28. Februar 2014 – Freitag

Die lange Etappe bis Mendoza unterbreche ich mit einem Besuch des Parque National Sierra de Las Quijadas. Er befindet sich mittig zwischen Villa Dolores und meiner Zielstadt. Ich biege zur Touristeninformation ab. Das Prospekt zeigt, was ich in Google an Bildern gefunden hatte. Ich zahle und fahre bis zum Mirrador. Ein Ranger erklärt mir die Rundgänge und verspricht ein Auge auf mein Motorrad zu werfen. Der Wind hier in knapp 1000 Meter Höhe weht frisch. Ich gehe in Motorradstiefel und ziehe auch die Jacke nicht aus. Nach wenigen Metern legt sich der Wind. Jeder Schritt mit den schweren Stiefeln fällt mir schwer, ich laufe warm. Tapfer klappere ich Mirrador eins und zwei ab. Die bizarre Landschaft bietet mir an den unterschiedlichen Aussichtspunkten keine wirklich veränderten Perspektiven. Mit einem Senior stiefle ich zum Parkplatz zurück. Er schaut mich in meiner Montur schon verdutzt an. Aber als er weiß was ich unternehme, plappert er was das Zeug hält. Worüber sage ich euch bei der nächsten Reise.

Die erste Hälfte der Strecke war so monoton wie der folgende zweite Teil, nur ging es zunächst durch eine grüne Buschlandschaft in der Rinder zum Steak gedeihen, jetzt durchkreuze ich mehr und mehr Sanddünen, mit spärlichem Buschpflanzenbewuchs. Immer fahre ich in der Landschaft, kein Hügel von dem ich auf die Umgebung schauen kann, ist mir gegönnt. Erst am Rio Mendoza zwinge ich mich eine Pause einzulegen. Der Rio fließt gemächlich talwärts, ist aber notwendiger Wasserspender für die riesigen Weinfelder und Obstplantagen rund um Mendoza.

Der erste Versuch, eine Übernachtung zu ergattern, ist ernüchternd. Medoza sei ausgebucht, schließlich sei Karneval. Die nette Senora schickt mich zur Touristeninfo. Dort ist Hochbetrieb. Meine Diva nimmt sich die Zeit zwischen zehn und zwanzig Unterkünfte anzurufen, bis sie mir zwei Alternativen in den Stadtplan einzeichnet. Die missfallen mir. Ein älterer Hotelier bietet mir keine berauschende Unterkunft, aber meine Twin steht in seinem Hof. Er schickt mich in den nahen Stadtpark, in dem ich open Air in einem Urlaubsambiente speise.

comp_DSC00080 comp_DSC00082 comp_DSC00085 comp_DSC00096 comp_DSC00100 comp_DSC00104

27. Februar 2014 – Donnerstag

Schon beim zweiten aufwachen scheinen Sonnenstrahlen in mein Zimmer. Frühstücken, die Wäschestücke, die ich zur Reinigung abgegeben hatte, sind noch klamm, aber meine weiße Außenhaut strahlt wieder. Einen Wehrmutstropfen hat der der schöne Morgen. Mit meinen robusten Motorradstiefeln versuche ich so leise wie möglich durchs Hotel zu stapfen. Mit einem Schritt schießt mir ein stechender Schmerz in den Rücken, der mir den Atem stocken lässt. Weder dehnen noch setzen bringt Linderung, ich befürchte, nicht auf die Sitzbank zu kommen. Doch Luis hilft mit Schmerzmittel aus. Für den Fall, dass die Schmerzen noch schlimmer werden sollten, würde ich zurückkehren und seinen Arzt aufsuchen.

Ich finde eine erträgliche Position auf der Sitzbank, versuche mich häufig an die Schmerzgrenze zu dehnen. Ich rolle in die Peripherie von Cordoba. Neben mir taucht eine 1150 GS auf. Ob ich Hilfe bräuchte, höre ich zunächst in Spanisch, quasi zeitgleich in Englisch. Ich denke ja, ja, doch er bleibt hartnäckig. Während der Rotphase lädt er mich auf einen Kaffee ein. Es wird grün, ich folge ihm.

Wir parken an einer Tankstelle, er bietet mir einen Platz an und verschwindet in den Servicebereich. Rodrigo erklärt mir, dass es hier üblich ist, offensichtliche langzeitreisende Motorradfahrer einzufangen und, wie er sagt, den Spirit der Reisenden aufzusaugen. Wau, mir stellt sich meine Körperbehaarung hoch. Bald sitz sein Kumpel Gabriel mit am Tisch. Worüber reden Motorradfahrer, wenn gleich neben unserm Tisch eine ehemalige Werksdakarmaschine von KTM steht. Die gehört dem dreimaligen Dakar Teilnehmer Fernando Davi, der auch bald mit an unserem Tisch sitzt. Aus geplanten zehn Pausenminuten wird eine Stunde. Als die Einladung zur Übernachtung bei meinem Schnapper kommt und mir das jeden Donnerstag stattfindende Asado schmackhaft gemacht wird, reiße ich mich los. Die Ablehnung fällt mir schwer. Mit weniger Schmerz im Rücken hätte ich die Erfahrung nicht missen wollen.

Mit den Tipps meiner neuen Freunde, lasse ich mir viel Zeit für die anstehenden 100 kurvenreichen Kilometer, denen langweilige 500 Kilometer bis Mendoza, mein für morgen anvisiertes Ziel, folgen sollen. Die Berglandschaft der Sierra Cordoba ist nicht sonderlich aufregend, doch scheint sie für viele Argentinier ein Kurzurlaubsziel darzustellen. Der vermehrte Verkehr und die zahlreichen Souvenirsbuden sind eindeutige Zeichen.

Allzu schnell verfliegt die kurvenreiche Abfahrt. Ich höre noch den Rat, nicht in Villa Dolores zu Übernachten sondern einen Ort zuvor in Mina Clavero. Das sei gemütlicher, erholsamer, urlaubshafter. Ich versuche natürlich mein zuvor ausgesuchtes Hotel zu finden und lande in Villa Dolores. Ein Spaziergang durch den endlos langen Ort, bestätigt die Einschätzung meiner Motorradfahrer.

comp_DSC00034(1) comp_DSC00038 comp_DSC00047 comp_DSC00053 comp_DSC00056(1) comp_DSC00063 comp_DSC00068(1) comp_DSC00079

25. Februar 2014 – Dienstag

Gestern Abend war ich richtig klasse Essen. Vom Hotel hatte ich eine Restaurantempfehlung bekommen und einen Gutschein. Zunächst etwas skeptisch, hatte ich mich schließlich doch durchgerungen, in dem Eckrestaurant einen Fensterplatz einzunehmen. Und draußen war die Hölle los. Unzählige Motorräder wurschteln sich durch den dichten Rushhour-Verkehr. Mal sitzt nur eine Person obenauf, mal zwei mal eine Familie zu viert, natürlich alle ohne Helm. Neben den vielen Hondas, Yamahas und chinesischen Fabrikaten sehe ich auch eine 125er Duke von KTM. Da nicht nur ich die Leute draußen beobachte, sondern auch Passanten sich die Gäste hier drinnen anschauen, kriegt der KTM Pilot meinen gehobenen Daumen mit. Beim Sprung der Ampel auf Grün gibt der, von mir gebauchpinselt, mächtig Gas und lässt die anderen Rennfahrer weit hinter sich.

Serviert wurde mir eine Flasche Wasser, eine gut mundende 3/8 Liter Flasche 2013er Cabernet Sauvignon aus der Mendoza Gegend, Panecillos mit pikantem Aufstrich, zwei mit Käse überbackene, auf den Punkt zubereitetet Steak Medallions auf einer Cremesoße, ein süßgekochter Apfel, viel zu viel frittierte Kartoffeln. Als Nachtisch gönnte ich mir einen Flan mit einem Espresso. Für Umgerechnet 11€. Für mich ein voller Erfolg.

