20. Februar 2014 – Donnerstag

Von San Pedro de Atacama führt uns die Ruta 27 zum Jama Pass hinauf. Bei 3200 Höhenmetern schauen wir auf unsere Oase, die uns viermal eine Übernachtung bot. Die Strecke steigt ständig fast geradlinig bis auf fast 4800 Meter Höhe an. Die Luft wird schon wieder verdammt dünn. Sofort beginne ich zu hecheln, wenn ich die Sitzbank des Motorrades verlasse. Ich schaue nochmal nach Bolivien herüber, wo wir uns so anstrengen mussten. Eigentlich sehe ich nur Wüste, doch die paar Tage Abstand in der Stadt reichen aus, um die Landschaft wieder faszinierend zu empfinden. Das Altiplano bleibt uns lange erhalten. In den Senken sammelt sich vereinzelt Quellwasser, das ein wenig pflanzenwuchs zulässt. Die Gewässerränder sind weiß von ausgeschwemmten Mineralien. Das sich hier Guanacos aufhalten, grenzt an ein Wunder. In Lagunen, die nicht von Touristenströmen überlaufen sind, spiegeln sich die karstigen Gebirgszüge. Ich halte oft, um die Eindrücke aufzunehmen.

Zur modernen Grenzstation, die sich Chilenen und Argentinier teilen, werden wir schnell abgefertigt. Der Zöllner draußen sammelt nur den Kontrollzettel ein und winkt mich durch. Unser Planziel Susques, es liegt voll im Nichts, erreichen wir gegen halb fünf. Bei der Ortsbesichtigung via Motorrad, auf der Suche nach einer Unterkunft, rennt mal wieder ein Hund bellend hinter mir her. Doch der meint es diesmal ernst und schnappt in meine Wade. Was bin ich in diesem Moment froh die lästigen Knieschützer zu tragen, die jetzt Schlimmeres vermieden haben. Die Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten ist stark eingeschränkt. Wir rollen zurück Richtung Tankstelle, an der unsere Motorräder mit neuem Kraftstoff versorgt werden. Direkt daneben finden auch wir ein Bett für die Nacht. Draußen vor dem Hotel genieße ich bei einem Bier den nahenden Sonnenuntergang in einer Wildwestromantik.

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15. Februar 2014 – Samstag

Seit Tagen schwirrt die Lagunentour durch meinen Kopf. Ein Reisebericht von einem Geländewagenfahrer beschreibt diese 420 Kilometer lange Strecke als äußerst anspruchsvoll, rät zu mindestens drei Übernachtungen im bolivianischen Hochland, bei denen die Temperaturen in bis zu 4700 Meter Höhe deutlich unter dem Gefrierpunkt fallen. Belohnt werden soll man mit herrlichen Ausblicken, auf mit Flamingos bevölkerten Lagunen, die in unterschiedlich Farben leuchtenden und auf zahlreiche Vulkane.

Wir wollen den Begriff anspruchsvoll unseres Autoren, der diese Tour im Oktober 2013 erlebt hat, testen. Die Ruta 5 führt uns unbefestigt aus Uyuni Richtung Südwesten in eine ebene, steppenhafte Landschaft. Zunächst werden wir auf der alten Piste geleitet, die unmittelbar neben der der neuen, in Bau befindlichen Trasse liegt. Ich verpasse wohl das Umleitungsende, das mich auf die gut befahrbare Piste zurückführt hätte. Mit einem Mal wird der Untergrund dunkler und mein Motorrad fängt beängstigend an zu schlingern. Ich schaffe es vor einem Entwässerungsgraben die Africa Twin zu stoppen. Unter meinen Stiefelsohlen haftet klebriger Matsch. Ein Landcruiser Fahrer auf der Piste hält an, steigt aus seinem Wagen und leitet mich auf die Piste.

Unser Weg führt uns über Vila Vila nach San Christobal, wo wir nochmal die Motorradtanks füllen. Nach weiteren 60 Kilometer gut und zügig  zu befahrener Piste erreichen wir Vila Alota. Dort scheint ein Anfahrpunkt, der von Uyuni operierenden Geländewagentouren zu sein. Eine holländische Touristin ist heute Morgen in San Pedro de Atacama gestartet und wurde über die Lagunenroute hierher chauffiert. Von dieser gut ausgebauten Piste zweige in 30 Kilometer ein steiniger, anstrengend zu befahrener Weg ab. Auch die Gesichter der anderen Mitfahrer der Holländerin machen einen geräderten Eindruck auf mich.

