13. März 2014 – Donnerstag

Frank schrieb gestern folgenden Kommentar zu dem Video auf gleichnamiger Seite:

Ich bin es, der im Augenblick im Aeroporto Santiago auf seinen Rückflug in die Heimat wartet und der die Reise und die Bilder gemacht hat.

Vieles während des Abenteuers ging mir zu schnell, oft habe ich rasch angehalten um hoffentlich ein brauchbares Bild von dem Moment zu erstellen. Viel zu wenig Zeit habe ich mir genommen, um die Gerüche zu inhalieren, die Umgebung zu ertasten, Geräusche der Natur und wenn es die absolute Stille war aufzunehmen.

Was ich in diesem Klipp sehe, wässert meine Augen vor Glück.
Danke Dagi, dass Du mir diesen Tripp, den ich beinahe nicht antreten wollte und der beileibe nicht immer nur Sonnenschein war, so inszeniert hast, dass viele wunderbare Augenblicke mir lange erhalten bleiben.

Es hat mir Spass gemacht, Euch an meinem Abenteuer teilhaben zu lassen.

10. März 2014 – Montag

Der lange spannende Abend gestern hatte zum Abschluss noch eine kleine Überraschung für mich. In meinem Zimmer hatte sich ein weiterer Weltreisender eingefunden. Tobias, eine Internetbekanntschaft, die unsere amerikanischen Freunde aus Potosi herbestellt hatten, wacht heute Morgen auch hier in der Villa auf. Er zu mir, bist du deer Frank, ich zu ihm, bist du deer Tobias, den ich in Potosi treffen wollte. Curtis, einer der Amerikaner hatte mir den Hühnen so angedeutet, wie er jetzt neben mir steht. Seit eineinhalb Jahren ist Tobias unterwegs, gestartet im Osten der USA, dann Alaska, dann neues Motorrad, heute in Vlparaiso und bald in Ushuaia.

Doch heute ist Verpackungstag. Ich missbrauche meinen neuen Freund sofort um beim spannenden Kistenzusammenbau zu helfen. Gegen zehn liegt die in sechs Einzelteilen auf der Ladefläche des roten Nissan Pickup vor mir. Ich folge ihm die zwanzig Kilometer bis zum Trockenhafenbereich, in dem wir die die Africa Twin zunächst auf die Bodenpalette fest zurren. Jetzt werden die Seitenteile angeschraubt. Die Seitenteile und der Deckel lassen sich erstaunlich gut zusammenfügen. Die die Kiste verschließende Frontseite weist doch einige Schlitze auf.

Am frühen Nachmittag erreichen wir wieder die Villa. Thomas, auch ein Alleinreisender aus der Nähe von Frankfurt, bittet um eine Unterkunft und kurz danach erreichen uns Alesandro mit Fabrizio, die sobald ihre Africa Twins im Hafen ankommen, ihre Dreimonatstour starten. Der ganze Haufen wird abends von Ivo, meiner Bekanntschaft aus San Pedro de Atacama, der in nahegelegenen Vina del Mare wohnt, durch Valparaiso geführt. Verdammt, ist Abschied nehmen anstrengend.

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09. März 2014 – Sonntag

Gestern kurz nach mir erreichen Ying und Holger auch die Villa. Beide sind hier vor zehn Wochen gestartet, um auch zunächst in Richtung Süden nach Ushuaia aufzubrechen. Für Holger ist Südamerika die zweite große Reise. Er startete vor zwei Jahren von München aus, um ganz Russland zu queren und durch die Mongolei, Thailand, Kambodscha… bis nach Australien zu gelangen. Ein Jahr war er unterwegs.

Heute Abend sitzen wir in Valparaiso im Restaurant und der Abend kann nicht lange genug dauern, um Erlebtes auszutauschen. Schon übermorgen fahren beide zum Motorradservice nach Santiago, und dann Richtung Norden. Kolumbien ist erstmal das Ziel. Vielleicht danach Florida.

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07. März 2014 – Freitag

Die Safaritour in den nahegelegenen Parque Rio Blanco, den mir Andres, mein Hotelwirt, mit einem Videovortrag schmackhaft gemacht hat, findet heute leider nicht statt. Alternativ beschließe ich den Cerro la Virgen zu erklimmen. Der kleine Hügel liegt direkt am Stadtrand, so dass ich direkt vom Hotel Genova losgehen kann. Hätte mir Andres nicht den Weg durch das  Büchereigelände beschrieben, wäre ich wohl nicht auf den Aussichtspunkt gelang. Verunsichert lasse ich mir von einer uniformierten Senora den Camino zum Cerro la Virgen bestätigen.

Es ist schon verdammt heiß und der Camino hat nur wenige Abschnitte die im Schatten verlaufen. Die Marienstatue erscheint schon fast greifbar, doch kann ich noch einige Serpentinen erkennen, die ich noch erklimmen muss. Oben angekommen bietet sich mir nicht nur der Blick auf Los Andes, nein ich kann auch weit nach Osten blicken, bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Anden. Ein schattenspendender Funkmast lässt mich lange verweilen und Details der Landschaft beobachten. Gegen zwei erreiche ich wieder mein Hotel.