Jetzt sitze ich Richtung Süden fahrend auf meiner Twin. In den Regenkombi bin ich schon in der Hotelgarage hineingeschlüpft hoffend, dass der Regen dann nicht so ergiebig wird. Die Fahrbahn der RN 157 ist nass, doch oben sind die Schleusen geschlossen. Kühl, aber mit der auf halber Kraft laufenden Griffheizung, erträglich. Ich will heute richtig Kilometer machen. In Colonia Caroya hatte ich mir heute Morgen bereits eine Bleibe für die Nacht ausgeguckt. Ich halte eisern den Lenker fest, wage es nicht anzuhalten bis die erste Hälfte der Kilometer abgespult ist. Nein gar nicht wahr. Eine Polizeikontrolle mitten im Nichts, stoppt mich und will meinen Pass und das Zolldokument vom Motorrad. Das war das zweite Mal auf, jawohl, heute sind die zwanzigtausend Kilometer voll geworden.  Zwischendurch mal leichter Regen mal trocken, mal sogar trockene Fahrbahn, seitlich grün oben immer grau, wie so oft zu Hause bei uns.

Der zweite Teil wird dann heftiger. Der Wind bläst stürmisch von vorn und aus dem dunkelgrau fällt immer mehr lluvia. Zwischen den stulpenlosen, die  Nässe aufsaugenden Handschuhen und den Ärmeln der Regenkombi schauen meine, von den vielen seligen Sonnenkilometer braungebrannten Handgelenke, heraus. Jetzt kriecht die Kälte von hier in meinen Körper. Dann urplötzlich stehende Fahrzeuge vor mir mit Warnblinklicht. Frech fahre ich gesittet vielleicht zwei Kilometer an ihnen vorbei. Ein Bergungstrupp versucht einen verunglückten Lastwagen zu bergen. Meine Frechheit, an den stehenden Autos vorbeizufahren wird belohnt. Mein Motorrad passt an der beengten Unfallstelle vorbei und der Polizist gibt mir grünes Licht.

Noch einen zu schnell in die Kurve gegangenen Lastwagen, der mit einem mobilen Kran auf die Räder gestellt werden muss, sehe ich, bevor ich die Tankstelle in Jesus Maria, so heißt der Ort wirklich, zum Tanken aufsuche.

Und dann passiert mir der Knüller des Tages. Steif vor Kälte finde ich mein Wunschhotel nicht. Ich kehre um, gehe in das zuvor gesehene Hotel und werde mit „ Servus“  begrüßt. Luis, der Chef hatte mich bei der Suche nach meinem Favoriten schon vorbeifahren sehen. Er hatte 14 Jahre in München, Bozen und Mailand gearbeitet, führt jetzt sein eigenes Domizil. Meine Africa Twin darf in seine Garage, ich wärme mich unter seiner heißen Dusche, sein Mitarbeiter gibt mir Tipps für meine Weiterreisen nach Mendoza.

Herz, was willst du mehr.

24. Februar 2014 – Montag

Der Anfang vom Ende. Es geht stramm auf März zu.

Ursprünglich war der Rückflug für den 20. März geplant. Mein erster Arbeitstag soll aber bereits der 24. März sein. Bei der Buchung vor einem dreiviertel Jahr und der aufwändigen Vorbereitung der Reise, vernachlässigte ich das Timen des Urlaubsendes und den Wiederanfang der Berufstätigkeit. So versuche ich den Rückflug um eine Woche vorzuverlegen. Einige Tage wird das erneute verpacken der Africa Twin in Anspruch nehmen. Die Zollformalitäten wird wieder Enzo, Chef der Villa Kunterbunt, erledigen. Ich befinde mich heute Abend in San Miguel de Tucuman und werde noch ungefähr 2000 Kilometer bis zum Verschiffungshafen Valparaiso fahren müssen. Also ein Ende das sich in die Länge zieht.

Mein Begleiter, Theo, nutzt die längere Reisezeit, indem er die Einladung seines Forumskollegen aus Paraguay folgt. Er hat heute Mittag den Blinker nach links gesetzt, und wird eine mehrere hundert Kilometer lange Gerade in Richtung Osten fahren.

Heute gibt es wirklich keine Bilder. Ich fuhr den ganzen Tag wie durch eine sommerliche Eifellandschaft. Rechts und links des Weges soweit die Augen blicken dichter grüner Wald, ab und an Felder und Weiden. Und jetzt gehe ich was essen.

23. Februar 2014 – Sonntag

Vom Kaktusland ins Rasenmäherland.

Wir starten kurz vor elf. In den letzten Wochen herrschte, wie auf meinen Fotos zu sehen ist, Wüstenlandschaft vor. Bereits nach 30 Kilometer Fahrt Richtung Süden fällt mir der leichte frischgrüne Flaum auf der rechts von mir gelegenen Gebirgskette auf. Doch auch der nahezu wolkenlose Himmel von Tilcara trübt sich immer mehr ein. Nochmals 30 Kilometer weiter wird die Vegetation immer dichter und nicht nur nahe am Flusslauf entlang, sondern soweit meine Augen schauen. Es tut gut die aus der Heimat gewohnte Flora wiederzuhaben. Auf saftigen Weiden grasen Kühe und Pferde. Lautes Vogelgezwitscher erscheint  mir zunächst ungewohnt. Wir fahren an Häusern mit gepflegten Rasenflächen auf großen Grundstücken vorbei.

Bei einer Pause an einem Staubecken, beobachte ich wie Schmetterlinge sich um Blüten streiten. Entfernt von mir sitzen zwei Männer unter einer Plane. Von einem Asado steigen Rauchwolken auf. Einer der Männer beendet sein Gitarrenspiel und wirft mir einen Wink zu. Ich werde eingeladen mit beiden, Vater und Sohn, mich vom üppig belegten Grill zu bedienen. Bei ihnen ist es Brauch, häufig hier den Sonntag mit Asado und einem guten Wein zu verbringen.

Wir befahren die ursprüngliche Ruta 9, die sich extrem kurvig durch die tropisch bewachsenen Berge schlängelt. Leider regnet es auch mitunter heftig. In den Vororten von Salta fahren wir an vielen großzügig gebauten, hochwertigen Gebäuden auf großen Grundstücken vorbei. In den Gärten sehe ich viele Erwachsene beim Asado, während Kinderscharen fröhlich umherlaufen. Einige Gebäude werden als Hostals oder Cabanas genutzt. Das wären schöne Übernachtungsmöglichkeiten, denke ich mir, doch wir wollen heute bis Salta kommen.

Salta, die Stadt beherbergt immerhin mehr als 500 000 Tausend Einwohner, erscheint wie ausgestorben. Ungewohnt schwimmen wir in einer grünen Welle, bis Theo vor einer Straßensperre anhält und in 60 Meter ein Hotel prophezeit. Es wird unsere feudalste Übernachtung aber auch die teuerste. Nach einem entspannten Bad, flanieren wir Richtung Plaza und finden ein gutes Lokal, bei dem wir bei angenehmen Temperaturen beinahe bis Mitternacht verbringen.

comp_DSC00005 comp_DSC00008 comp_DSC00009 comp_DSC00012 comp_DSC00022(1)

22. Februar 2014 – Samstag

Wir sind im Kaktusland.

Die vielfarbigen Gesteinsfarben der Berge um Purmamarca, Tilcara und Humahuaca stellen einen Höhepunkt hier im Norden von Argentinien dar. Faszinierender als diese finde ich jedoch die vielen in der Landschaft verteilten Riesenkakteen. Wir machen keinen richtigen motorradfreien Tag, sondern sind am frühen Nachmittag aufgebrochen, um die nahe Umgebung zu erkunden. Der Blick von einem Mirrador auf unsere Herbergsstadt Tilcara zeigt das Grün der Oasenstadt in der ansonsten kargen Landschaft. Um noch etwas Kultur mitzunehmen, starten wir durch nach Humahuaca. An der Touristeninformation werden wir von einem Indigo angesprochen. Er erklärt uns den Weg zur Unabhängigkeitsstatue und anderen Kolonialen Bauwerken. Den Weg zu einem Aussichtspunkt, den Theos Reiseführer propagiert, kraxeln wir mit den schweren Motorrädern hoch. Doch wir schauen nur gegen eine hochgewachsene Hecke, hinter der man auf die Stadt hinuntersehen können soll. Etwas enttäuscht beenden wir unser Sightseeing, besuchen in Tilcara die Sonnenterrasse eines Lokals und beobachten das Treiben in der Stadt.

 comp_DSC04258 comp_DSC04291 comp_DSC04304 comp_DSC04308 comp_DSC04313 comp_DSC04323

21. Februar 2014 – Freitag

Unser Motel in Susques liegt gleich an der Stelle, an der die legendäre Ruta 40 von der Ruta 52 abzweigt. Ich erkundigte mich gestern Abend bei Leo, unserem jungen Motel-Manager nach deren Zustand. Er würde von einer Befahrung der Pistenstrecke nach den letzten heftigen Regenfällen nicht empfehlen. Obwohl, als er unsere Geländemotorräder anschaut, damit sollte es möglich sein. In einer unserer ersten Planungen war die Mythos Strecke enthalten. Doch nachdem uns die Strapazen des Pistenfahrens mit den schweren Motorrädern klar wurde, stehen Asphaltstraßen für uns an erster Stelle.

