14. Februar 2014 – Freitag

Ich verlasse das mit Unmengen an Abgasen belastete Potosi in Richtung Süden und mache ein letztes Foto. Aus dieser Perspektive sieht man der Stadt nicht ihre Verschmutzungen durch den umweltbelastenden Minenbau an. Wie bereits gewohnt, will ich an der Mautstation rechts neben dem Zahlhäuschen passieren. Doch einer der kräftigen Wegelagerer zwingt mich zum Anhalten. Zehn Bolivianos, ungefähr ein Euro, will er. Ich mache ihn glücklich.

Ab hier fahre ich durch ein Bolivien, das ich nicht mehr erwartet hatte. Die Fahrbahn ist neu, führt kurvenreich durch eine farbenprächtige Landschaft, die vom tiefblauen Himmel mit buschig weißen Wölkchen begrenzt wird. Die Kräfte der Natur haben zahlreiche Canyons geschaffen, die sich tief in die Oberfläche eingearbeitet haben. Immer wieder fahre ich an einzelne oder zu einem Pueblo zusammengestellten Behausungen vorbei, die sich mit ihren Lehmsteinen und Schilfdächer harmonisch in die Umgebung integrieren. In den saftig grünen Ebenen weiden stattliche Viehherden, wobei Alpakas neben einigen Kühen, Pferden und Esel, am häufigsten vertreten sind. Meine Pausen sind viel zu kurz, um die Eindrücke greifen zu können.

Doch heute heißt das Ziel Uyuni. Wie oft habe ich zu Hause mir Bilder des Salar angeschaut, beeindruckende Videos in youtube angeschaut und Beschreibungen in Reiseberichten aufgesogen. Für mich ein Highlight dieser Reise. Hinter der letzten Kehre schaue ich nun hinunter auf Uyuni. Rechts von mir hängt tief ein Gewitter in den Bergen, der Donner mahnt mich weiterzufahren. Doch eine kurze Pause muss sein, um die im Sonnenlicht blinkenden Blechdächer der Hochlandstadt in der weiten kargen Landschaft zu betrachten. Trotz meiner erhöhten Position kann ich den Salar nur erahnen.

Am Ortseingang treffe ich Theo, mit dem ich zunächst auf Unterkunftsuche gehe. Das stadttypisch schmutzig anmutende Uyuni hat durch den Touristenmagnet einiges an Hostals und  Hotels zu bieten, was die Suche nicht verkürzt. Letztendlich finden wir was passendes für die Motorräder und uns. Schnell deponieren wir einen Teil des Gepäcks im Hotelzimmer, um noch zum, wie wir an der Rezeption erfahren, 30 Kilometer entfernten Salar zu fahren.

Die neue schnurgerade Straße ist soweit vorbereitet, dass in Kürze die Asphaltdecke aufgetragen werden kann. Doch wir genießen noch die ursprüngliche Piste. Die uns entgegenkommenden Touristenjeeps wirbeln ordentlich Staub auf, der uns kurzzeitig  die Sicht raubt. In Cochani zeigt uns ein Hinweisschild, dass wir rechtsabbiegen müssen und noch fünf Kilometer zum Salar fahren müssen. Das Licht ist trotz der leicht getönten Motorradbrille schon gleißend. Die Umgebung erscheint surreal, so als hätte man die Erde verlassen und einen anderen Planeten betreten. Ein Mahnmal auf einen Parkplatz lässt uns anhalten. Hier befindet sich die Zufahrt auf den Salar, über den eine offizielle Piste verläuft. Aber der Salar steht unter Wasser. Sind noch unsere Bekannten aus Valparaiso, Günter und Detlef, im Oktober über den Salar zur Insel Incahuasi gefahren und haben dort im Zelt übernachtet, hat seitdem die Regenzeit den Salar geflutet. Nur die Touristen Guides karren Unmengen an Schaulustigen in und auf den Dächern der Jeeps durch das 20 bis 30 Zentimeter tiefe Wasser über den Salar. Ich hatte auch zu Hause davon geträumt, zu erfahren wie lange man sich traut mit geschlossenen Augen sein Motorrad weiterzufahren oder die skurrile Insel zu besichtigen. Doch die Stimmung hier am Rande des Salar de Uyuni ist schon überwältigend. Ich versuche die Eindrücke in die Kamera zu bekommen und eine nette auf dem Fahrrad reisende Amerikanerin hilft mir bei meinen recht geglückten Perspektivfotos.

Ein rundum geglückter Reisetag.

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07. Februar 2014 – Freitag

Fahren, fahren, fahren.

