08. Februar 2014 – Samstag

Ich fluche innerlich. An der Grenzstation hinter Tacna soll ich meine Gepäckrolle abschnallen und durch den Röntgenapparat schicken. Bei der Einreise nach Peru hatten wir schon den zeitaufwändigsten Grenzübertritt der Reise. Jedoch hervorgerufen durch viel Lauferei um notwendige Vordrucke zu beschaffen, die Gepäckkontrolle war Formsache und mit unserer Angabe, was sich in den Koffern befindet abgehandelt. Ich beobachte, dass Theo beide Koffer öffnen muss, also nehme ich meine Sitzbank ab und öffne die drei Deckel meiner Behälter. Der Zöllner versenkt tastend seine Hand in den Inhalt meines Gepäcks, verzichtet aber darauf alles auspacken zu lassen. Ich fülle Vordrucke in vierfacher Ausführung ohne Durchschlag viermal aus, reise aus Peru aus, melde die Africa Twin ab, Reise in Chile ein, deklariere das Motorrad in Chile.

Theo gibt Gas. Vor Arica biegen wir in auf die Ruta Deserto Richtung Putre ab. Detlef, den wir in der Villa Kunterbunt in Valparaiso kennengelernt hatten, der mit seinem Begleiter Günter dieses Gebiet schon bereist hatte, berichtete mir, dass die Auffahrt nach Putre durch eine abwechslungsreiche Landschaft führe. Ich sehe zunächst nur wieder monotone Wüstenlandschaft und kämpfe beim Überholen mit den schwarzen Rauchwolken, der feste arbeitenden Lastwagenmotoren. Doch hinter dem kleinen Pueblo Zapahuira wird die Ruta 11 motorradfreundlich kurvig. In der Ferne taucht der mit etwas Schnee bedeckte Vulkan Taapaca auf. Der fokussiert meinen Blick auf den verbleibenden Kilometern bis Putre und zwingt mich mehrmals anzuhalten und zu fotografieren.

Bei einem letzten Halt auf einem Parkplatz mit Blick auf unseren heutigen Zielort, lernen wir den siebzigjährigen Günter kennen. Der Motorradfreund hat sich sofort in Theos BMW verliebt. Der mit einem Tour Guide Reisende übernachtet auch in Putre, um morgen den Lago Chungara zu besuchen. Bei meiner abendlichen Ortsbesichtigung treffe ich Günter mit Guide, auf deren Weg zum Abendessen. Kurzentschlossen lädt er uns Vagabunden zu einem feudalen Mahl ein. Es tut gut, mal wieder deutsche Themen in deutscher Sprache für einige Stunden zu erleben.

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07. Februar 2014 – Freitag

Fahren, fahren, fahren.

Heute wollen wir Tacna erreichen. Milenka reservierte uns gestern Abend ein Hostal in der Grenzstadt zu Chile hin. Wir wählen die Ruta 34 Richtung Pazifik. Diese Straße zeigt uns ein anderes Peru. Die Wohn- und Geschäftsgebäude sind europäischer, und die Polizisten warnen vor dem überholen bei zwei durchgezogenen Linien in der Fahrbahnmitte. Meistens sehe ich rechts von uns die Brandung des Pazifiks, links Wüste. Doch wir durchfahren Oasenstädte, deren grüne Vegetation mich entzückt. Vielfach wird Reis angebaut. Die Parzellen erhalten das notwendige Wasser über Bewässerungskanäle. Hier scheinen mehrere Ernten im Jahr Standard zu sein. Auf der einen Seite steht erntereifer Mais, auf der anderen gerade einen halben Meter hohe Jungpflanzen. Das Gesamtbild macht einen erheblich reicheren Eindruck als das übrige Peru, was ich erlebt habe.

Wir erreichen spät Tacna, hoffen auf ein gutes Abendessen, damit wir Morgen gestärkt bis zum  Putre Nationalpark in Nordchile kommen.