Dann breche ich doch noch mal auf, um mit der sauberen Twin den Rio Blanco Park auf eigene Faust zu erkunden. Auch auf dem Motorrad ist die Hitze nicht besser zu ertragen. Ich bummele die 30 Kilometer. Der Weg, der in den Park führt, ist natürlich nicht asphaltiert. Ich krieche den Weg entlang, um nicht mehr als nötig Staub aufzuwirbeln. Doch nach zwei Kehren versperrt eine Schranke die Weiterfahrt. Auch eine zweite Piste, die an der Parkgrenze entlang verläuft ist für die Öffentlichkeit versperrt. Nicht wirklich enttäuscht halte ich an Souvenirständen und ergattere eine Kleinigkeit.

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05. März 2014 – Mittwoch

Heute soll mich die Africa Twin über den Pass bringen, mit dessen Überquerung ich vor fast vier Monaten meine Reise beginnen wollte. Die sich in gutem Zustand befindende, aber auch vielbefahrene Verkehrsader zwischen der Hafenstadt Valparaiso und dem Norden Argentiniens führt mich Richtung Westen. Die wärmende Morgensonne im Rücken strahlt gleichzeitig das vor mir liegende Andenpanorama mit den weißen Gipfeln und den in zahlreichen Farbnuancen schimmernden Felsformationen an. Die tiefblaue Atmosphäre komplettiert die perfekt gestaltete Eisenbahnlandschaft, durch die ich, wie ein auf Spur Z geschrumpftes Objekt, fahren darf. Ich erinnere mich an den Parque Torres de Paine, bei dessen Durchquerung ich hinter jeder Wegbiegung ein neues Panorama erblickte, dass mich wieder anhalten ließ. Ich nutze die noch ruhige Verkehrslage, um oft die Straße zu queren, steige vom Motorrad und inhaliere die vermutlich letzte Andenquerung meines Lebens. Nur zäh gewinne ich an Höhe, dafür das ich mich ganz in der Nähe des höchsten Berges der Welt, außerhalb Asiens, dem Aconcagua befinde. Seine Besichtigung soll heute mein Highlight werden.

Hinter Punta de Vacas, einem Kuhdorf, holt mich die hiesige Geschichte ein. Ein schreckliches, elektronisches, lärmendes Geräusch, einer ausgelösten Autoalarmanlage gleich, kündet mein Befahren des Museumparkplatzes an. Erst an Flucht denkend, traue ich mich doch das Blubbern der Twin verstummen zu lassen. Vor mir steht eine Sitzgruppe unter einem Coca Cola Sonnenschirm hinter der eine offene Tür in ein kleines Haus einlädt. Eine junge Senora kommt aus einer entfernteren Behausung zu mir herüber. Ich frage nach dem Museum. Es sei ein mit Audio und Plakaten untermalter Rundgang, der eine dreiviertel Stunde dauern würde. Sie wolle mir mit ihrem Englisch Erläuterungen geben. Nachdem ich mein Motorrad aus dem Sichtfeld der Ruta 7 hinter einer Hauswand versteckt habe, öffnet sich eine Klapptüre nach oben und gibt den Eintritt in einen Kuppelraum frei, in dem zwölf Personen auf Stühlen Platz finden. Ich bin alleine mit der jungen Museumswächterin. Sie schließt die Klapptüre, nur durch die provisorische Abdichtung fällt noch spärlich Licht ein. Rote, weiße, grüne und blaue Lichtblitze und Donnergrollen eröffnet eine spannende Atmosphäre. Dann tragen zwei tiefe Männerstimmen einen Dialog vor. Eine zweite Tür öffnet sich, durch die ich einen Raum betrete, in dem zwei lebensgroße, in antiker Militäruniform gekleidete maskuline Puppen beratschlagen. Mir wird klar, dass die historische Befreiungsschlacht mit dem argentinischen General San Martin und sein chilenischer Verbündeter General O’Higgins in Szene gesetzt wird. Noch mehrere liebevolle, aber mit primitiven Hilfsmitteln gestaltete Räume, durchlaufe ich, kriege dabei noch die geologische Erklärung für die Vielfarbigkeit der Bergwelt präsentiert.

Mit einem Andenken für die Lieben daheim und einem Kaffee genossen mit einem deutschen Paar, das sich von der Empfangssirene auch nicht vertreiben ließ, erreiche ich Puente del Inca. Die Strömung des Rio Mendozas hat hier eine natürliche Brücke erzeugt, die durch den vielfarbigen, keramischen Überzug zum Touristenmagnet mutierte. Eine Therme speiste vor Jahren ein Badehaus. Doch ein Erdbeben hat die Intensität der Quelle verringert. Die baufällige Badeanstalt ist für Touristen nicht mehr zugänglich.

Mit einigen neuen Fotos erreiche ich den Aussichtspunkt auf den Aconcagua. Drei argentinische Pesos habe ich noch nach Entrichtung des Eintrittsgeldes in den gleichnamigen Parque. Die umgerechnet 20 Cent will ich großzügig dem Kassierer als Trinkgeld überlassen. Doch der wehrt sich energisch, also wird der abgenutzte Geldschein in die heimische Urlaubsvitrine wandern. Berge haben immer etwas majestätisches, so auch der Aconcagua. Doch beim Betrachten des Riesen und meiner Erfahrung mit den Höhen des Altiplano, wächst kein Wunsch in mir, einmal dort oben stehen zu wollen.