Wir biegen also nach den 30 Kilometern auf den holprigen Track ab. Trialmäßig zirkeln wir die schweren Motorräder um Felsbrocken zunächst bergab, um dann langsam an Höhe zu gewinnen. Ein mulmiges Gefühl schleicht sich in meine Magengegend. Wie leicht kann ein Sturz in diesem abgelegen Gelände zu enormen Problemen führen, wie bekommt man einen Defekt am Motorrad oder gar eine Verletzung von uns gehändelt. Wie weit sollen wir in den Track hineinfahren in der Hoffnung, dass wir auf ein wieder gut befahrbares Stück stoßen?

Tapfer rackern wir uns 20 Kilometer bis zur ersten Lagune Canapa. Ich fahre bis an den Uferbereich und sehe tatsächlich zahlreiche Flamingos, die seelenruhig mit ihren Schnäbeln das seichte Wasser nach Beute absuchen. Sie lassen mich auf wenige Meter an sich heran, wohlwissend dass der komische Tourist nicht ins kalte Wasser hereinkommt. Mit einigen schönen Bildern auf dem Chip holpern wir weiter.

Der Pistenzustand verbessert sich nicht. Die Tourjeeps versuchen immer wieder neue Pfade in die weitläufige Landschaft anzulegen, um den für die Insassen strapaziösen und fürs Fahrzeug materialmordenden Untergrund zu umfahren. So stehen uns zahlreiche Spuren zur Auswahl. Manche scheinen zu einem anderen Ziel zu führen, aber die seitlichen Bergketten lassen nur eine Richtung zu.

An der zweiten Lagune namens Hedionda befindet sich eine Unterkunft. Der körperlichen Anstrengung und der Tageszeit nach wäre hier ein optimales Tagesziel erreicht. Die verschlossene Eingangstür lässt mich um das Gebäude nach Personal rufend gehen. Zwei junge Männer scheinen das Lagunenhotel zu betreuen. Mir wird ein Zimmer gezeigt und die Abendspeise erklärt. Theo hatte zwischenzeitlich mit einem Guide eines Tourjeeps Kontakt, der zur Weiterfahrt bis zum über 30 Kilometer entfernten Hotel Desierto riet.

Die steinigen Pfade verwandeln sich in zahlreiche sandige, von den Jeep Reifen geprägten Spuren. Es sind nicht fünf oder zehn, es sind hunderte Spuren. Hauptspuren, die uns einen festen Untergrund geben, weisen häufig eine Wellblechstruktur auf, die beim Überfahren das Motorrad zu zerlegen scheinen. Plötzlich auftauchende Weichsandstücke versuchen mir den Lenker aus den Händen zu reißen. Die sinkende Sonne wirft lange Schatten in die tief eingefahrenen Spuren. Ich kann durch das getönte Brillenglas meine Fahrspur nicht mehr einschätzen. Häufig beginnt die Twin zu tänzeln, jeden Muskel angespannt versuche ich einen Sturz entgegenzuwirken. Der Schatten eines nahen Vulkankegels taucht die mehrere hundert Meter Breite Piste in Dunkelheit. Ich möchte am liebsten die Brille ausziehen, doch dazu müsste ich anhalten und käme in den unstabilen Bereich des Motorrades. Noch mehr eiere ich durch das Sandmeer. Endlich ist der Schattenbereich überwunden. Ich erreiche ein Hinweisschild.  Zum Hotel Desierto geht es rechts entlang und soll  nach zwei Kilometer erreicht sein. Ich warte auf Theo, nach den schnell gemachten Fotos höre ich lang, gespannt nach seinem Boxer. Beunruhigt setze ich den Helm auf, um zurückzufahren. Mit dem sehe ich Mann und Maschine hinter der Sandkuppel auftauchen. Kurz danach blicken wir auf die Hotelanlage, die einzige Zuflucht in der Weite in mehr als 4600 Meter Höhe.

Wir beziehen ein beheiztes, geräumiges, fast ausschließlich aus Granitsteinen der Umgebung gebautes Zimmer. Selbst der Bettunterbau ist stabil aus Gesteinsbrocken gefertigt. Die draußen geparkten Jeeps haben knapp 30 Gäste hierher kutschiert, mit denen wir gemeinsam zu Abend essen. Leider steht der Mond, fast voll, hoch am Himmel. Ich hätte gerne in dieser Höhe die volle Pracht des Sternenhimmels angeschaut.

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