24. Januar 2014 – Freitag

Die Sonne scheint, der Himmel ist nur leicht bewölkt. Heute wollen wir Puno am Lago Titicaca erreichen. Die Oberfläche des Titicacasees liegt bei ungefähr 3800 Meter über dem Meeresspiegel. Wir werden also 1500 Meter höher Übernachten als in unserm Hostal in Arequipa.

Der chaotische Stadtverkehr erscheint mir heute weniger ausgeprägt als an den letzten beiden Tagen. Bereits nach einer halben Stunde sind wir in Perus Natur unterwegs. Und es gibt ihn wirklich, den Vulkan Chachani. Seine in frischem Schnee getünchte Kuppe hebt sich imposant vom Blau des Himmels ab. Da macht das Motorradfahren schon mehr Freude. Das Hochplateau, das Theo und ich bereits vor zwei Tagen im Gewitterschauer befahren hatten, zeigt uns heute seine wahren Ausmaße. Rechts von uns erhebt sich die Rückseite des Chachani majestätisch aus der Ebene, gerade vor uns, aber nur als kleiner Zuckerhut wahrnehmbar, ein weiterer Vulkankegel und links erhebt sich ein Gebirgszug, dessen weiße Gipfel fast die Ebene berühren. Die Auswirkung der Höhe auf meinen Organismus beschäftigt mich heute ununterbrochen. Die Kurzatmigkeit hatte sich in Arequipa etwas bei mir gelegt, doch heute geht es auf über 4500 Meter hinauf. Überrascht bin ich über den Motorlauf der Twin. Klar, dass die Leistung deutlich nachlässt, worauf ich mich gut einstellen kann. Lediglich beim seltenen Überholen eines Lastwagens muss ich den Gegenverkehr bewusster einschätzen. Die Standgasdrehzahl ist um etwa 300 Umdrehungen gefallen, aber selbst bei knapp unter 1000 Umdrehungen tuckert der Motor so gerade noch durch. Nach unserer Verschnaufpause, bei der Theos Verfassung immer noch unbeeindruckt von der Höhe ist, steigt die Straße nochmals 500 Höhenmeter an. Ruhig auf dem Motorrad sitzend verspüre ich nur ein leicht flaues Gefühl, sobald aber körperliche Bewegung mit ins Spiel kommt ist die Kurzatmigkeit sofort wieder da. Auch Theo verspürt jetzt nach längerem Aufenthalt in der Höhe ein flaues Gefühl. Wir müssen vielleicht 70 Kilometer über dieses Hochplateau, das ist eine Stunde Fahrzeit plus Pausen bevor es auf das immer noch sehr hohe Übernachtungsniveau hinuntergeht.

So vor lauter Gesundheitsstress, bin ich natürlich immer auf der Suche nach Motiven, die Land und Leute wiederspiegeln. Der Kulturschock, den ich in den Stadtrandgebieten erlebt hatte, ist hier auf dem Land verdrängt. Ich sehe kleinere und größere Vieherden, die von Hirten begleitet werden. Die Leute arbeiten an ihren Unterkünften, Verkaufen an Marktständen ihre Produkte. Eine Peruanerin wäscht im seichten Flusslauf ihre Kleidung. Vieles hier auf dem Land ist für mich ungewohnt, hinterlässt in mir aber nicht das Gefühl der Armseligkeit. Das Grüßen und Zurückgrüßen funktioniert wieder. Ein einsamer Straßenstand mitten in der Passabfahrt, an dem farbenfrohe Textilien angeboten werden zwingt mich zum Anhalten. Ich lasse mir von einem vielleicht 12 jährigen Mädchen Decken, Mützen, Handschuhe und andere kleine, liebevoll gestaltete Andenken zeigen. Ich deute auf ein kleines Etui, in das ein Handy passen könnte. Zwanzig Soles, umgerechnet fünf Euro will die geschäftstüchtige Chica. Ich schaue sie an und sage pequenio parte mucho caro. Die Mutter hatte mich, den Touristen, wohl bemerkt und kommt aus der nahegelegenen Hütte, um die Verhandlungen weiterzuführen. Das Töchterchen flüstert der Mutter die Situation zu. Ich erstehe zwei der Täschchen für fünfzehn Soles und handle noch ein Erinnerungsfoto mit ihnen an meinem Motorrad heraus.

Endlich verlassen wir die große Höhe und fahren in die 3900 Meter hoch liegenden Stadt Juliaca ein. Theos Navi führt uns entlang einer Straße, die gerade auch als Marktplatz genutzt wird. Trotzdem quetscht sich der Verkehr in beide Richtungen durch den schmalen verbleibenden Raum. Mir kommen muskelkraftbetriebene, mit Frontladefläche versehene Dreiräder, breite moderne Pickups, vierköpfige Familien auf Mopeds und dreirädrige Minitaxis entgegen. Wir müssen mit den breit bepackten Motorrädern und einer buntgemischten Gruppe anderer Gefährte in die andere Richtung. Alle meinen durch intensive Nutzung der Hupe das Chaos schneller entwirren zu können. Doch irgendwann ist es geschafft. Wir bringen die letzen 40 Kilometer nach Puno zügig hinter uns, finden schnell das uns empfohlene Hostal.

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