In Las Cuevas verlasse ich die Ruta 7, die weiter zum Tunnel Christo Redentor führt. Ich nehme die unbefestigte Piste zum Paso de la Cumbre. Sie lässt sich auf argentinischer Seite mit dem Motorrad gut befahren. In deutlich abgekühlter Luft gepaart mit einem stürmischen Wind erreiche ich schnell die Passhöhe. Passfoto und runter geht es auf der steilen, mit vielen engen Kehren an den Berg geschmiegten Piste.

An der Zollstation werde ich auf das in einer halben Stunde beginnende Länderspiel Chile Deutschland angesprochen. Ich wage zu erklären, dass Deutschland sicherlich gewinnen wird. Trotz meiner Prognose lassen sie mich nach einer 30 Minuten Zeremonie  einreisen. Mein zuvor ausgegucktes Hotel passt auf Anhieb, so dass ich die zweite Halbzeit der eins zu null Partie noch mit Georg, einem Deutschchilenen, zu Ende sehen kann.

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02. März 2014 – Sonntag

Therme die vierte. Thermen haben für mich ja etwas. Wenn so viel heißes Wasser aus dem Boden kommt, dass es eine ganze Badeanstalt füllt, gleicht das einer energetischen Verschwendung, die sich nur die Natur leisten kann. Und ich liebe heißes Baden. Da mein Rücken auch noch etwas zerrt und ich ihm damit eine Freude machen möchte, breche ich gegen Mittag nach Cacheuta auf. Eigentlich verlasse ich auf den knappen 40 Kilometer die Stadt nicht. Überall säumen Gebäude unterschiedlicher Art meinen Straßenverlauf.

Die Sonntagsfahrer haben sich heute in dem Thermalort verabredet oder halten am Straßenrand unter einem schattenspendenden Baum, um ihre Picknick-Ausrüstung aufzustellen. Ich erreiche das überfüllte Sackgassenörtchen und werde gleich von einem Wächter über die gefragten Parkplätze in eine abseits gelegene Ecke bugsiert. Dreißig will er. Meine Äußerung mucho caro reduziert die Abgabe auf zwanzig. Meinen Helm legt er zu seinen Pausenbroten und über meinen Tankrucksack wird eine leuchtend orange Warnweste gestülpt, damit die boshaften Landstreicher auch wissen, wo meine Schätze verborgen sind. Hundert Meter schluffe ich in meiner Sicherheitsausrüstung zum Kassenhäuschen des Touristenmagneten. Für nicht lokal Ansässige, 75. Mein mucho caro ändert diesmal nichts am Preis, als ich nach dem Studententarif frage, verdunkeln sich seine Gesichtszüge. Eine banador und ein toalla muss ich an einem Stand außerhalb des der Wasserbecken leihen. Sie will 25 pro Teil. Ich sage cuarenta. Sie bleibt hart bei cincuenta. Nur die ältere Senora, die süße Teilchen in Form eines Kaktusses verkauft, hellt mein Gemüt wieder auf, indem sie zunächst fünf für einen, mir schließlich aber drei für zehn gibt. Später werden sie mir schwer im Magen liegen. Drinnen in der Anstalt brauche ich noch ein Schließfach. Macht 25, nicht verhandelbar.

Das waren noch Zeiten, in der ich für meine Top Therme nur ein Foto des Eintrittschefs auf der Twin machen musste. Dafür ist diese Anlage aber nicht nur für den Körper eine Entspannung, auch das Auge bekommt einiges geboten. Es dauert schon etwas, bis ich in dem wärmeren Pool einen den Körper massierenden Blubberplatz erschleiche, verteidige ihn dann aber energisch. Lange genieße ich das Bad. Doch ohne das wärmste Becken zu testen, mag ich die Therme nicht verlassen. Es ist ganz schön warm. Keine fünf Minuten halte ich es in ihm aus.

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01. März 2014 – Samstag

Der morgendliche Wettercheck fällt nicht euphorisch aus. Der Himmel ist zugezogen und der Boden feucht. Schon bei der ersten Tasse Kaffee höre ich Donnergrollen und Regenprasseln. Mit einen mal sitzt kaum noch ein Gast beim Frühstück, alle haben sich zu den Fenstern begeben und schauen den Regenfluten zu. Die halben Meter tiefen und ebenso breiten Regenrinnen sind den Wassermassen nicht gewachsen, so dass sie Teile der Fahrbahn nutzen, um talwärts zu strömen. Gut, dass meine Stadtrundfahrt nicht heute am Morgen stattfindet.

Ich bummele in den Tag, plane meine letzten Aufenthalte bis Valparaiso, gehe ins Zentrum und finde noch ein Cafe, von dem aus ich mir den Stadttrubel anschauen kann. Vor fünf werde ich zu meiner Rundfahrt abgeholt.

Mendozas Schicksal war ein Erdbeben im März 1861, das sämtliche Kolonialbauten zerstört hatte. Unsere Besichtigung startet genau mit dieser Geschichte. Wir sehen eine Tafel, auf der Teile der Stadt vor der Katastrophe dargestellt sind. Gleich danach werden uns die einzigen Überreste des Bebens gezeigt. Die mit einem Stahlskelett stabilisierte Ruine der Kirche San Francisco. An einige Plazas fahren wir im Kleinbus vorbei und gelangen zum Cerro de la Gloria. Dieses Monument ehrt General San Martin und seine Armee, die von Mendoza aufbrach, um die Anden zu überqueren und Chile von den spanischen Kolonisten zu befreien. Dieses recht imposante Denkmal zeigt viele Szenen des Lebens der damaligen Epoche. Zum Abschluss werden wir Gast des samstägigen Abendgottesdienstes in einer 3500 Menschen fassenden Neubaukirche. Der die Messe begleitenden Gitarrenchor, gibt die Akustik des Stahlbaus faszinierend wieder. Von draußen sehe ich das alte, zu kleine Kirchengebäude neben dem riesigen, modernen Hallenbau stehen. Mir gefällt das antike besser.