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06. Februar 2014 – Donnerstag

Es ist trocken, bewölkt und recht frisch bei meiner Abfahrt von der Hosteleria Tradicion Colca. Ich sitze bereits vor sieben Uhr auf dem Sitz meiner Africa Twin. Grund für den frühen Aufbruch sind die Condore, die am Mirador Cruz del Condor jeden Morgen aufs Neue, sich mit der durch die Sonnenstrahlen einsetzenden Thermik in die Luft schwingen, um Nahrung zu organisieren. Nach wenigen Kilometer endet die komfortabel zu fahrende Asphaltstraße. Die kommenden 30 Kilometer führen über eine streckenweise mit tiefen Schlaglöchern übersäten Naturstraße. Es herrscht bereits reger Verkehr. Zumindest die ausnahmslos weißen Kleinbusse haben das gleiche Ziel wie ich. Viele Tour Guides zeigen ihren Gruppen einige Einblicke in die zweittiefste Schlucht der Welt bevor sie zum Condor Mirador weiterfahren. Ich eile schnell möglichst durch zu meinem Tageshighlight.

Die in ihren farbenfrohen Trachten gekleideten Marktsenoras breiten noch ihre Souvenirwaren aus, als ich das weitläufige, mit vielleicht fünfzig Touristen bevölkerte, Areal des Miradors betrete. Ein aus dünnen Baumstämmen errichtetes Geländer sperrt den Zuschauerbereich von der Condor Schlucht ab. Tatsächlich findet mein Blick einen dieser Vogelriesen auf einem Felsen hockend dreißig, vierzig Meter vor mir. Er putzt sein Gefieder, dreht den Kopf mal links, mal rechts herum.

Die berliner Reisegruppe, die ich bereits gestern auf der Passhöhe getroffen hatte, war schon vor mir hier am Aussichtspunkt. Einer aus der Gruppe, Tomas, berichtet mir, dass der Anstandscondor, der einzige hier sei und er schon eine kurze Flugrunde hinter sich hat. Mangels ausreichender Thermik habe ich noch das Glück ihn zu erleben. Ich richte meinen Fotoapparat auf den Vogel und möchte seinen Sturz in den Canyon Abgrund einfangen. Mir kommt der Perito Moreno Gletscher in den Sinn, an dem ich ein abbrechendes Stück Eis beim Eintauchen in den Lago Argentinia knipsen wollte. Damals war es ein Vögelchen, dessen hämisches Gezwitscher meiner langen Geduld ein Ende machte und mich meinen Eisblock verpassen ließ, heute ist es die Ablenkung durch ein Gespräch mit einem Landsmann, welches der Condor ausnutzt zu Starten ohne auf meinen Chip zu kommen.

Die Sonne wärmt nicht nur die Colca Schlucht auf, mir tun die wärmenden Strahlen auch gut. Immer mehr Kleinbusse füllen die Parkplätze. Pesch gehabt, denke ich mir, da seid ihr wohl zu spät. Doch ich bin froh, dass ich unrecht habe. Wie aus dem nichts inspiziert einer der Condore die Zuschauerränge. Erhaben, lautlos, unantastbar schwebt er quasi in Augenhöhe an uns vorbei. Scheinbar verweilt er kurzzeitig, um  sich einen Zuschauer besonders gut anzuschauen, bevor er seinen genussvollen Flug fortsetzt. Seine Kumpel tauchen, genau wie er aus den nicht einsehbaren Tiefen der Schlucht auf. Alle Kondore schweben auf unserer Höhe einige Runden, bevor sie von der aufsteigenden Wärme hoch in den Himmel getragen werden.

