Um zehn vor neun frage ich an der Rezeption nach einer Besichtigungstour der hiesigen Silberminen. Um kurz nach neun sitzen Theo und ich mit dem Fahrer und unserem Guide in einem Microbus. Weitere fünf Chilenen picken wir an einem Hotel auf und schaukeln gemächlich zwischen dem ersten und zweiten Gang die äußerst holprigen Pflastersteinstraßen bergan.
Zunächst ziehen wir eine minengerechte Kluft über. In Gummistiefel laufen wir über den Minerosmarkt um Geschenke für die Minenarbeiter zu beschaffen. Wichtig seien die Kokablätter, die den Arbeitern Kraft und Durchhaltevermögen verleihen. Mit bestimmten Beschleunigern wir die Wirkung der Kokablätter noch verstärkt. Auch in eigenartigem Papier eingetütete selbstgedrehte Zigaretten mit Spezialtabak gehören in die Geschenktüte. Roger, unser Tour Guide, erklärt uns bis zu welcher Zusammenstellung der hier vertriebene Sprengstoff ungefährlich ist und welche Stoffe die Explosion verstärken. Auch der wird gerne von den Mineros ausgepackt. Jeder von uns Touris mit einer Geschenktüte auf dem Rücken, karren in dem Kleinstvan die Minenstraße hoch.
Es ist alles andere als eine für Touristen sauber präparierte Vorführung. Schnell wird uns bewusst, dass wir ein Teil des hiesigen Alltags werden. Im Matsch stehend erklärt uns Roger die Verladung der behelfsmäßig anscheinenden Rampen. Lastwagen fahren dann das Minengut in umliegende Fabriken, die die reinen Produkte erzeugen. Rein geht es in unseren Stollen. Wir tapsen zwischen den Schmalspurschienen, die die handgedrückten Loren führen, durch Matsch und tiefe Pfützen. Ein Zeremoniell, dass jeder Minenarbeiter vor Arbeitsbeginn an einer Teufelsfigur durchführt, um reichlich Ausbeute zu machen, wird uns erklärt. Auch ich schließe mich diesem Brauchtum an, wird schon nicht schaden. Bald schon komme ich nur gebückt vorwärts. Teilweise zerborstene Holzkonstruktionen sollen den Stollen abstützen. Roger erklärt die Gesteine und welche Mineralien sie enthalten. Vor fast 500 Jahren seien die Silberschichten zwei Meter dick gewesen, heute werden 3 Zentimeter Schichten abgebaut. Zur Zeit der Spanier waren die Mineros sechs Tage ohne Pause im Berg, heute wird zwischen 8 und 15 Stunden im Berg gearbeitet. Unser Guide lässt uns durch einen schmalen Kanal hochsteigen, zu den Mineros, die neben seinen Erklärungen, mit Hammer und Meißel eine Zinnader abbauen. Nochmals nehmen wir an einem Ritual teil, in dem zur Ehrung des Teufels kein 98 prozentiger Alkohol konsumiert wird sondern ein schmackhafter Schnaps. Der Abstieg gestaltet sich etwas leichter als der Aufstieg, doch bin ich froh, dass das Ritual genutzt hat. Wir stehen wieder im Tageslicht. Nicht für 10000 Bolivianos würde ich hier arbeiten wollen, kommentiert Theo.