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28. Februar 2014 – Freitag

Die lange Etappe bis Mendoza unterbreche ich mit einem Besuch des Parque National Sierra de Las Quijadas. Er befindet sich mittig zwischen Villa Dolores und meiner Zielstadt. Ich biege zur Touristeninformation ab. Das Prospekt zeigt, was ich in Google an Bildern gefunden hatte. Ich zahle und fahre bis zum Mirrador. Ein Ranger erklärt mir die Rundgänge und verspricht ein Auge auf mein Motorrad zu werfen. Der Wind hier in knapp 1000 Meter Höhe weht frisch. Ich gehe in Motorradstiefel und ziehe auch die Jacke nicht aus. Nach wenigen Metern legt sich der Wind. Jeder Schritt mit den schweren Stiefeln fällt mir schwer, ich laufe warm. Tapfer klappere ich Mirrador eins und zwei ab. Die bizarre Landschaft bietet mir an den unterschiedlichen Aussichtspunkten keine wirklich veränderten Perspektiven. Mit einem Senior stiefle ich zum Parkplatz zurück. Er schaut mich in meiner Montur schon verdutzt an. Aber als er weiß was ich unternehme, plappert er was das Zeug hält. Worüber sage ich euch bei der nächsten Reise.

Die erste Hälfte der Strecke war so monoton wie der folgende zweite Teil, nur ging es zunächst durch eine grüne Buschlandschaft in der Rinder zum Steak gedeihen, jetzt durchkreuze ich mehr und mehr Sanddünen, mit spärlichem Buschpflanzenbewuchs. Immer fahre ich in der Landschaft, kein Hügel von dem ich auf die Umgebung schauen kann, ist mir gegönnt. Erst am Rio Mendoza zwinge ich mich eine Pause einzulegen. Der Rio fließt gemächlich talwärts, ist aber notwendiger Wasserspender für die riesigen Weinfelder und Obstplantagen rund um Mendoza.

Der erste Versuch, eine Übernachtung zu ergattern, ist ernüchternd. Medoza sei ausgebucht, schließlich sei Karneval. Die nette Senora schickt mich zur Touristeninfo. Dort ist Hochbetrieb. Meine Diva nimmt sich die Zeit zwischen zehn und zwanzig Unterkünfte anzurufen, bis sie mir zwei Alternativen in den Stadtplan einzeichnet. Die missfallen mir. Ein älterer Hotelier bietet mir keine berauschende Unterkunft, aber meine Twin steht in seinem Hof. Er schickt mich in den nahen Stadtpark, in dem ich open Air in einem Urlaubsambiente speise.

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27. Februar 2014 – Donnerstag

Schon beim zweiten aufwachen scheinen Sonnenstrahlen in mein Zimmer. Frühstücken, die Wäschestücke, die ich zur Reinigung abgegeben hatte, sind noch klamm, aber meine weiße Außenhaut strahlt wieder. Einen Wehrmutstropfen hat der der schöne Morgen. Mit meinen robusten Motorradstiefeln versuche ich so leise wie möglich durchs Hotel zu stapfen. Mit einem Schritt schießt mir ein stechender Schmerz in den Rücken, der mir den Atem stocken lässt. Weder dehnen noch setzen bringt Linderung, ich befürchte, nicht auf die Sitzbank zu kommen. Doch Luis hilft mit Schmerzmittel aus. Für den Fall, dass die Schmerzen noch schlimmer werden sollten, würde ich zurückkehren und seinen Arzt aufsuchen.

Ich finde eine erträgliche Position auf der Sitzbank, versuche mich häufig an die Schmerzgrenze zu dehnen. Ich rolle in die Peripherie von Cordoba. Neben mir taucht eine 1150 GS auf. Ob ich Hilfe bräuchte, höre ich zunächst in Spanisch, quasi zeitgleich in Englisch. Ich denke ja, ja, doch er bleibt hartnäckig. Während der Rotphase lädt er mich auf einen Kaffee ein. Es wird grün, ich folge ihm.

Wir parken an einer Tankstelle, er bietet mir einen Platz an und verschwindet in den Servicebereich. Rodrigo erklärt mir, dass es hier üblich ist, offensichtliche langzeitreisende Motorradfahrer einzufangen und, wie er sagt, den Spirit der Reisenden aufzusaugen. Wau, mir stellt sich meine Körperbehaarung hoch. Bald sitz sein Kumpel Gabriel mit am Tisch. Worüber reden Motorradfahrer, wenn gleich neben unserm Tisch eine ehemalige Werksdakarmaschine von KTM steht. Die gehört dem dreimaligen Dakar Teilnehmer Fernando Davi, der auch bald mit an unserem Tisch sitzt. Aus geplanten zehn Pausenminuten wird eine Stunde. Als die Einladung zur Übernachtung bei meinem Schnapper kommt und mir das jeden Donnerstag stattfindende Asado schmackhaft gemacht wird, reiße ich mich los. Die Ablehnung fällt mir schwer. Mit weniger Schmerz im Rücken hätte ich die Erfahrung nicht missen wollen.