Trotzdem schaue ich jetzt, dieser Piste ein wenig wehmütig hinterher. Wir fahren auf der Ruta 52 Richtung Osten. Kurvenreich geht es durch eine abwechslungsreichen Gebirgslandschaft bis mich eine mehrere zehn Kilometer lange Gerade zur Salitral Grande führt. Die Straße teilt den Salar in einen großen Westteil und einen deutlich kleineren Ostteil.

Fasziniert von der grellen Umgebung versuche ich alles zu speichern. Touristen können an einem aus Salzplatten errichtetem Gebäude sich mit Souvenirs eindecken. Kleine Lamas und andere Figuren aus Salz werden angeboten. Ich entscheide mich für eine frisch aus einem Ofen geholte Empanada. Die schmeckt gut und kann beim Transport nicht zerbrechen. Hinter einem hohen Salzberg entdecke ich eine Ausstellung, in der Tische, Bänke und Säulen aus dem nur für trockene Gegenden geeigneten Werkstoff zu besichtigen sind. Es ist wohl gerade geschlachtet worden, frisches Fleisch hängt zum trocknen auf einer Leine.

Nach der großzügigen Pause am Salar führt die Jama Passstraße motorradfreundlich, kurvig bergan, um nach der Sattelhöhe extrem serpentinig auf etwa 2000 Höhenmeter abzufallen. Schöne Einblicke auf die in die steilen Bergflanken gezauberte Ruta 52 speichere ich im Fotoapparat. Die vielfarbigen Bergketten säumen den Weg bis Tilcara. In dem Touristenpueblo finden wir eine nette Übernachtungsstätte. Beim Bummeln durch den Ort lernen wir Holger, einen aus Füssen stammenden Radtouristen, kennen. Beim Entspannen auf einer Sonnenterasse vergleichen wir die unterschiedlichen Reisebedingungen. Hut ab für die Könige des Reisens, den Radfahrern.

comp_DSC04157 comp_DSC04168 comp_DSC04187 comp_DSC04195 comp_DSC04197 comp_DSC04206 comp_DSC04210 comp_DSC04219 comp_DSC04240

20. Februar 2014 – Donnerstag

Von San Pedro de Atacama führt uns die Ruta 27 zum Jama Pass hinauf. Bei 3200 Höhenmetern schauen wir auf unsere Oase, die uns viermal eine Übernachtung bot. Die Strecke steigt ständig fast geradlinig bis auf fast 4800 Meter Höhe an. Die Luft wird schon wieder verdammt dünn. Sofort beginne ich zu hecheln, wenn ich die Sitzbank des Motorrades verlasse. Ich schaue nochmal nach Bolivien herüber, wo wir uns so anstrengen mussten. Eigentlich sehe ich nur Wüste, doch die paar Tage Abstand in der Stadt reichen aus, um die Landschaft wieder faszinierend zu empfinden. Das Altiplano bleibt uns lange erhalten. In den Senken sammelt sich vereinzelt Quellwasser, das ein wenig pflanzenwuchs zulässt. Die Gewässerränder sind weiß von ausgeschwemmten Mineralien. Das sich hier Guanacos aufhalten, grenzt an ein Wunder. In Lagunen, die nicht von Touristenströmen überlaufen sind, spiegeln sich die karstigen Gebirgszüge. Ich halte oft, um die Eindrücke aufzunehmen.

Zur modernen Grenzstation, die sich Chilenen und Argentinier teilen, werden wir schnell abgefertigt. Der Zöllner draußen sammelt nur den Kontrollzettel ein und winkt mich durch. Unser Planziel Susques, es liegt voll im Nichts, erreichen wir gegen halb fünf. Bei der Ortsbesichtigung via Motorrad, auf der Suche nach einer Unterkunft, rennt mal wieder ein Hund bellend hinter mir her. Doch der meint es diesmal ernst und schnappt in meine Wade. Was bin ich in diesem Moment froh die lästigen Knieschützer zu tragen, die jetzt Schlimmeres vermieden haben. Die Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten ist stark eingeschränkt. Wir rollen zurück Richtung Tankstelle, an der unsere Motorräder mit neuem Kraftstoff versorgt werden. Direkt daneben finden auch wir ein Bett für die Nacht. Draußen vor dem Hotel genieße ich bei einem Bier den nahenden Sonnenuntergang in einer Wildwestromantik.

comp_DSC04074 comp_DSC04085 comp_DSC04096 comp_DSC04098 comp_DSC04103 comp_DSC04125 comp_DSC04130 comp_DSC04141 comp_DSC04151 comp_DSC04152

19. Februar 2014 – Mittwoch

Schon wieder Wellblechpiste. Doch diesmal fürchte ich nicht, dass mein Motorrad in seine Einzelteile zerlegt wird, nein, ich sitze im Touristenbus. Gegen drei Uhr stand ich auf, um ab kurz vor vier auf den Bus zu warten.  Aus meiner Hostelanlage waren weitere zwei Familien für den Trip startklar. Ich stand mal wieder am längsten auf dem Wartegleis, doch man hat mich nicht vergessen. Fast 100 Kilometer ist das Geothermiefeld  von San Pedro entfernt.  Der Sprinter ist bis auf einen Platz voll. Bevor es zum El Tatio geht, hält Roger, unser Tour Guide und Fahrer, an einer Servicestation. Beim Aussteigen beginnt die Kälte gleich unter meine Kleidung zu kriechen. Minus sieben Grad sind es hier in 4400 Meter Höhe. Zehn Minuten später erreichen wir das erste zu besichtigende Geysirfeld. Mein rein spanischer Guide erklärt offensichtlich den geologischen Hintergrund eines Geysirs und unseren Weg durch den präparierten Sprudelpark. Es ist immer noch absolut dunkel. Ich versuche mit dem Kamerablitz, die bis zu einen Meter hohen Fontänen aufzunehmen. Meist habe ich nur die dichten Dampfschwaden auf dem Foto. Meine Finger frieren trotz der Motorradhandschuhe, die ich im letzen Augenblick noch eingesteckt hatte.

Hinter dem Vulkan Tatio, Namensgeber des Geysirfeldes und das Plateau zu einer Seite hin abschließend, kündigt sich mit einem hellblauen Schimmer der Sonnenaufgang an. Roger hat ein provisorisches Frühstück für seine Truppe auf einer Steinmauer vorbereitet. Der heiße Kaffeebecher bringt wieder Gefühl in meine Finger. Im Bus werden wir zum nicht weit entfernten zweiten Feld chauffiert. Mit weiteren Infos, auch zur versuchten aber gescheiterten Nutzung der Energie, betreten wir das nicht präparierte Feld. Es steigen dichte Dampfschwaden in die eiskalte Luft, überall blubbert heißes Wasser aus Erdlöchern. In der ersten Helligkeit wird die große Anzahl der Erdöffnungen aus denen das heiße Wasser und der Dampf entweicht ersichtlich. Ich gehe durch das mystische Szenario wartend auf mehr Licht für meine Aufnahmen.

Jetzt wird es ernst. Roger hat mich als Längsel, auf das er bei der Weiterfahrt immer warten muss, weil es sich nicht von der Umgebung losreißen will, als den Alemane deklariert. Auf der Fahrt zum Naturbecken ruft er durch den Bus, ob ich auch darin baden wolle. Der von einer eifrigen, kleinen Sprudelquelle gefüllte Bassin, hat Nähe der Quelle 33 Grad, am Abfluss 28 Grad. Das ist mir eigentlich viel zu kühl, gerade bei den immer noch frostigen Außentemperaturen. Doch unsere ganze Truppe beobachtet mich. Ich schlüpfe in die Badehose und genieße das nach zwei Minuten angenehme trübe aber nicht nach Schwefel riechende Bad.