Ich schaue mir noch ein paar andere Punkte des Miradors an. An einer Stelle kann ich die im Tal fließende Colca erkennen. Es soll hier 1200 Meter tief hinuntergehen. Mit diesem einzigartigen Naturschauspiel im Bauch setze ich zusammen mit Theo die Fahrt fort. Doch der Mirador Cruz del Condor bleibt heute für mich der Höhepunkt. Wir drehen am Ende des Canyons, überwinden die Passhöhe von fast 5000 Meter ein zweites Mal und erreichen abends unser liebgewonnenes Hostal in Arequipa zum dritten und letzten Mal auf dieser Reise.

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05. Februar 2014 – Mittwoch

Dieselgeruch liegt in der Luft. Von der gegenüberliegenden Straßenseite fließt mir eine Flüssigkeit entgegen, die den ansonsten hellgrauen Asphalt pechschwarz einfärbt. Eine Menschentraube schaut gespannt dem Bergungsversuch eines auf dem Dach liegenden Lastwagens zu. Mir zeigt sich der komplette Sattelzug von unten. Der Auflieger war mit einer monströsen Baggerschaufel beladen gewesen, die das komplette Fahrzeug in der Serpentinenkurve umgerissen hatte. Ein zweiter Lastwagen liegt umgekippt dahinter. Von dessen zerborstenen Tank strömt der Diesel zu mir herüber.

Theo und ich unternehmen heute den dritten Versuch den Colca Canyon zu besichtigen. Erstaunlich schnell sind wir aus Arequipa herausgefahren. Wir überholen ein paar Fahrzeuge auf der verkehrsarmen Ruta 34a. Dann sehe ich stehende Fahrzeuge. Südamerikanisch ziehen wir gemächlich an diesen vorbei, werden jedoch gleich von einem Polizisten in eine Lücke zwischen zwei Lastwagen geleitet. Untypisch, denke ich mir. Eine Vierachszugmaschine soll vorziehen. Ich steige vom Motorrad, klettere den Berg hoch, um auf die weiterführende Straße zu blicken. Von dort sehe ich die Unfallstelle. Die Zugmaschine soll den umgestürzten Lastwagen bergen. Nachdem zwei Versuche fruchtlos bleiben, löst sich die Menschentraube in Richtung der stehenden Fahrzeuge hin auf. Die Dieselspuren sind mit reichlich Erde vom Fahrbahnrand abgestreut, die Polizei gibt einseitig den Verkehr frei.

Von der Ruta 34a zweigen wir auf die Ruta 34e. Wir sind bereits über 4000 Meter bevor wir den Abzweig nach Chivay ins Colca Tal passieren. In Arequipa fuhren wir bei sommerlichen Temperaturen und wolkenlosem Himmel los. Je näher wir der Passhöhe von beinahe 5000 Meter kommen, desto mehr friere ich. Aus den Wolken fallen vereinzelte Schneeflocken. Trotz der merklich dünnen Luft, halte ich an der Passhöhe und bitte die jüngste der vier Souvenirverkäuferinnen mich zu fotografieren. Die älteste grölt gleich zu uns, one Dollar, herüber. Die nette junge Seniorita lässt sich das nicht anmerken, versteht meinen gewünschten Bildausschnitt und findet ohne meine Erklärung den Auslöser. Ich schaue mir ihre Waren an, suche aus den Sachen, die mir alle gefallen, eine Mütze und ein Paar Handschuhe aus, die , so meine Chica, garantiert aus Alpacca Wolle und in Peru hergestellt sind. Ich drücke den geforderten Preis abgrundtief, handle noch ein Foto mit ihr heraus, während die Alte immer wieder one Dollar, one Dollar ruft.

Mit meinen Verhandlungen und Fotopausen habe ich ganz meinen Reisepartner Theo vergessen. Der kommt mir, kurz bevor ich unser ausgewähltes Hostal erreiche, bereits vorwurfsvoll entgegengefahren.

Wir beziehen rasch unser Zimmer, verschnaufen kurz bei einem Kaffee und bummeln noch durch Yanque. Ich hoffe morgen einige der hier beheimateten Kondore in Aktion zu sehen, so wie es den Touristen am Ortseigang von Chivay auf deren Wahrzeichen gelobt wird.