Mit den Tipps meiner neuen Freunde, lasse ich mir viel Zeit für die anstehenden 100 kurvenreichen Kilometer, denen langweilige 500 Kilometer bis Mendoza, mein für morgen anvisiertes Ziel, folgen sollen. Die Berglandschaft der Sierra Cordoba ist nicht sonderlich aufregend, doch scheint sie für viele Argentinier ein Kurzurlaubsziel darzustellen. Der vermehrte Verkehr und die zahlreichen Souvenirsbuden sind eindeutige Zeichen.

Allzu schnell verfliegt die kurvenreiche Abfahrt. Ich höre noch den Rat, nicht in Villa Dolores zu Übernachten sondern einen Ort zuvor in Mina Clavero. Das sei gemütlicher, erholsamer, urlaubshafter. Ich versuche natürlich mein zuvor ausgesuchtes Hotel zu finden und lande in Villa Dolores. Ein Spaziergang durch den endlos langen Ort, bestätigt die Einschätzung meiner Motorradfahrer.

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20. Februar 2014 – Donnerstag

Von San Pedro de Atacama führt uns die Ruta 27 zum Jama Pass hinauf. Bei 3200 Höhenmetern schauen wir auf unsere Oase, die uns viermal eine Übernachtung bot. Die Strecke steigt ständig fast geradlinig bis auf fast 4800 Meter Höhe an. Die Luft wird schon wieder verdammt dünn. Sofort beginne ich zu hecheln, wenn ich die Sitzbank des Motorrades verlasse. Ich schaue nochmal nach Bolivien herüber, wo wir uns so anstrengen mussten. Eigentlich sehe ich nur Wüste, doch die paar Tage Abstand in der Stadt reichen aus, um die Landschaft wieder faszinierend zu empfinden. Das Altiplano bleibt uns lange erhalten. In den Senken sammelt sich vereinzelt Quellwasser, das ein wenig pflanzenwuchs zulässt. Die Gewässerränder sind weiß von ausgeschwemmten Mineralien. Das sich hier Guanacos aufhalten, grenzt an ein Wunder. In Lagunen, die nicht von Touristenströmen überlaufen sind, spiegeln sich die karstigen Gebirgszüge. Ich halte oft, um die Eindrücke aufzunehmen.

Zur modernen Grenzstation, die sich Chilenen und Argentinier teilen, werden wir schnell abgefertigt. Der Zöllner draußen sammelt nur den Kontrollzettel ein und winkt mich durch. Unser Planziel Susques, es liegt voll im Nichts, erreichen wir gegen halb fünf. Bei der Ortsbesichtigung via Motorrad, auf der Suche nach einer Unterkunft, rennt mal wieder ein Hund bellend hinter mir her. Doch der meint es diesmal ernst und schnappt in meine Wade. Was bin ich in diesem Moment froh die lästigen Knieschützer zu tragen, die jetzt Schlimmeres vermieden haben. Die Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten ist stark eingeschränkt. Wir rollen zurück Richtung Tankstelle, an der unsere Motorräder mit neuem Kraftstoff versorgt werden. Direkt daneben finden auch wir ein Bett für die Nacht. Draußen vor dem Hotel genieße ich bei einem Bier den nahenden Sonnenuntergang in einer Wildwestromantik.

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14. Februar 2014 – Freitag

Ich verlasse das mit Unmengen an Abgasen belastete Potosi in Richtung Süden und mache ein letztes Foto. Aus dieser Perspektive sieht man der Stadt nicht ihre Verschmutzungen durch den umweltbelastenden Minenbau an. Wie bereits gewohnt, will ich an der Mautstation rechts neben dem Zahlhäuschen passieren. Doch einer der kräftigen Wegelagerer zwingt mich zum Anhalten. Zehn Bolivianos, ungefähr ein Euro, will er. Ich mache ihn glücklich.

Ab hier fahre ich durch ein Bolivien, das ich nicht mehr erwartet hatte. Die Fahrbahn ist neu, führt kurvenreich durch eine farbenprächtige Landschaft, die vom tiefblauen Himmel mit buschig weißen Wölkchen begrenzt wird. Die Kräfte der Natur haben zahlreiche Canyons geschaffen, die sich tief in die Oberfläche eingearbeitet haben. Immer wieder fahre ich an einzelne oder zu einem Pueblo zusammengestellten Behausungen vorbei, die sich mit ihren Lehmsteinen und Schilfdächer harmonisch in die Umgebung integrieren. In den saftig grünen Ebenen weiden stattliche Viehherden, wobei Alpakas neben einigen Kühen, Pferden und Esel, am häufigsten vertreten sind. Meine Pausen sind viel zu kurz, um die Eindrücke greifen zu können.

Doch heute heißt das Ziel Uyuni. Wie oft habe ich zu Hause mir Bilder des Salar angeschaut, beeindruckende Videos in youtube angeschaut und Beschreibungen in Reiseberichten aufgesogen. Für mich ein Highlight dieser Reise. Hinter der letzten Kehre schaue ich nun hinunter auf Uyuni. Rechts von mir hängt tief ein Gewitter in den Bergen, der Donner mahnt mich weiterzufahren. Doch eine kurze Pause muss sein, um die im Sonnenlicht blinkenden Blechdächer der Hochlandstadt in der weiten kargen Landschaft zu betrachten. Trotz meiner erhöhten Position kann ich den Salar nur erahnen.