Auf der Rückfahrt zeigt und erklärt uns Roger noch vieles von der hiesigen Natur und steuert noch das Touristenpueblo Machuca an. Trotz meiner leichten Übelkeit kaufe ich dem geschäftstüchtigen Eingeborenen einen überteuerten, frisch gegrillten Fleischspieß ab, der mir gut mundet. Gegen Mittag lädt uns Roger in San Pedro de Atacama aus seinem Touribus um mit der nächsten Truppe das Nachmittagsziel anzusteuern. Ich lege mich erschöpft aber zufrieden nochmal ins Bett.

comp_DSC03900 comp_DSC03932 comp_DSC03962 comp_DSC03981 comp_DSC03985 comp_DSC03992(1) comp_DSC03995 comp_DSC04014 comp_DSC04028 comp_DSC04030(1)

18. Februar 2014 – Dienstag

Wir wollen das einige Kilometer entfernte Valle de Luna besuchen. Vorher brauchen wir einen Geldautomaten und Kraftstoff, den guten mit 95 Oktan. Schnell stellen wir fest, dass San Pedro nicht für Individualverkehr ausgelegt ist. Einigen Straßen sind dafür gesperrt. Also parke ich mein Motorrad und laufe drei Blöcke weiter zum Bankautomaten. Den scheinen viele zu lieben, ich warte 15 Minuten in der Mittagshitze. Den guten Sprit kriegen wir tatsächlich.

Raus aus der Stadt fahren wir zunächst die offizielle Zufahrt zum Valle. Erst werden wir vor einem Minenfeld gewarnt, dann stehen wir vor einer verschlossenen Schranke, hinter der das Valle de Luna beginnt. Wir kehren um und finden einen Abzweig, der uns bis an die Kannte des Canyons führt. Wir sind zu früh, erst das warme Licht der untergehenden Sonne bringt die Farben zur Geltung. Für morgen habe ich ein Ticket. Da soll es um 4 Uhr morgens mit einer Reisegruppe zum Geysirfeld el Tatio gehen.

comp_DSC03870 comp_DSC03877 comp_DSC03890 comp_DSC03898

16. Februar 2014 – Sonntag

Gestern beim Abendessen glaubte ich neben spanischer und englischer Sprache auch deutsche Stimmsegmente wahrgenommen zu haben. Heute morgen sitze ich, nachdem die Tour Guides ihre Fracht in die Jeeps geladen haben, nur noch alleine im Frühstücksraum. Andreas und Florian aus Österreich, Vater und Sohn, sind ebenfalls in einem Geländewagen auf der Lagunentour unterwegs. Sie starteten in Alaska vor vier Monaten und wollen in zwei Monaten Ushuaia, ihr Ziel, erreichen. Sie hatten gestern mit einem der einheimischen Guides über den uns heute bevorstehenden Lagunenteil gesprochen. Er soll leichter befahrbar sein. Nur, denke ich, sehen Motorradfahrer und Autofahrer das unterschiedlich. Beim Durchfahren steiniger Bereiche hat das Einspurfahrzeug Vorteile, weil die kräftezehrende Wankbewegung nicht auftritt. In Sandpassagen dagegen liegen die Vorteile beim leistungsstarken Allradler, der sich seine Spur in den weichen Untergrund drückt, ohne die Gefahr des Umkippens zu haben.

Nach einem ausgedehnten Frühstück, die Sonne hat die frostigen Temperaturen mittlerweile vertrieben, wagen wir uns an die Weiterfahrt. Aus einiger Entfernung knipse ich nochmal, die im goldenen Sonnenlicht getauchte Nobelabsteige, bevor wir auf die breite, mit unzähligen Autospuren versehene Piste abbiegen. Das Kreuz von gestern liegt wieder auf unseren Schultern. Die festgefahrenen Hauptspuren möchten wieder das Motorrad zerlegen, neuere Spuren sind teilweise so weich, dass sie dem Motorrad deren Richtung aufzwingen wollen. Mir fallen einige Spuren auf, die in einem 30 Grad Winkel zur Hauptrichtung verlaufen. Ich mache es ihnen nach. Mutig am Gasgriff drehend, belaste ich auf den Fußrasten stehend, deren Linke bis meine Africa Twin den gewünschten Kurs eingeschlagen hat. Vom Gefühl her fahre ich um die 60 Sachen, hundert vielleicht zweihundert Meter bringt mich und das Motorrad durch belasten der rechten Fußraste in die andere Richtung, in die ich wieder mehrere hundert Meter vorwärts komme. Es ist anstrengend, aber ich verspüre nicht mehr das durch die Spurrillen verursachte Schlingern, sondern ich bestimme meinen Kurs. Nach einigen Hin- und Herpassagen halte ich, um Theo zu orten. Es ist absolut still, kein Vogelgezwitscher, kein Windgeräusch, einfach lautlos. Meine Augen suchen den Horizont nach der BMW ab, können aber nichts entdecken. Ich trinke einen Schluck Wasser, mache rasch ein paar Fotos, die mittlerweile alle beinahe gleich aussehen. Dann weit entfernt sehe ich mikroskopisch klein Theo mit seinem Motorrad. Ganz leise dringt das quälende Boxergeräusch zu mir. Ich versuche ihn über die Cardo, unsere Bluetooth Gegensprechanlage, anzusprechen, doch die maximale Reichweite scheint nicht auszureichen. Er zieht an mir vorbei. Ich ruhe mich noch etwas aus bevor ich meinen Zickzack-Kurs fortsetze.

Tatsächlich hört die Quälerei nach 30 Kilometer auf. Auf einer akzeptablen Piste erreichen wir die Laguna Colorada. Hier befindet sich auch der offizielle Anfang des Eduardo Avaroa Parks. Der Parkwächter schickt mich, bevor ich die Parkschranke passiere, noch zu dem Mirador, von dem die rotleuchtende Lagune am besten zu betrachten sei. Es ist wie so oft auf dieser Reise. Man muss viele Strapazen ertragen, um dann kurzzeitig paradiesische Eindrücke genießen zu können. Ich setze mich mit meiner Wasserflasche auf einen Stein und lasse das saftige Grün der Uferzone, das grelle weiß der Salzkruste, das purpurrot der Wasseroberfläche, das tiefe Blau des Himmels und die rotbrauntöne, der die Lagune umgebenen Berge auf mich wirken. Hier von meinem erhöhten Aussichtspunkt wirken die hunderte Flamingos wie kleine rosa Punkte. Erst nach dem Hinuntersteigen an die Uferzone und mit Nutzung des Zooms der Kamera, kriege ich die an die raue Umgebung angepassten Schnabeltiere, gut erkennbar aufgenommen.

Zurück zum Parkwächter müssen in seinem Büro die Passdaten aufgenommen und das Eintrittsgelt entrichtet werden, bevor die Schranke die Zufahrt für uns freigibt. Wieder liegen zahlreiche Pistenkilometer vor uns, bevor wir das Geysirfeld  Sol de Manana erreichen. Hier dampft die Erde. Über 4000 Meter hoch erlebe ich mein erstes Geysirfeld. Von einem Gebäude auf einem Plateau, in dem offensichtlich das heiße Wasser in ein Rohrsystem einspeist wird, erkenne ich weit unter mir eine dominierende Dampfwolke, in deren Nähe einige Touristenjeeps parken. Den eigentlichen Zufahrtsweg verlassen, fahre ich geradlinig darauf zu. Dabei komme ich an einer Fangowanne vorbei. Die graue, teigige Masse brodelt, stechender Schwefelgeruch liegt in der Luft. In der Richtung, in der die Dampfschwaden abziehen haben sich am Boden farbige Ablagerungen gebildet. Sie schimmern gelblich und grünlich. Die Atmosphäre mutet bedrohlich, interessant an. An dem Dampfspot angekommen, höre ich lautes Zischen und lautes blubbern des unter der Oberfläche kochenden Wassers. Nahe an dem Geysirfeld sehe ich viele kleine Erdöffnungen aus denen kleinere Dampfschwaden entweichen. Einige Schilder warnen vor dem zu nahen herangehen an die Eruptionsorte.

Der tiefe, leistungszehrende Sand hat den Verbrauch unserer Motorräder in die Höhe getrieben. Theo hat bereits fünf Liter aus einem Kanister nachgefüllt. Ohne zusätzlichen Kraftstoff wird die BMW nicht San Pedro de Atacama erreichen. Gemächlich, kraftstoffsparend rollen wir weiter bis zur Lagune Chalviri. Dort befindet sich schon der Zollposten, der unser Fahrzeugdokument entgegennimmt. Wir fragen die beiden ansässigen Familien nach Sprit, kriegen jedoch keinen. Die Lagune wird mit thermalem Wasser gefüllt, das in einem Becken geleitet zum Baden einlädt. Nur kurz will ich hingehen, um die Temperatur zu erfühlen. Ein Touristenpaar trocknet sich im Badehaus. Die junge Französin erkennt mich wieder. Wir hatten vor etwa zweieinhalb Monaten in Patagonien miteinander gesprochen. Die beiden waren in Calafate mit ihren Fahrrädern gestartet, und haben bis hierher über 4000 Kilometer im Sattel verbracht. Welch ein netter Zufall. Ich beschreibe beiden was ihnen auf der Lagunentour erwartet und mahne ausreichend Wasser mitzunehmen. Doch wer bis hier gefahren ist weiß schon was er kann. Wir wünschen uns suerte.

