05. März 2014 – Mittwoch

Heute soll mich die Africa Twin über den Pass bringen, mit dessen Überquerung ich vor fast vier Monaten meine Reise beginnen wollte. Die sich in gutem Zustand befindende, aber auch vielbefahrene Verkehrsader zwischen der Hafenstadt Valparaiso und dem Norden Argentiniens führt mich Richtung Westen. Die wärmende Morgensonne im Rücken strahlt gleichzeitig das vor mir liegende Andenpanorama mit den weißen Gipfeln und den in zahlreichen Farbnuancen schimmernden Felsformationen an. Die tiefblaue Atmosphäre komplettiert die perfekt gestaltete Eisenbahnlandschaft, durch die ich, wie ein auf Spur Z geschrumpftes Objekt, fahren darf. Ich erinnere mich an den Parque Torres de Paine, bei dessen Durchquerung ich hinter jeder Wegbiegung ein neues Panorama erblickte, dass mich wieder anhalten ließ. Ich nutze die noch ruhige Verkehrslage, um oft die Straße zu queren, steige vom Motorrad und inhaliere die vermutlich letzte Andenquerung meines Lebens. Nur zäh gewinne ich an Höhe, dafür das ich mich ganz in der Nähe des höchsten Berges der Welt, außerhalb Asiens, dem Aconcagua befinde. Seine Besichtigung soll heute mein Highlight werden.

Hinter Punta de Vacas, einem Kuhdorf, holt mich die hiesige Geschichte ein. Ein schreckliches, elektronisches, lärmendes Geräusch, einer ausgelösten Autoalarmanlage gleich, kündet mein Befahren des Museumparkplatzes an. Erst an Flucht denkend, traue ich mich doch das Blubbern der Twin verstummen zu lassen. Vor mir steht eine Sitzgruppe unter einem Coca Cola Sonnenschirm hinter der eine offene Tür in ein kleines Haus einlädt. Eine junge Senora kommt aus einer entfernteren Behausung zu mir herüber. Ich frage nach dem Museum. Es sei ein mit Audio und Plakaten untermalter Rundgang, der eine dreiviertel Stunde dauern würde. Sie wolle mir mit ihrem Englisch Erläuterungen geben. Nachdem ich mein Motorrad aus dem Sichtfeld der Ruta 7 hinter einer Hauswand versteckt habe, öffnet sich eine Klapptüre nach oben und gibt den Eintritt in einen Kuppelraum frei, in dem zwölf Personen auf Stühlen Platz finden. Ich bin alleine mit der jungen Museumswächterin. Sie schließt die Klapptüre, nur durch die provisorische Abdichtung fällt noch spärlich Licht ein. Rote, weiße, grüne und blaue Lichtblitze und Donnergrollen eröffnet eine spannende Atmosphäre. Dann tragen zwei tiefe Männerstimmen einen Dialog vor. Eine zweite Tür öffnet sich, durch die ich einen Raum betrete, in dem zwei lebensgroße, in antiker Militäruniform gekleidete maskuline Puppen beratschlagen. Mir wird klar, dass die historische Befreiungsschlacht mit dem argentinischen General San Martin und sein chilenischer Verbündeter General O’Higgins in Szene gesetzt wird. Noch mehrere liebevolle, aber mit primitiven Hilfsmitteln gestaltete Räume, durchlaufe ich, kriege dabei noch die geologische Erklärung für die Vielfarbigkeit der Bergwelt präsentiert.

Mit einem Andenken für die Lieben daheim und einem Kaffee genossen mit einem deutschen Paar, das sich von der Empfangssirene auch nicht vertreiben ließ, erreiche ich Puente del Inca. Die Strömung des Rio Mendozas hat hier eine natürliche Brücke erzeugt, die durch den vielfarbigen, keramischen Überzug zum Touristenmagnet mutierte. Eine Therme speiste vor Jahren ein Badehaus. Doch ein Erdbeben hat die Intensität der Quelle verringert. Die baufällige Badeanstalt ist für Touristen nicht mehr zugänglich.

Mit einigen neuen Fotos erreiche ich den Aussichtspunkt auf den Aconcagua. Drei argentinische Pesos habe ich noch nach Entrichtung des Eintrittsgeldes in den gleichnamigen Parque. Die umgerechnet 20 Cent will ich großzügig dem Kassierer als Trinkgeld überlassen. Doch der wehrt sich energisch, also wird der abgenutzte Geldschein in die heimische Urlaubsvitrine wandern. Berge haben immer etwas majestätisches, so auch der Aconcagua. Doch beim Betrachten des Riesen und meiner Erfahrung mit den Höhen des Altiplano, wächst kein Wunsch in mir, einmal dort oben stehen zu wollen.

In Las Cuevas verlasse ich die Ruta 7, die weiter zum Tunnel Christo Redentor führt. Ich nehme die unbefestigte Piste zum Paso de la Cumbre. Sie lässt sich auf argentinischer Seite mit dem Motorrad gut befahren. In deutlich abgekühlter Luft gepaart mit einem stürmischen Wind erreiche ich schnell die Passhöhe. Passfoto und runter geht es auf der steilen, mit vielen engen Kehren an den Berg geschmiegten Piste.

An der Zollstation werde ich auf das in einer halben Stunde beginnende Länderspiel Chile Deutschland angesprochen. Ich wage zu erklären, dass Deutschland sicherlich gewinnen wird. Trotz meiner Prognose lassen sie mich nach einer 30 Minuten Zeremonie  einreisen. Mein zuvor ausgegucktes Hotel passt auf Anhieb, so dass ich die zweite Halbzeit der eins zu null Partie noch mit Georg, einem Deutschchilenen, zu Ende sehen kann.

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