Am Ortseingang treffe ich Theo, mit dem ich zunächst auf Unterkunftsuche gehe. Das stadttypisch schmutzig anmutende Uyuni hat durch den Touristenmagnet einiges an Hostals und  Hotels zu bieten, was die Suche nicht verkürzt. Letztendlich finden wir was passendes für die Motorräder und uns. Schnell deponieren wir einen Teil des Gepäcks im Hotelzimmer, um noch zum, wie wir an der Rezeption erfahren, 30 Kilometer entfernten Salar zu fahren.

Die neue schnurgerade Straße ist soweit vorbereitet, dass in Kürze die Asphaltdecke aufgetragen werden kann. Doch wir genießen noch die ursprüngliche Piste. Die uns entgegenkommenden Touristenjeeps wirbeln ordentlich Staub auf, der uns kurzzeitig  die Sicht raubt. In Cochani zeigt uns ein Hinweisschild, dass wir rechtsabbiegen müssen und noch fünf Kilometer zum Salar fahren müssen. Das Licht ist trotz der leicht getönten Motorradbrille schon gleißend. Die Umgebung erscheint surreal, so als hätte man die Erde verlassen und einen anderen Planeten betreten. Ein Mahnmal auf einen Parkplatz lässt uns anhalten. Hier befindet sich die Zufahrt auf den Salar, über den eine offizielle Piste verläuft. Aber der Salar steht unter Wasser. Sind noch unsere Bekannten aus Valparaiso, Günter und Detlef, im Oktober über den Salar zur Insel Incahuasi gefahren und haben dort im Zelt übernachtet, hat seitdem die Regenzeit den Salar geflutet. Nur die Touristen Guides karren Unmengen an Schaulustigen in und auf den Dächern der Jeeps durch das 20 bis 30 Zentimeter tiefe Wasser über den Salar. Ich hatte auch zu Hause davon geträumt, zu erfahren wie lange man sich traut mit geschlossenen Augen sein Motorrad weiterzufahren oder die skurrile Insel zu besichtigen. Doch die Stimmung hier am Rande des Salar de Uyuni ist schon überwältigend. Ich versuche die Eindrücke in die Kamera zu bekommen und eine nette auf dem Fahrrad reisende Amerikanerin hilft mir bei meinen recht geglückten Perspektivfotos.

Ein rundum geglückter Reisetag.

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13. Februar 2014 – Donnerstag

Um zehn vor neun frage ich an der Rezeption nach einer Besichtigungstour der hiesigen Silberminen. Um kurz nach neun sitzen Theo und ich mit dem Fahrer und unserem Guide in einem Microbus. Weitere fünf Chilenen picken wir an einem Hotel auf und schaukeln gemächlich zwischen dem ersten und zweiten Gang die äußerst holprigen Pflastersteinstraßen bergan.

Zunächst ziehen wir eine minengerechte Kluft über. In Gummistiefel laufen wir über den Minerosmarkt um Geschenke für die Minenarbeiter zu beschaffen. Wichtig seien die Kokablätter, die den Arbeitern Kraft und Durchhaltevermögen verleihen. Mit bestimmten Beschleunigern wir die Wirkung der Kokablätter noch verstärkt. Auch in eigenartigem Papier eingetütete selbstgedrehte Zigaretten mit Spezialtabak gehören in die Geschenktüte. Roger, unser Tour Guide, erklärt uns bis zu welcher Zusammenstellung der hier vertriebene Sprengstoff ungefährlich ist und welche Stoffe die Explosion verstärken. Auch der wird gerne von den Mineros ausgepackt. Jeder von uns Touris mit einer Geschenktüte auf dem Rücken, karren in dem Kleinstvan die Minenstraße hoch.

Es ist alles andere als eine für Touristen sauber präparierte Vorführung. Schnell wird uns bewusst, dass wir ein Teil des hiesigen Alltags werden. Im Matsch stehend erklärt uns Roger die Verladung der behelfsmäßig anscheinenden Rampen. Lastwagen fahren dann das Minengut in umliegende Fabriken, die die reinen Produkte erzeugen. Rein geht es in unseren Stollen. Wir tapsen zwischen den Schmalspurschienen, die die handgedrückten Loren führen, durch Matsch und tiefe Pfützen. Ein Zeremoniell, dass jeder Minenarbeiter vor Arbeitsbeginn an einer Teufelsfigur durchführt, um reichlich Ausbeute zu machen, wird uns erklärt. Auch ich schließe mich diesem Brauchtum an, wird schon nicht schaden. Bald schon komme ich nur gebückt vorwärts. Teilweise zerborstene Holzkonstruktionen sollen den Stollen abstützen. Roger erklärt die Gesteine und welche Mineralien sie enthalten. Vor fast 500 Jahren seien die Silberschichten zwei Meter dick gewesen, heute werden 3 Zentimeter Schichten abgebaut. Zur Zeit der Spanier waren die Mineros sechs Tage ohne Pause im Berg, heute wird zwischen 8 und 15 Stunden im Berg gearbeitet. Unser Guide lässt uns durch einen schmalen Kanal hochsteigen, zu den Mineros, die neben seinen Erklärungen, mit Hammer und Meißel eine Zinnader abbauen. Nochmals nehmen wir an einem Ritual teil, in dem zur Ehrung des Teufels kein 98 prozentiger Alkohol konsumiert wird sondern ein schmackhafter Schnaps. Der Abstieg gestaltet sich etwas leichter als der Aufstieg, doch bin ich froh, dass das Ritual genutzt hat. Wir stehen wieder im Tageslicht. Nicht für 10000 Bolivianos würde ich hier arbeiten wollen, kommentiert Theo.