Das hat Theo und mir geholfen. Ein von uns zum Anhalten aufgeforderter Jeep gibt uns die Info, dass in 15 Kilometer in einem Hotel auch Sprit verkauft wird. Mit den letzten drei Litern erreichen wir nach 25 Kilometer das Hotel, demgegenüber gleich die Zollstation ist. Uns wird der Ausreisestempel von dem Bolivianer in den Reisepass gedrückt. Zehn Liter sollten bis San Pedro reichen. Der Schlagbaum, der Bolivien von Chile trennt, macht ein Lastwagenfahrer selber auf. Es sei kein Zöllner im Büro meint er zu uns. Wir schlüpfen mit ihm aus dem Land, das mich, vor Peru, am meisten mental beschäftigt.

Die Streckenbeschreibung des Geländewagenfahrers hat wie Faust aufs Auge gepasst. Nüchtern hat er beschrieben, was ich angespannt, beängstig, intensiv erlebt habe. Als Motorradfahrer sollte man Geländeerfahrung im steinigen und sandigen Gelände haben, ausreichend Sprit mitführen für einen 30 bis 50 Prozent  höheren Verbrauch, ausreichend Wasser mitführen und eine Portion Glück gehört immer dazu. Die Lagunentour wird von vielen Jeeps befahren, die hier im Nichts sicherlich Hilfe geben. Es war ein intensives, bleibendes Erlebnis.
comp_DSC03636 comp_DSC03646 comp_DSC03649 comp_DSC03669 comp_DSC03681 comp_DSC03684 comp_DSC03700 comp_DSC03721 comp_DSC03732 comp_DSC03735 comp_DSC03755 comp_DSC03765 comp_DSC03777 comp_DSC03793 comp_DSC03797 comp_DSC03805 comp_DSC03811 comp_DSC03837

15. Februar 2014 – Samstag

Seit Tagen schwirrt die Lagunentour durch meinen Kopf. Ein Reisebericht von einem Geländewagenfahrer beschreibt diese 420 Kilometer lange Strecke als äußerst anspruchsvoll, rät zu mindestens drei Übernachtungen im bolivianischen Hochland, bei denen die Temperaturen in bis zu 4700 Meter Höhe deutlich unter dem Gefrierpunkt fallen. Belohnt werden soll man mit herrlichen Ausblicken, auf mit Flamingos bevölkerten Lagunen, die in unterschiedlich Farben leuchtenden und auf zahlreiche Vulkane.

Wir wollen den Begriff anspruchsvoll unseres Autoren, der diese Tour im Oktober 2013 erlebt hat, testen. Die Ruta 5 führt uns unbefestigt aus Uyuni Richtung Südwesten in eine ebene, steppenhafte Landschaft. Zunächst werden wir auf der alten Piste geleitet, die unmittelbar neben der der neuen, in Bau befindlichen Trasse liegt. Ich verpasse wohl das Umleitungsende, das mich auf die gut befahrbare Piste zurückführt hätte. Mit einem Mal wird der Untergrund dunkler und mein Motorrad fängt beängstigend an zu schlingern. Ich schaffe es vor einem Entwässerungsgraben die Africa Twin zu stoppen. Unter meinen Stiefelsohlen haftet klebriger Matsch. Ein Landcruiser Fahrer auf der Piste hält an, steigt aus seinem Wagen und leitet mich auf die Piste.

Unser Weg führt uns über Vila Vila nach San Christobal, wo wir nochmal die Motorradtanks füllen. Nach weiteren 60 Kilometer gut und zügig  zu befahrener Piste erreichen wir Vila Alota. Dort scheint ein Anfahrpunkt, der von Uyuni operierenden Geländewagentouren zu sein. Eine holländische Touristin ist heute Morgen in San Pedro de Atacama gestartet und wurde über die Lagunenroute hierher chauffiert. Von dieser gut ausgebauten Piste zweige in 30 Kilometer ein steiniger, anstrengend zu befahrener Weg ab. Auch die Gesichter der anderen Mitfahrer der Holländerin machen einen geräderten Eindruck auf mich.

Wir biegen also nach den 30 Kilometern auf den holprigen Track ab. Trialmäßig zirkeln wir die schweren Motorräder um Felsbrocken zunächst bergab, um dann langsam an Höhe zu gewinnen. Ein mulmiges Gefühl schleicht sich in meine Magengegend. Wie leicht kann ein Sturz in diesem abgelegen Gelände zu enormen Problemen führen, wie bekommt man einen Defekt am Motorrad oder gar eine Verletzung von uns gehändelt. Wie weit sollen wir in den Track hineinfahren in der Hoffnung, dass wir auf ein wieder gut befahrbares Stück stoßen?

Tapfer rackern wir uns 20 Kilometer bis zur ersten Lagune Canapa. Ich fahre bis an den Uferbereich und sehe tatsächlich zahlreiche Flamingos, die seelenruhig mit ihren Schnäbeln das seichte Wasser nach Beute absuchen. Sie lassen mich auf wenige Meter an sich heran, wohlwissend dass der komische Tourist nicht ins kalte Wasser hereinkommt. Mit einigen schönen Bildern auf dem Chip holpern wir weiter.

Der Pistenzustand verbessert sich nicht. Die Tourjeeps versuchen immer wieder neue Pfade in die weitläufige Landschaft anzulegen, um den für die Insassen strapaziösen und fürs Fahrzeug materialmordenden Untergrund zu umfahren. So stehen uns zahlreiche Spuren zur Auswahl. Manche scheinen zu einem anderen Ziel zu führen, aber die seitlichen Bergketten lassen nur eine Richtung zu.

An der zweiten Lagune namens Hedionda befindet sich eine Unterkunft. Der körperlichen Anstrengung und der Tageszeit nach wäre hier ein optimales Tagesziel erreicht. Die verschlossene Eingangstür lässt mich um das Gebäude nach Personal rufend gehen. Zwei junge Männer scheinen das Lagunenhotel zu betreuen. Mir wird ein Zimmer gezeigt und die Abendspeise erklärt. Theo hatte zwischenzeitlich mit einem Guide eines Tourjeeps Kontakt, der zur Weiterfahrt bis zum über 30 Kilometer entfernten Hotel Desierto riet.

Die steinigen Pfade verwandeln sich in zahlreiche sandige, von den Jeep Reifen geprägten Spuren. Es sind nicht fünf oder zehn, es sind hunderte Spuren. Hauptspuren, die uns einen festen Untergrund geben, weisen häufig eine Wellblechstruktur auf, die beim Überfahren das Motorrad zu zerlegen scheinen. Plötzlich auftauchende Weichsandstücke versuchen mir den Lenker aus den Händen zu reißen. Die sinkende Sonne wirft lange Schatten in die tief eingefahrenen Spuren. Ich kann durch das getönte Brillenglas meine Fahrspur nicht mehr einschätzen. Häufig beginnt die Twin zu tänzeln, jeden Muskel angespannt versuche ich einen Sturz entgegenzuwirken. Der Schatten eines nahen Vulkankegels taucht die mehrere hundert Meter Breite Piste in Dunkelheit. Ich möchte am liebsten die Brille ausziehen, doch dazu müsste ich anhalten und käme in den unstabilen Bereich des Motorrades. Noch mehr eiere ich durch das Sandmeer. Endlich ist der Schattenbereich überwunden. Ich erreiche ein Hinweisschild.  Zum Hotel Desierto geht es rechts entlang und soll  nach zwei Kilometer erreicht sein. Ich warte auf Theo, nach den schnell gemachten Fotos höre ich lang, gespannt nach seinem Boxer. Beunruhigt setze ich den Helm auf, um zurückzufahren. Mit dem sehe ich Mann und Maschine hinter der Sandkuppel auftauchen. Kurz danach blicken wir auf die Hotelanlage, die einzige Zuflucht in der Weite in mehr als 4600 Meter Höhe.