Abends beim Essen werden wir von der Hoteldame zu einer Tanzvorführung dreier in Trachten gekleideter Kinder aus dem Dorf eingeladen. Der Tanz soll einen jungen Mann bei der Auswahl seiner Braut darstellen. Überraschenderweise stehen die zwei französischen Gäste und ich plötzlich mit im Tanzgeschehen. Ein netter Tagesabschluss.

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04. Februar 2014 – Dienstag

Gestern hatten wir dann doch ganz schön viel Strecke abgespult, durch zum späten Nachmittag hin, von der fallenden Sonne hinter uns, stimmungsvoll ausgeleuchteten Landschaft. Kurvenreich ging es über lange Straßenstücke durch Wüstenbereiche, die mehrmals durch agrartechnisch genutzte Flussmündungen unterbrochen waren. Das plötzlich hinter einer Kurve sichtbare Grün wirkte immer wie eine Fata Morgana auf mich.

Heute wollen wir einen zweiten Anlauf auf den Colca Canyon wagen. Nachdem der erste Anlauf an der zu kurzen Akklimatisierungsphase gescheiter war, hoffen wir heute eine Unterkunft nahe Cabanaconde zu erreichen. Nach einer erholsamen Nachtruhe, einem mäßigen Frühstück sitzen wir wieder im Sattel, gestatten unserem liebsten Freund, dem Bankomaten, noch einen Besuch, geben einen Teil was er uns ausgespuckt hat gleich an den Tankwart weiter. Schnell und unspektakulär erreichen wir den Abzweig auf die Ruta 1SE. Eine Pause vor dem 150 Kilometer langen run aufs Ziel pausieren wir kurz. Bauern bearbeiten die Felder, während ich hinter einer Mauer Kühe sehe, die sich unter einem Sonnenschutz aus Stoffgewebe auszuruhen scheinen. Noch nicht mal richtig Gas gegeben endet auch schon die Asphaltstraße. Ernüchtert fahren wir widerwillig vielleicht fünf Kilometer die Piste entlang in der Hoffnung, dass gleich der Asphalt wieder auftaucht. Wir beratschlagen.

Heute fahren wir in unser bekanntes Domizil nach Arequipa. Von dort wollen wir morgen den dritten Anlauf wagen.

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03. Februar 2014 – Montag

Wüste, Wüste, Wüste. Die Erinnerungen an die lange Zeit in der Atacama bestätigen sich. Einschläfernde, monotone Geradeauspassagen, Hitze, die mit Fahrtwind noch erträglich sein mag, bei einer Rast in der prallen Sonne gleich alle Schweißdrüsen in Aktion setzt, blasse Grautöne, die den Augen keine Reizüberflutung bieten. Der Motor brummt mit 5000 Touren, automatisch schweift mein Blick alle paar Minuten auf die Naviuhr, dann auf die Wassertemperaturanzeige, dann auf die Öldruckkontrolllampe. Ein infernalischer Knall unterbricht den Fahrtrott, schwarze Fetzen fliegen vor mir durch die Luft, es qualmt blau. Die Bremsleuchten des 100 Meter vor mir fahrenden Lastwagens leuchten auf. Mit mäßigem Tempo fahre ich an den rechts heranfahrenden Lastwagen vorbei. Bei einem späteren Stopp in einer Ansiedlung hält auch der Lastwagen neben uns. Die Reste des geplatzten Reifens hängen noch an der Felge.

Das knappbemessene Frühstück heute Morgen beschert mir gegen Mittag  erneuten Appetit. Ich nehme den Service eines Straßenstandes in Anspruch. Zwei junge Senoritas, deren Mutter und ein gerade lauffähiger Chico scheinen von diesem Stand zu existieren. Ein huevo wird in die Pfanne gehauen, ein Panecillo aufgeschnitten, ein paar Scheiben tomates dazu, fertig ist mein schmackhaftes Mahl. Das Foto der schüchtern wirkenden Köchin ist gratis.