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12. Februar 2014 – Mittwoch

Vollgetankt, mit acht Liter zusätzlich im Reservekanister verlassen wir Oruro. Die Ruta 1 führt geradlinig durch eine baumlose Graslandschaft. Die Wolken hängen tief, die gute, nur mit seltenen Schlaglöchern versehene Fahrbahn ist trocken. Bei der ersten Verschnaufpause grüßen uns hupend drei Motorradfahrer. Dem Gepäck nach zu urteilen sind sie auf ähnlich großer Tour wie wir. In Challapata zweigt die Ruta 1 in einem langgezogenem Bogen nach Potosi ab. Geradeaus wären es noch ungefähr 200 Kilometer bis zum Salar de Uyuni. Hinter dem Abzweig führt unsere jetzt kurvenreiche Strecke in eine Gebirgslandschaft.  Wir holen die drei Motorradfahrer, die auf in der USA angemeldeten Motorräder unterwegs sind. Sie nutzen ihren Urlaub, um Etappenweise von Alaska nach Ushuaia zu reisen. Nach meist zwei Wochen Motorradfahren deponieren sie die Motorräder, um nach ein wenig Arbeit in der Heimat ihre Weiterfahrt aufzunehmen. Wie wir erfahren, eine Reise mit ganz besonderen Tücken. Ihre Motorräder waren neun Tage über die zulässigen 90 visumsfreien Tage in Peru. Bei der jetzt notwendigen Ausreise nach Bolivien, weigert sich der Zoll Ausreisedokumente für die Motorräder auszustellen, stattdessen will er sie konfiszieren. Die drei kehren um, wählen einen kleineren Grenzübertritt, kombiniert mit einer Fährverbindung über den Titicacasee, drücken 400 Dollar Bakschisch ab bevor die geplante Fahrt fortgeführt werden kann.

Die Strecke verläuft durch einen Canyon mit vielen fotogenen Szenen. Ich muss mich zwingen weiterzufahren. Hinter jeder Kehre sehe ich ein neues Panorama, welches ich wieder aufnehmen will. Bereits an unserem Einreisetag durchfuhren wir eine Landschaft, die erodiert vom vielen Regen vereinzelt mehrere Meter hohe Skulpturen hinterlassen hat. Damals hatte unser Benzinproblem mich am häufigen Anhalten gehindert. Heute wollte ich möglichst viele Eindrücke einfangen.

Ich erreiche Potosi und vermisse meinen Reisebegleiter. Der wird schon zum Hotel sein, so meine feste Überzeugung. Da unser ausgewähltes Hotel sich nicht im Verzeichnis der open street map befindet, hatte ich gestern die ungefähre Lage in Theos Navi als Favorit gespeichert. Eine Umleitung lässt mich lange durch das Einbahnstraßennetz Potosis irren. Als ich mich neu orientiere treffe ich die Amerikaner wieder, die zusammen mit Theo neuen Sprit an einer Tankstelle gezapft haben. Theo hatte in seinem Navi deren Unterkunft gefunden und aufgrund der geringen Entfernung zu unserem Hotel, sich mit ihnen für den Abend unverbindlich verabredet. Sie haben Probleme ihr Hostal zu finden und bitten mich sie zu ihrem Hostal zu leiten. Auch ich finde ihre Unterkunft in meinem Navi. Die eigentlich kurze Strecke wird im dichten Stadtverkehr zur Geduldsprobe. Endlich im Hotel angekommen vermisse ich Theo. Der hat mich per SMS gesucht, doch bevor ich antworten steht er auch vor dem Hotel, griesgrämig darüber, dass ich ihn an seiner Tankstelle übersehen habe.

Ich kläre in der Rezeption den von Oruro organisierten Benzinkauf ab. Die hilfsbereite Senora schickt mich zur 100 Meter entfernten Tankstelle. Ich bemerke bereits beim auffüllen der Tanks den Polizisten, der das hiesige Geschehen beobachtet. Der hintere Tank fast knapp 12 Liter, also scheint das Zählwerk der Zapfsäule zu stimmen. 82 Bolivianos zeigt die Betragsanzeige. Der Tankwart tippt auf einem Taschenrechner und will 185 Bolivianos. Ich habe nur noch 160 im Portemonnaie. Der Tankwart geht damit zum Polizisten, der nickt zustimmend.

Den Abend verbringen wir mit unseren amerikanischen Freunden, tauschen Reiseerfahrungen aus, vergleichen Nordamerika mit Europa und wünschen uns viel Glück für die Weiterfahrt.

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05. Februar 2014 – Mittwoch

Dieselgeruch liegt in der Luft. Von der gegenüberliegenden Straßenseite fließt mir eine Flüssigkeit entgegen, die den ansonsten hellgrauen Asphalt pechschwarz einfärbt. Eine Menschentraube schaut gespannt dem Bergungsversuch eines auf dem Dach liegenden Lastwagens zu. Mir zeigt sich der komplette Sattelzug von unten. Der Auflieger war mit einer monströsen Baggerschaufel beladen gewesen, die das komplette Fahrzeug in der Serpentinenkurve umgerissen hatte. Ein zweiter Lastwagen liegt umgekippt dahinter. Von dessen zerborstenen Tank strömt der Diesel zu mir herüber.