Wir beziehen ein beheiztes, geräumiges, fast ausschließlich aus Granitsteinen der Umgebung gebautes Zimmer. Selbst der Bettunterbau ist stabil aus Gesteinsbrocken gefertigt. Die draußen geparkten Jeeps haben knapp 30 Gäste hierher kutschiert, mit denen wir gemeinsam zu Abend essen. Leider steht der Mond, fast voll, hoch am Himmel. Ich hätte gerne in dieser Höhe die volle Pracht des Sternenhimmels angeschaut.

comp_DSC03542.comp_DSC03543 comp_DSC03555 comp_DSC03574 comp_DSC03605 comp_DSC03608 comp_DSC03617 comp_DSC03627 comp_DSC03428 comp_DSC03461 comp_DSC03510 comp_DSC03527

14. Februar 2014 – Freitag

Ich verlasse das mit Unmengen an Abgasen belastete Potosi in Richtung Süden und mache ein letztes Foto. Aus dieser Perspektive sieht man der Stadt nicht ihre Verschmutzungen durch den umweltbelastenden Minenbau an. Wie bereits gewohnt, will ich an der Mautstation rechts neben dem Zahlhäuschen passieren. Doch einer der kräftigen Wegelagerer zwingt mich zum Anhalten. Zehn Bolivianos, ungefähr ein Euro, will er. Ich mache ihn glücklich.

Ab hier fahre ich durch ein Bolivien, das ich nicht mehr erwartet hatte. Die Fahrbahn ist neu, führt kurvenreich durch eine farbenprächtige Landschaft, die vom tiefblauen Himmel mit buschig weißen Wölkchen begrenzt wird. Die Kräfte der Natur haben zahlreiche Canyons geschaffen, die sich tief in die Oberfläche eingearbeitet haben. Immer wieder fahre ich an einzelne oder zu einem Pueblo zusammengestellten Behausungen vorbei, die sich mit ihren Lehmsteinen und Schilfdächer harmonisch in die Umgebung integrieren. In den saftig grünen Ebenen weiden stattliche Viehherden, wobei Alpakas neben einigen Kühen, Pferden und Esel, am häufigsten vertreten sind. Meine Pausen sind viel zu kurz, um die Eindrücke greifen zu können.

Doch heute heißt das Ziel Uyuni. Wie oft habe ich zu Hause mir Bilder des Salar angeschaut, beeindruckende Videos in youtube angeschaut und Beschreibungen in Reiseberichten aufgesogen. Für mich ein Highlight dieser Reise. Hinter der letzten Kehre schaue ich nun hinunter auf Uyuni. Rechts von mir hängt tief ein Gewitter in den Bergen, der Donner mahnt mich weiterzufahren. Doch eine kurze Pause muss sein, um die im Sonnenlicht blinkenden Blechdächer der Hochlandstadt in der weiten kargen Landschaft zu betrachten. Trotz meiner erhöhten Position kann ich den Salar nur erahnen.

Am Ortseingang treffe ich Theo, mit dem ich zunächst auf Unterkunftsuche gehe. Das stadttypisch schmutzig anmutende Uyuni hat durch den Touristenmagnet einiges an Hostals und  Hotels zu bieten, was die Suche nicht verkürzt. Letztendlich finden wir was passendes für die Motorräder und uns. Schnell deponieren wir einen Teil des Gepäcks im Hotelzimmer, um noch zum, wie wir an der Rezeption erfahren, 30 Kilometer entfernten Salar zu fahren.

Die neue schnurgerade Straße ist soweit vorbereitet, dass in Kürze die Asphaltdecke aufgetragen werden kann. Doch wir genießen noch die ursprüngliche Piste. Die uns entgegenkommenden Touristenjeeps wirbeln ordentlich Staub auf, der uns kurzzeitig  die Sicht raubt. In Cochani zeigt uns ein Hinweisschild, dass wir rechtsabbiegen müssen und noch fünf Kilometer zum Salar fahren müssen. Das Licht ist trotz der leicht getönten Motorradbrille schon gleißend. Die Umgebung erscheint surreal, so als hätte man die Erde verlassen und einen anderen Planeten betreten. Ein Mahnmal auf einen Parkplatz lässt uns anhalten. Hier befindet sich die Zufahrt auf den Salar, über den eine offizielle Piste verläuft. Aber der Salar steht unter Wasser. Sind noch unsere Bekannten aus Valparaiso, Günter und Detlef, im Oktober über den Salar zur Insel Incahuasi gefahren und haben dort im Zelt übernachtet, hat seitdem die Regenzeit den Salar geflutet. Nur die Touristen Guides karren Unmengen an Schaulustigen in und auf den Dächern der Jeeps durch das 20 bis 30 Zentimeter tiefe Wasser über den Salar. Ich hatte auch zu Hause davon geträumt, zu erfahren wie lange man sich traut mit geschlossenen Augen sein Motorrad weiterzufahren oder die skurrile Insel zu besichtigen. Doch die Stimmung hier am Rande des Salar de Uyuni ist schon überwältigend. Ich versuche die Eindrücke in die Kamera zu bekommen und eine nette auf dem Fahrrad reisende Amerikanerin hilft mir bei meinen recht geglückten Perspektivfotos.

Ein rundum geglückter Reisetag.

comp_DSC03250 comp_DSC03261 comp_DSC03275 comp_DSC03276 comp_DSC03281 comp_DSC03288 comp_DSC03299 comp_DSC03311 comp_DSC03315 comp_DSC03325 comp_DSC03337 comp_DSC03350 comp_DSC03363 comp_DSC03364 comp_DSC03388 comp_DSC03419 comp_DSC03422

 

13. Februar 2014 – Donnerstag

Um zehn vor neun frage ich an der Rezeption nach einer Besichtigungstour der hiesigen Silberminen. Um kurz nach neun sitzen Theo und ich mit dem Fahrer und unserem Guide in einem Microbus. Weitere fünf Chilenen picken wir an einem Hotel auf und schaukeln gemächlich zwischen dem ersten und zweiten Gang die äußerst holprigen Pflastersteinstraßen bergan.

Zunächst ziehen wir eine minengerechte Kluft über. In Gummistiefel laufen wir über den Minerosmarkt um Geschenke für die Minenarbeiter zu beschaffen. Wichtig seien die Kokablätter, die den Arbeitern Kraft und Durchhaltevermögen verleihen. Mit bestimmten Beschleunigern wir die Wirkung der Kokablätter noch verstärkt. Auch in eigenartigem Papier eingetütete selbstgedrehte Zigaretten mit Spezialtabak gehören in die Geschenktüte. Roger, unser Tour Guide, erklärt uns bis zu welcher Zusammenstellung der hier vertriebene Sprengstoff ungefährlich ist und welche Stoffe die Explosion verstärken. Auch der wird gerne von den Mineros ausgepackt. Jeder von uns Touris mit einer Geschenktüte auf dem Rücken, karren in dem Kleinstvan die Minenstraße hoch.

Es ist alles andere als eine für Touristen sauber präparierte Vorführung. Schnell wird uns bewusst, dass wir ein Teil des hiesigen Alltags werden. Im Matsch stehend erklärt uns Roger die Verladung der behelfsmäßig anscheinenden Rampen. Lastwagen fahren dann das Minengut in umliegende Fabriken, die die reinen Produkte erzeugen. Rein geht es in unseren Stollen. Wir tapsen zwischen den Schmalspurschienen, die die handgedrückten Loren führen, durch Matsch und tiefe Pfützen. Ein Zeremoniell, dass jeder Minenarbeiter vor Arbeitsbeginn an einer Teufelsfigur durchführt, um reichlich Ausbeute zu machen, wird uns erklärt. Auch ich schließe mich diesem Brauchtum an, wird schon nicht schaden. Bald schon komme ich nur gebückt vorwärts. Teilweise zerborstene Holzkonstruktionen sollen den Stollen abstützen. Roger erklärt die Gesteine und welche Mineralien sie enthalten. Vor fast 500 Jahren seien die Silberschichten zwei Meter dick gewesen, heute werden 3 Zentimeter Schichten abgebaut. Zur Zeit der Spanier waren die Mineros sechs Tage ohne Pause im Berg, heute wird zwischen 8 und 15 Stunden im Berg gearbeitet. Unser Guide lässt uns durch einen schmalen Kanal hochsteigen, zu den Mineros, die neben seinen Erklärungen, mit Hammer und Meißel eine Zinnader abbauen. Nochmals nehmen wir an einem Ritual teil, in dem zur Ehrung des Teufels kein 98 prozentiger Alkohol konsumiert wird sondern ein schmackhafter Schnaps. Der Abstieg gestaltet sich etwas leichter als der Aufstieg, doch bin ich froh, dass das Ritual genutzt hat. Wir stehen wieder im Tageslicht. Nicht für 10000 Bolivianos würde ich hier arbeiten wollen, kommentiert Theo.

