23. Januar 2014 – Donnerstag

Marica, unsere Hostalbetreiberin, fährt mit uns eine gestern bestellte Batterie für Theos R100GS in Arequipa holen. Die erst bei Rafael vor wenigen Wochen erneuerte Batterie ist laut Schauglas defekt. Gestern im dichten Stadtverkehr drehte sie den Anlasser nicht mehr. Erst mit einer Anschiebeaktion brummte der Motor wieder. Ich staune nicht schlecht, als ich im exklusiven Batteriefachladen beinahe jedes Batterieformat, selbst die Vielfalt für die unterschiedlichen Motorradtypen vorfinde.

Als kleine Akklimatisierungstour haben wir die Laguna Salinas, gute 60 Kilometer von uns in östlicher Richtung ausgesucht. Das Verkehrschaos hat sich gegenüber gestern nicht verändert. Die Hauptstraßen sind zweispurig. Dort auf einer Spur mitzuschwimmen ist relativ ungefährlich, obwohl bei Rotphasen die Peruaner aus einer zweispurigen Straße eine dreispurige machen, indem sie sich mit 10 Zentimeter Abstand neben mein Motorrad quetschen. Spannender wird es, wenn man vorwärts kommen will. Theo nutzt Lücken auf beiden Spuren. Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren versuche ich dranzubleiben. Das schwere Motorrad, die schwierige Einschätzung des rückwärtigen Verkehrs mit Spiegel und Kopfdrehung, das ständige Hupen der Fahrzeuge, die im Kabelgewirr oft spät erkennbaren Ampeln, das urplötzliche Stehenbleiben der unzähligen Kleinbusse, um Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen, macht das Stadtfahren für mich zur Tortur.

Auf einer gut geteerten, kurvenreichen Kreisstraße kann ich mich vom Großstadtstress erholen. Ich hatte Marica auf die unzähligen vielleicht drei mal zwei Meter messenden Behausungen auf losem Wüstenboden vor der Stadt angesprochen. Es sind tatsächlich Behausungen für Peruaner. Als ich äußerte, dass ich dort kurzfristige Notunterkünfte für Emigranten vermutet hätte, erklärt sie mir, dass diese an anderen Orten in Zelten untergebracht seien. Genau so einer liegt jetzt rechts von uns. Anders als bei den Behausungen, an denen kaum Menschen zu sehen waren, herrscht hier auf der Straße reges Treiben. Überall haben sich Menschentrauben gebildet, deren Grund nicht erkennbar ist. Ich merke wie ich mit meinem Motorrad von trübsinnigen Gesichtern beobachtet werde. Meine sonst zum Grüßen lockere Hand umklammert fest den linken Griffgummi. Ich blubbere untertourig die mehreren hundert Meter am Lager vorbei, mit dem irrealen Wunsch nicht bemerkt zu werden. Nach einigen Kurven, das Lager ist außer Sicht, halten wir an. Ich muss einige Worte mit Theo tauschen, dem auch das Entsetzen anzumerken ist.

Der Teerbelag endet im Pueblo Chiguata, das um die 20 Kilometer von Arequipa entfernt liegt. Die Menschen hier leben in authentischen Bauernhäusern, Felder sind terrassenförmig angelegt, mit Mais und Gemüse bestellt, hier und da sehe ich Kühe, Schafe, Ziegen auch ein Alpaka ist dabei. Bis zur aufwändig gestalteten Plaza ist unser Weg befestigt. Wenige Leute halten sich draußen auf, alle weit von mir entfernt. Der weiterführende Weg ist mit tiefen Auswaschungen versehen, ich muss die Honda konzentriert lenken. In einer Kehre kommen mir zwei mit weit geöffneten Augen staunende Kinder entgegen. Meine linke Hand versucht einen Gruß auszusenden und wird mit verhaltenem zurückwinken honoriert. Die nächsten drei auf einer Mauer sitzenden Dorfbewohner grüßen mich, dem exotischen vermummten Außerirdischen, zurück.

Mit zaghaften 30 Stundenkilometer schlängeln wir uns der dunklen Wolkenwand, in einer trist wirkenden Hügellandschaft auf 3600 Meter hinauf. Auch heute erreichen wir nicht unser Wunschziel. Nach ausgedehnter Pause drehen wir. Ein Stadtbummel im kolonialen Altstadtbereich zeigt uns den Reichtum, der neben den, nur wenige Kilometer entfernten Armut, existiert. Arm und Reich auf so nah aneinander.

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