nach lästiger Stadtquerung und weiteren guten hundert Kilometer finden wir in Tragiuen im Hostal Sonja Unterschlupf. Ein unserem Hostal nahegelegenes Restaurant versorgt uns mit Kalorien und anderem Lebenselixier.