 comp_DSC03129 comp_DSC03131 comp_DSC03137 comp_DSC03141 comp_DSC03142 comp_DSC03146 comp_DSC03150 comp_DSC03153 comp_DSC03161 comp_DSC03167 comp_DSC03169 comp_DSC03195 comp_DSC03200 comp_DSC03228 comp_DSC03231 comp_DSC03241

12. Februar 2014 – Mittwoch

Vollgetankt, mit acht Liter zusätzlich im Reservekanister verlassen wir Oruro. Die Ruta 1 führt geradlinig durch eine baumlose Graslandschaft. Die Wolken hängen tief, die gute, nur mit seltenen Schlaglöchern versehene Fahrbahn ist trocken. Bei der ersten Verschnaufpause grüßen uns hupend drei Motorradfahrer. Dem Gepäck nach zu urteilen sind sie auf ähnlich großer Tour wie wir. In Challapata zweigt die Ruta 1 in einem langgezogenem Bogen nach Potosi ab. Geradeaus wären es noch ungefähr 200 Kilometer bis zum Salar de Uyuni. Hinter dem Abzweig führt unsere jetzt kurvenreiche Strecke in eine Gebirgslandschaft.  Wir holen die drei Motorradfahrer, die auf in der USA angemeldeten Motorräder unterwegs sind. Sie nutzen ihren Urlaub, um Etappenweise von Alaska nach Ushuaia zu reisen. Nach meist zwei Wochen Motorradfahren deponieren sie die Motorräder, um nach ein wenig Arbeit in der Heimat ihre Weiterfahrt aufzunehmen. Wie wir erfahren, eine Reise mit ganz besonderen Tücken. Ihre Motorräder waren neun Tage über die zulässigen 90 visumsfreien Tage in Peru. Bei der jetzt notwendigen Ausreise nach Bolivien, weigert sich der Zoll Ausreisedokumente für die Motorräder auszustellen, stattdessen will er sie konfiszieren. Die drei kehren um, wählen einen kleineren Grenzübertritt, kombiniert mit einer Fährverbindung über den Titicacasee, drücken 400 Dollar Bakschisch ab bevor die geplante Fahrt fortgeführt werden kann.

Die Strecke verläuft durch einen Canyon mit vielen fotogenen Szenen. Ich muss mich zwingen weiterzufahren. Hinter jeder Kehre sehe ich ein neues Panorama, welches ich wieder aufnehmen will. Bereits an unserem Einreisetag durchfuhren wir eine Landschaft, die erodiert vom vielen Regen vereinzelt mehrere Meter hohe Skulpturen hinterlassen hat. Damals hatte unser Benzinproblem mich am häufigen Anhalten gehindert. Heute wollte ich möglichst viele Eindrücke einfangen.

Ich erreiche Potosi und vermisse meinen Reisebegleiter. Der wird schon zum Hotel sein, so meine feste Überzeugung. Da unser ausgewähltes Hotel sich nicht im Verzeichnis der open street map befindet, hatte ich gestern die ungefähre Lage in Theos Navi als Favorit gespeichert. Eine Umleitung lässt mich lange durch das Einbahnstraßennetz Potosis irren. Als ich mich neu orientiere treffe ich die Amerikaner wieder, die zusammen mit Theo neuen Sprit an einer Tankstelle gezapft haben. Theo hatte in seinem Navi deren Unterkunft gefunden und aufgrund der geringen Entfernung zu unserem Hotel, sich mit ihnen für den Abend unverbindlich verabredet. Sie haben Probleme ihr Hostal zu finden und bitten mich sie zu ihrem Hostal zu leiten. Auch ich finde ihre Unterkunft in meinem Navi. Die eigentlich kurze Strecke wird im dichten Stadtverkehr zur Geduldsprobe. Endlich im Hotel angekommen vermisse ich Theo. Der hat mich per SMS gesucht, doch bevor ich antworten steht er auch vor dem Hotel, griesgrämig darüber, dass ich ihn an seiner Tankstelle übersehen habe.

Ich kläre in der Rezeption den von Oruro organisierten Benzinkauf ab. Die hilfsbereite Senora schickt mich zur 100 Meter entfernten Tankstelle. Ich bemerke bereits beim auffüllen der Tanks den Polizisten, der das hiesige Geschehen beobachtet. Der hintere Tank fast knapp 12 Liter, also scheint das Zählwerk der Zapfsäule zu stimmen. 82 Bolivianos zeigt die Betragsanzeige. Der Tankwart tippt auf einem Taschenrechner und will 185 Bolivianos. Ich habe nur noch 160 im Portemonnaie. Der Tankwart geht damit zum Polizisten, der nickt zustimmend.

Den Abend verbringen wir mit unseren amerikanischen Freunden, tauschen Reiseerfahrungen aus, vergleichen Nordamerika mit Europa und wünschen uns viel Glück für die Weiterfahrt.

comp_DSC03008 comp_DSC03016 comp_DSC03020 comp_DSC03023 comp_DSC03031 comp_DSC03036 comp_DSC03065 comp_DSC03069 comp_DSC03071 comp_DSC03090 comp_DSC03094 comp_DSC03108 comp_DSC03119

11. Februar 2014 – Dienstag

Ihr braucht gar nicht erst nach Bildern zu suchen, es gibt sie heute nicht, oder hätte ich Tankstellen knipsen sollen, die an Ausländer keinen Sprit ausgeben. Auf dem Weg nach Potosi wollen wir nach der quälenden Stadtausfahrt noch rasch volltanken, um ein erneutes Malheur, wie gestern auszuschließen. Der vor uns betankte Wagen macht uns den Weg zur Zapfsäule frei, doch der Tankwart will Theo nicht bedienen. Wir versuchen die nächste Tankstelle, an der wir auch keinen Sprit bekommen. Wir drehen, um eine Tankstelle im Innenstadtbereich aufzusuchen. Deren Zapfsäulen sind demontiert. An einer Weiteren warten von jeder Seite der Zapfsäule fünf Autos darauf, dass der Tankwagen mit dem Befüllen des Erdtanks fertig wird. Ich wundere mich, dass der in die Jahre gekommene Tankwagen mit der Vorderachse auf Holzrampen steht. Auf meine Frage wie lange es noch dauert, wird mir die Hoffnung genommen hier Benzin zu bekommen. Der nette Tankwart macht mir noch eine Skizze, wo sicherlich noch 20 Liter für uns übrig wären. Also zurück durch die Stadt und mein Gefühl hatte recht, wir stehen wieder an der zweiten Station von vorhin. Nada. Doch gleich daneben befindet sich noch eine Tankstelle. Bei erneuter Ablehnung werde ich langsam kribbelig. Der Tankwart verweist mich an den Chef. No combustible privada, fractura national. Er bemüht sich mir die Situation zu erklären. Ich verstehe nur, es gibt keinen Sprit für Touristen. Von der nächstgelegenen Grenze zu Chile sind wir mindestens 200 Kilometer entfernt, und das ist eine Piste, deren Zustand durch die vielen Regenfälle in schlechtem Zustand sein kann. Über Asphaltstraße sind es gar 350 Kilometer, die mit Glück zu schaffen wären. Ich gehe nochmals zum Chef, um lumpige 20 Liter zu erquängeln. Der wiederholt sich und bleibt hart.