Theo und ich unternehmen heute den dritten Versuch den Colca Canyon zu besichtigen. Erstaunlich schnell sind wir aus Arequipa herausgefahren. Wir überholen ein paar Fahrzeuge auf der verkehrsarmen Ruta 34a. Dann sehe ich stehende Fahrzeuge. Südamerikanisch ziehen wir gemächlich an diesen vorbei, werden jedoch gleich von einem Polizisten in eine Lücke zwischen zwei Lastwagen geleitet. Untypisch, denke ich mir. Eine Vierachszugmaschine soll vorziehen. Ich steige vom Motorrad, klettere den Berg hoch, um auf die weiterführende Straße zu blicken. Von dort sehe ich die Unfallstelle. Die Zugmaschine soll den umgestürzten Lastwagen bergen. Nachdem zwei Versuche fruchtlos bleiben, löst sich die Menschentraube in Richtung der stehenden Fahrzeuge hin auf. Die Dieselspuren sind mit reichlich Erde vom Fahrbahnrand abgestreut, die Polizei gibt einseitig den Verkehr frei.

Von der Ruta 34a zweigen wir auf die Ruta 34e. Wir sind bereits über 4000 Meter bevor wir den Abzweig nach Chivay ins Colca Tal passieren. In Arequipa fuhren wir bei sommerlichen Temperaturen und wolkenlosem Himmel los. Je näher wir der Passhöhe von beinahe 5000 Meter kommen, desto mehr friere ich. Aus den Wolken fallen vereinzelte Schneeflocken. Trotz der merklich dünnen Luft, halte ich an der Passhöhe und bitte die jüngste der vier Souvenirverkäuferinnen mich zu fotografieren. Die älteste grölt gleich zu uns, one Dollar, herüber. Die nette junge Seniorita lässt sich das nicht anmerken, versteht meinen gewünschten Bildausschnitt und findet ohne meine Erklärung den Auslöser. Ich schaue mir ihre Waren an, suche aus den Sachen, die mir alle gefallen, eine Mütze und ein Paar Handschuhe aus, die , so meine Chica, garantiert aus Alpacca Wolle und in Peru hergestellt sind. Ich drücke den geforderten Preis abgrundtief, handle noch ein Foto mit ihr heraus, während die Alte immer wieder one Dollar, one Dollar ruft.

Mit meinen Verhandlungen und Fotopausen habe ich ganz meinen Reisepartner Theo vergessen. Der kommt mir, kurz bevor ich unser ausgewähltes Hostal erreiche, bereits vorwurfsvoll entgegengefahren.

Wir beziehen rasch unser Zimmer, verschnaufen kurz bei einem Kaffee und bummeln noch durch Yanque. Ich hoffe morgen einige der hier beheimateten Kondore in Aktion zu sehen, so wie es den Touristen am Ortseigang von Chivay auf deren Wahrzeichen gelobt wird.

Abends beim Essen werden wir von der Hoteldame zu einer Tanzvorführung dreier in Trachten gekleideter Kinder aus dem Dorf eingeladen. Der Tanz soll einen jungen Mann bei der Auswahl seiner Braut darstellen. Überraschenderweise stehen die zwei französischen Gäste und ich plötzlich mit im Tanzgeschehen. Ein netter Tagesabschluss.

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04. Februar 2014 – Dienstag

Gestern hatten wir dann doch ganz schön viel Strecke abgespult, durch zum späten Nachmittag hin, von der fallenden Sonne hinter uns, stimmungsvoll ausgeleuchteten Landschaft. Kurvenreich ging es über lange Straßenstücke durch Wüstenbereiche, die mehrmals durch agrartechnisch genutzte Flussmündungen unterbrochen waren. Das plötzlich hinter einer Kurve sichtbare Grün wirkte immer wie eine Fata Morgana auf mich.

Heute wollen wir einen zweiten Anlauf auf den Colca Canyon wagen. Nachdem der erste Anlauf an der zu kurzen Akklimatisierungsphase gescheiter war, hoffen wir heute eine Unterkunft nahe Cabanaconde zu erreichen. Nach einer erholsamen Nachtruhe, einem mäßigen Frühstück sitzen wir wieder im Sattel, gestatten unserem liebsten Freund, dem Bankomaten, noch einen Besuch, geben einen Teil was er uns ausgespuckt hat gleich an den Tankwart weiter. Schnell und unspektakulär erreichen wir den Abzweig auf die Ruta 1SE. Eine Pause vor dem 150 Kilometer langen run aufs Ziel pausieren wir kurz. Bauern bearbeiten die Felder, während ich hinter einer Mauer Kühe sehe, die sich unter einem Sonnenschutz aus Stoffgewebe auszuruhen scheinen. Noch nicht mal richtig Gas gegeben endet auch schon die Asphaltstraße. Ernüchtert fahren wir widerwillig vielleicht fünf Kilometer die Piste entlang in der Hoffnung, dass gleich der Asphalt wieder auftaucht. Wir beratschlagen.

Heute fahren wir in unser bekanntes Domizil nach Arequipa. Von dort wollen wir morgen den dritten Anlauf wagen.

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