10. Februar 2014 – Montag

Wieder mit meinen ganzen Utensilien bepackt, sitze ich auf der Africa Twin und fahre bei sonnigen aber kühlen Wetter den gestern bereits bewunderten Bereich des Lauca Parks. Die mitunter stark beschädigte Asphaltdecke erfordert ein konzentriertes Steuern des Motorrades. Den gestern aus der Ferne schemenhaft gesehene Vulkan Parinacota wächst heute mit jeder Straßenwindung. An den vielen, kleinen Gewässer suchen Flamingos und andere Wasservögel nach Nahrung, häufig kreuzen Vicunas und Lamas die Straße. Große Herden von den Vierbeinern weiden in der mit Hochlandgras bewachsenen Ebene. Doch für mich ist der wahre Champion des Lauca Parks eben der Parinacota mit seinem Lago Chungara, in dem er sich bei Windstille spiegelt. Ich weiß nicht, wie oft ich den Vulkan heute aus verschiedenen Perspektiven abgelichtet habe. Doch dieses Grenzgebiet nach Bolivien beheimatet insgesamt vier Vulkane, die über 6000 Meter messen. Einer davon, der Vulkan Guallatire, bläst Rauch ab. Er soll einer der aktivsten Vulkane der Anden sein.

Meine Ausreise aus Chile, an dem kleinen Grenzübergang in 4600 Meter Höhe, ist Formsache und in zehn Minuten erledigt. Bis zur bolivianischen Grenzstation sind es vielleicht 15 Kilometer. Auf der Fahrt dorthin passiere ich eine vier Kilometer lange Lastwagenschlange. Die auf die Abfertigung wartenden Fahrer unterhalten sich in kleinen Gruppen, schauen nach ihren Fahrzeugen oder dösen im Fahrerhaus. Beim Vorbeifahren wünschte ich für einige Stunden mit ihnen tauschen zu können. Dann würde ich die erhabene Atmosphäre genießen.

Bolivien, mal was Neues. An der Zollstation treffe ich Theo, der seit längerem mit dem Zöllner versucht, seine BMW für Bolivien zu registrieren. Es scheitert offensichtlich an einem Computerprogramm, das heute nicht so richtig will. Letztendlich führt uns ein Kollege unseres Bearbeiters zu einem Speditionsbüro, in dem eine junge, hilfsbereite Senora die fehlenden Kontrollnummern im System heraussucht und alle Unterlagen für die Einreise vorbereitet. Die 20 Bolivianos kann ich ihr erst nach der Tauschaktion mit einer in Trachten gekleideten Senora, die mir von einem Polizisten empfohlen wird, zahlen. Eigenartige Wechselstube, denke ich mir und fühle mich übers Ohr gehauen.

Mit unserem Startkapital gehen wir auf die Suche nach einer Tankstelle. Die in der Grenzstadt Tambo Quemado führt wenn überhaupt nur Diesel. Die nächste Tankstelle soll im über 200 Kilometer entfernten Patacamaya sein. Das ist zu weit. Wir können nicht glauben, dass an einer Hauptverbindungsstraße kein Sprit zu bekommen sein soll, also fahren wir los. Als nach etwa 100 Kilometer die BMW nach neuem Kraftstoff ruft, fahren wir an einem Rastplatz an. Auf dem großen, unbefestigten Parkplatz sind unsere Motorräder die einzigen Fahrzeuge. Neben dem Gebäude steht ein Auto. Die Wirtin bietet uns fünf Liter, die sie aus ihrem PKW abzapft an. Damit schaffen wir es bis zwei Kilometer vor der geplanten Tankstelle. Als ich den Reservekanister füllen will, fragt mich einer der vier sich unterhaltenden Tankwarte, wie viel ich für einen Liter zahlen will. Wie bei der Wechselsenora fühle ich mich unsicher. Der Tankwart fängt mit 10 Bolivianos an. Ich stutze und wage cinco zu sagen. Ich fülle den Kanister für 10 Bolivianos mit 2,6 Liter. Als ich kurz danach mit Theo zum Auftanken der Motorräder an die Tankstelle rolle, fülle ich zunächst den Hecktank, in dem genau 12 deutsche Liter passen. Hier werden 13,4 Liter eingefüllt. Der Gesamtbetrag wird nicht an der Zapfsäule abgelesen, sondern die Literzahl mit den ausgehandelten 5 Bolivianos multipliziert. Normalerweise läge der Touristenpreis bei neun Bolivianos. Erzürnt über diese Behandlung suchen wir mit vollen Tanks eine Unterkunft.

Das Loch mit den kleinen Bettbewohnern in Patacamaya lehne ich ab. Wir starten noch durch nach Oruro, wo wir nach eifriger Suche gut unterkommen. Es war ein langer, anstrengender Tag.

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