Ich frage einen Autofahrer dessen Fahrzeug gerade betankt wird, ob er mir privat Sprit verkaufen wolle. Er versteht meine Situation und fragt nach einer Flasche, in die der Tankwart während des Tankvorgangs Sprit abfüllen würde. Erleichtert eile ich, um Theos Reservekanister zu holen. Als ich mit diesem auf den Tankwart zugehe, wirft er mir eine Handbewegung zu, die mich mit dem Kanister abdrehen lässt. Der Autofahrer gibt mir beim Verlassen der Tankstelle einen Wink, ihm zu folgen. Er drückt mir quasi im Fahren einen roten Behälter in die Hand und will 30 Bolovianos. Die vier Liter sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich verhandle nochmals mit meinem korrupten Tankwart. Doch der weist auf die Kontrolleure in der Nähe der Tankstelle und vertreibt mich mit dem Kanister. Eine viertel Stunde später fragt ein anderer Tankwart nach meinen Kanistern und füllt diese tatsächlich nochmal. Versteckt unter seiner Jacke bringt er uns die sieben Liter und will 60 Bolovianos. Er kriegt 50 von mir. Jedes unserer Motorräder sollte nun fast 400 Kilometer weit kommen, doch es ist schon fast drei Uhr, zu spät um ein entferntes Ziel anzugehen. Zurück im Hotel, buchen wir erneut eine Übernachtung. Bei der Spritbeschaffung ist uns das Personal behilflich.

Hab doch noch Bilder.

comp_DSC02989 comp_DSC02991 comp_DSC02994

10. Februar 2014 – Montag

Wieder mit meinen ganzen Utensilien bepackt, sitze ich auf der Africa Twin und fahre bei sonnigen aber kühlen Wetter den gestern bereits bewunderten Bereich des Lauca Parks. Die mitunter stark beschädigte Asphaltdecke erfordert ein konzentriertes Steuern des Motorrades. Den gestern aus der Ferne schemenhaft gesehene Vulkan Parinacota wächst heute mit jeder Straßenwindung. An den vielen, kleinen Gewässer suchen Flamingos und andere Wasservögel nach Nahrung, häufig kreuzen Vicunas und Lamas die Straße. Große Herden von den Vierbeinern weiden in der mit Hochlandgras bewachsenen Ebene. Doch für mich ist der wahre Champion des Lauca Parks eben der Parinacota mit seinem Lago Chungara, in dem er sich bei Windstille spiegelt. Ich weiß nicht, wie oft ich den Vulkan heute aus verschiedenen Perspektiven abgelichtet habe. Doch dieses Grenzgebiet nach Bolivien beheimatet insgesamt vier Vulkane, die über 6000 Meter messen. Einer davon, der Vulkan Guallatire, bläst Rauch ab. Er soll einer der aktivsten Vulkane der Anden sein.

Meine Ausreise aus Chile, an dem kleinen Grenzübergang in 4600 Meter Höhe, ist Formsache und in zehn Minuten erledigt. Bis zur bolivianischen Grenzstation sind es vielleicht 15 Kilometer. Auf der Fahrt dorthin passiere ich eine vier Kilometer lange Lastwagenschlange. Die auf die Abfertigung wartenden Fahrer unterhalten sich in kleinen Gruppen, schauen nach ihren Fahrzeugen oder dösen im Fahrerhaus. Beim Vorbeifahren wünschte ich für einige Stunden mit ihnen tauschen zu können. Dann würde ich die erhabene Atmosphäre genießen.

Bolivien, mal was Neues. An der Zollstation treffe ich Theo, der seit längerem mit dem Zöllner versucht, seine BMW für Bolivien zu registrieren. Es scheitert offensichtlich an einem Computerprogramm, das heute nicht so richtig will. Letztendlich führt uns ein Kollege unseres Bearbeiters zu einem Speditionsbüro, in dem eine junge, hilfsbereite Senora die fehlenden Kontrollnummern im System heraussucht und alle Unterlagen für die Einreise vorbereitet. Die 20 Bolivianos kann ich ihr erst nach der Tauschaktion mit einer in Trachten gekleideten Senora, die mir von einem Polizisten empfohlen wird, zahlen. Eigenartige Wechselstube, denke ich mir und fühle mich übers Ohr gehauen.

Mit unserem Startkapital gehen wir auf die Suche nach einer Tankstelle. Die in der Grenzstadt Tambo Quemado führt wenn überhaupt nur Diesel. Die nächste Tankstelle soll im über 200 Kilometer entfernten Patacamaya sein. Das ist zu weit. Wir können nicht glauben, dass an einer Hauptverbindungsstraße kein Sprit zu bekommen sein soll, also fahren wir los. Als nach etwa 100 Kilometer die BMW nach neuem Kraftstoff ruft, fahren wir an einem Rastplatz an. Auf dem großen, unbefestigten Parkplatz sind unsere Motorräder die einzigen Fahrzeuge. Neben dem Gebäude steht ein Auto. Die Wirtin bietet uns fünf Liter, die sie aus ihrem PKW abzapft an. Damit schaffen wir es bis zwei Kilometer vor der geplanten Tankstelle. Als ich den Reservekanister füllen will, fragt mich einer der vier sich unterhaltenden Tankwarte, wie viel ich für einen Liter zahlen will. Wie bei der Wechselsenora fühle ich mich unsicher. Der Tankwart fängt mit 10 Bolivianos an. Ich stutze und wage cinco zu sagen. Ich fülle den Kanister für 10 Bolivianos mit 2,6 Liter. Als ich kurz danach mit Theo zum Auftanken der Motorräder an die Tankstelle rolle, fülle ich zunächst den Hecktank, in dem genau 12 deutsche Liter passen. Hier werden 13,4 Liter eingefüllt. Der Gesamtbetrag wird nicht an der Zapfsäule abgelesen, sondern die Literzahl mit den ausgehandelten 5 Bolivianos multipliziert. Normalerweise läge der Touristenpreis bei neun Bolivianos. Erzürnt über diese Behandlung suchen wir mit vollen Tanks eine Unterkunft.

Das Loch mit den kleinen Bettbewohnern in Patacamaya lehne ich ab. Wir starten noch durch nach Oruro, wo wir nach eifriger Suche gut unterkommen. Es war ein langer, anstrengender Tag.

comp_DSC02904 comp_DSC02919 comp_DSC02936 comp_DSC02968 comp_DSC02969 comp_DSC02973 comp_DSC02986

09. Februar 2014 – Sonntag

Für heute habe ich einen Pausentag heraus gehandelt. Seit Cusco haben wir täglich auf den Sitzbänken der Motorräder sechs und mehr Stunden verbracht. Doch jetzt wo wir am Eingang zum Lauca Nationalpark unser Quartier bezogen haben, ziehe ich am späten Vormittag zu Fuß los, um etwas von der Bergwelt zu erkunden. Belohnt werde ich mit einem Blick auf den bereits erwähnten Vulkan Taapaca. Diesmal aus einer Perspektive, in der ich nicht Stromleitungen oder Kunststoffwasserbehälter ausblenden muß, sondern aus der mir noch zwei Lamas den Anden Charakter bestätigen.

Nachmittags, nach ein wenig Motorradinspektion, bummeln wir auf unseren Maschinen einige Kilometer in den Park hinein. Ein erster Blick auf die Vulkane Parinacota und Pomerate, beide über 6000 Meter hoch, soll heute Nachmittag unser Wendepunkt sein. Genüsslich mit vielen Fotopausen fahre ich wieder Richtung Putre, aber nicht ohne den Abzweig zu den heißen Quellen von Jurasi zu verpassen. Den Eintritt und den Betrag für die geliehene Badehose und Handtuch, entrichte ich mit mehreren Fotos des Kassenwartes mit meinem Motorrad. Und die Quellen haben es wirklich in sich, ich muss langsam in das über 40 Grad heiße Wasser einsteigen. Auf ein Foto, auf dem ich mir das aus dem Rohr zulaufende Wasser auf dem Kopf plätschern lasse, verzichte ich. Es ist glaubhaft über 50 Grad. Die Anlage gefällt mir deutlich besser als die von Touristen überlaufene Therme in Aguas Calientes. Ich erfahre noch von einem weiteren Besucher, der in Putre arbeitet und mich dort im Hotel bereits gesehen hat, einiges über den Bauboom in der Kleinstadt und die Lebensgewohnheiten der Einheimischen. Ein schweizer Pärchen gesetzteren Alters klettert noch zu mir in das Becken. Wir tauschen Reiseerfahrungen aus. Von der wärmenden Sonne getrocknet, quäle ich mich wieder in die Motorradkluft und verlasse diesen wunderschönen Ort.

Zurück in Putre gönne ich mir noch eine Schokoladentorte mit Kaffee, treffe meinen Gesprächspartner von der Therme nochmals. Ein erholsamer aber erlebnisreicher Sonntag, das hat gut getan.

comp_DSC02775 comp_DSC02779 comp_DSC02793 comp_DSC02801 comp_DSC02809 comp_DSC02828 comp_DSC02845 comp_DSC02851 comp_DSC02862 comp_DSC02867 comp_DSC02868 comp_DSC02881