Nach fast 200 Kilometer erreichen wir Puerto Inka. Ein unbefestigter drei Kilometer langer Weg führt uns zu einer malerischen Pazifikbucht. Es gefällt uns so gut, dass wir überlegen hier für heute zu  übernachten und den Rest des Tages an der spärlich bevölkerten Bucht zu genießen. Mein Verhandlungsgeschick reicht jedoch nicht aus, dem Hotelmanger mein Preislimit schmackhaft zu machen. Nach ausgiebiger Pause fahren wir weiter. 200 Kilometer schaffen wir noch bis Camana.

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02. Februar 2014 – Sonntag

Gegen halb drei in der Nacht werde ich von durch mein offenes Fenster eindringende Andenmusik geweckt. Ich lausche eine Zeit lang den immer ein wenig melancholisch anmutenden Klängen, finde aber keinen neuen Schlaf. Auch das dämmen  der direkt in mein Zimmer hineinleuchtenden Straßenlaterne mit dem Vorhang hilft nicht. Jedes Geräusch auf der Plaza lässt mich aufstehen. Ein Peruaner, der eine Sackkarre über die holprige Straße schiebt, das Klocken harter Schuhsolen von Spätheimkehrern auf dem Weg nach Hause, das Schluchzen einer Senora, die von einem Mann getröstet wird. Ich glaube gerade einzudösen, als sich mein Bett bewegt. Gleich wieder hellwach, stehe ich am Fenster. Die Stromleitungen schwingen noch nach. Das war der erste Erdstoß, den ich auf dieser Reise bewusst wahrgenommen habe.

Heute fahren wir weiter Richtung Westen. Wir überqueren ein letztes Mal ein Hochplateau von über 4000 Meter Höhe. Die Vegetation wird mit jeder Stunde Fahrzeit dünner, die Temperatur steigt stetig an. Eine lange kurvenreiche Abfahrt Richtung Pazifikküste führt uns frühzeitig nach Nazca. Ein im Schatten an seinem Motorrad stehender, telefonierender Einheimischer wird mein Opfer. Als sein Gespräch beendet ist, stelle ich mich ihm vor und frage nach einer Hostalempfehlung. Hilfsbereit schickt er mich zu einem nahegelegenen Hotel. Er merkt mir meine Ablehnung an und geht mit mir ins zweite Hotel. Volltreffer. Wir können die Motorräder direkt vor unserem Bungalow parken und haben eine kleine Veranda, von der wir den üppig bewachsenen Innenhof genießen können. Schnell packen wir etwas Gepäck vom Motorrad und brechen bei hochsommerlichen Temperaturen in Richtung des Aussichtspunkts auf, von dem die Nazca Linien zu sehen sind. Mitten in einer ebenen Geröllwüste, steht  gleich neben der Panamericana ein Besucherturm, den man gegen geringes Eintrittsgeld besteigen kann. Tatsächlich, die Linien der Inka Reliefe erkenne ich bereits nach dem Ersteigen des ersten Podestes. Aus maximal 20 Meter Höhe kann ich, gekühlt von einem heftigen Wüstenwind, zwei ungefähr 100 Meter messende Figuren erkennen. Am Souvenirstand sehe ich auf Ansichtskarten eine weitere dritte Figur, die offensichtlich besser zu erkennen ist, wenn man einen Rundflug über das weitläufige Areal mitmacht.

Wir kehren schnell in die Metropole Nazca zurück, ich entledige mich meiner Motorradkluft, genieße die erfrischenden Früchte, die ich am Marktstand direkt vor dem Hotel geholt habe.

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01. Februar 2014 – Samstag

Obwohl Motorräder in Peru keine Straßennutzung entrichten müssen halte ich an der Mautstelle an. Ich will den Mautkassierer fragen ob er ein großes Reisemotorrad bereites hat passieren sehen. Der möchte jedoch erst die Soles der Lastwagen kassieren und zeigt mit einer Handbewegung zur anderen Straßenseite. Ich gehe zur telefonierenden Senora. Da ist wohl der Liebste an der anderen Hörermuschel. Ich warte kurz, dann gehe ich zu einem Obstverkaufsstand gleich hinter der Mautstation. Ja, da ist ein solches Motorrad in meiner Fahrtrichtung vorbeigefahren. Mit ein paar Aprikosen im Tankrucksack nehme ich die Verfolgung auf.

Die open street maps, die auf unseren Navis installiert sind haben keine Städtenamen auf der von uns gewählten Ruta 30a eingezeichnet, so dass Theo und ich heute keinen gemeinsamen Zielpunkt ansteuern. Die gut zu befahrende, aus endlosen herrlich geformten Kurven bestehende Ruta lässt ein flottes Tempo zu. Ich habe Theo bei einem Überholmanöver eines Sattelzuges aus den Augen verloren. Vom meinem Gefühl her, hätte ich ihn aber lange schon einholen müssen, weshalb ich mir eine Bestätigung geholt habe.  Nach weiteren 15 Minuten Fahrt habe ich meinen Amigo immer noch nicht eingeholt. Ich frage nochmals drei am Straßenrand sitzende Peruaner. Die versichern mir in der letzen halben Stunde kein Motorrad hier gesehen zu haben. Verunsichert drehe ich, fahre zur Mautstelle zurück, spreche mit einem Polizisten. Der fragt seine Kollegen, die Theo mit Sicherheit gesehen hatten. Er telefoniert mit der nächsten, 80 Kilometer entfernten Mautstelle, um dort Theo von meinem Aufenthalt zu unterrichten. Alles was umständlich ohne Handyverbindung. Ich beschließe die nächste Mautstelle anzufahren und hoffe ihn bis dahin wiederzutreffen. Und tatsächlich kommt mir Theo, der lange auf mich gewartet hatte irgendwann entgegen.

Lang steigt die Ruta 30a unauffällig auf über 3000 Meter. Das Pueblo, in dem wir übernachten wollten haben wir verpasst und steigen in vielen Kehren auf über 4500 Meter hinauf. Gebannt von der Landschaft gönne ich mir zahlreiche Fotopausen. Mein Organismus verkraftet die Höhenluft inzwischen offensichtlich deutlich besser als noch in Puno am Titicacasee. Das erreichte Hochplateau zieht sich. Ich hoffe mit jeder Serpentinenstrecke, die mir mein Navi anzeigt, endlich wieder an Höhe zu verlieren, doch die Ruta schlängelt sich um die vielen Hügel der Umgebung. Der Himmel verfinstert sich. Kurz bevor ich in die gewittrige Graupelschauer einfahre, verpacke ich mich und den Tankrucksack wasserfest. Der Graupel bedeckt die Fahrbahn. Ein vor mir fahrender Lastwagen zerdrückt mit seinen breiten Reifen den Graupelmatsch. Ich nutze die Spur. Mir ist kalt. Die Griffheizung wärmt die Innenhand, doch die Fingerkuppen sind schon gefühlslos. Nach einer viertel Stunde hört der Horror auf.

Endlich verliere ich an Höhe. Ich hole eine offene Rikscha ein. Der auf der Ladefläche rückwärts mitfahrende Beifahrer winkt mir mit einen Fisch in der Hand entgegen. Habe ich Halluzinationen? Kurz nach dem Überholen der Rikscha ohne den Fisch gekauft zu haben, treffe ich Theo am Straßenrand. Er hatte auch ein paar Hagelkörner abbekommen. Es geht bergab. In Puquio fängt uns ein geschäftstüchtiger Peruaner uns am Plaza ab. Weniger Komfort für teures Geld verkauft er uns.

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