Heute wollen wir Tacna erreichen. Milenka reservierte uns gestern Abend ein Hostal in der Grenzstadt zu Chile hin. Wir wählen die Ruta 34 Richtung Pazifik. Diese Straße zeigt uns ein anderes Peru. Die Wohn- und Geschäftsgebäude sind europäischer, und die Polizisten warnen vor dem überholen bei zwei durchgezogenen Linien in der Fahrbahnmitte. Meistens sehe ich rechts von uns die Brandung des Pazifiks, links Wüste. Doch wir durchfahren Oasenstädte, deren grüne Vegetation mich entzückt. Vielfach wird Reis angebaut. Die Parzellen erhalten das notwendige Wasser über Bewässerungskanäle. Hier scheinen mehrere Ernten im Jahr Standard zu sein. Auf der einen Seite steht erntereifer Mais, auf der anderen gerade einen halben Meter hohe Jungpflanzen. Das Gesamtbild macht einen erheblich reicheren Eindruck als das übrige Peru, was ich erlebt habe.

Wir erreichen spät Tacna, hoffen auf ein gutes Abendessen, damit wir Morgen gestärkt bis zum  Putre Nationalpark in Nordchile kommen.

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05. Februar 2014 – Mittwoch

Dieselgeruch liegt in der Luft. Von der gegenüberliegenden Straßenseite fließt mir eine Flüssigkeit entgegen, die den ansonsten hellgrauen Asphalt pechschwarz einfärbt. Eine Menschentraube schaut gespannt dem Bergungsversuch eines auf dem Dach liegenden Lastwagens zu. Mir zeigt sich der komplette Sattelzug von unten. Der Auflieger war mit einer monströsen Baggerschaufel beladen gewesen, die das komplette Fahrzeug in der Serpentinenkurve umgerissen hatte. Ein zweiter Lastwagen liegt umgekippt dahinter. Von dessen zerborstenen Tank strömt der Diesel zu mir herüber.

Theo und ich unternehmen heute den dritten Versuch den Colca Canyon zu besichtigen. Erstaunlich schnell sind wir aus Arequipa herausgefahren. Wir überholen ein paar Fahrzeuge auf der verkehrsarmen Ruta 34a. Dann sehe ich stehende Fahrzeuge. Südamerikanisch ziehen wir gemächlich an diesen vorbei, werden jedoch gleich von einem Polizisten in eine Lücke zwischen zwei Lastwagen geleitet. Untypisch, denke ich mir. Eine Vierachszugmaschine soll vorziehen. Ich steige vom Motorrad, klettere den Berg hoch, um auf die weiterführende Straße zu blicken. Von dort sehe ich die Unfallstelle. Die Zugmaschine soll den umgestürzten Lastwagen bergen. Nachdem zwei Versuche fruchtlos bleiben, löst sich die Menschentraube in Richtung der stehenden Fahrzeuge hin auf. Die Dieselspuren sind mit reichlich Erde vom Fahrbahnrand abgestreut, die Polizei gibt einseitig den Verkehr frei.

Von der Ruta 34a zweigen wir auf die Ruta 34e. Wir sind bereits über 4000 Meter bevor wir den Abzweig nach Chivay ins Colca Tal passieren. In Arequipa fuhren wir bei sommerlichen Temperaturen und wolkenlosem Himmel los. Je näher wir der Passhöhe von beinahe 5000 Meter kommen, desto mehr friere ich. Aus den Wolken fallen vereinzelte Schneeflocken. Trotz der merklich dünnen Luft, halte ich an der Passhöhe und bitte die jüngste der vier Souvenirverkäuferinnen mich zu fotografieren. Die älteste grölt gleich zu uns, one Dollar, herüber. Die nette junge Seniorita lässt sich das nicht anmerken, versteht meinen gewünschten Bildausschnitt und findet ohne meine Erklärung den Auslöser. Ich schaue mir ihre Waren an, suche aus den Sachen, die mir alle gefallen, eine Mütze und ein Paar Handschuhe aus, die , so meine Chica, garantiert aus Alpacca Wolle und in Peru hergestellt sind. Ich drücke den geforderten Preis abgrundtief, handle noch ein Foto mit ihr heraus, während die Alte immer wieder one Dollar, one Dollar ruft.

Mit meinen Verhandlungen und Fotopausen habe ich ganz meinen Reisepartner Theo vergessen. Der kommt mir, kurz bevor ich unser ausgewähltes Hostal erreiche, bereits vorwurfsvoll entgegengefahren.

Wir beziehen rasch unser Zimmer, verschnaufen kurz bei einem Kaffee und bummeln noch durch Yanque. Ich hoffe morgen einige der hier beheimateten Kondore in Aktion zu sehen, so wie es den Touristen am Ortseigang von Chivay auf deren Wahrzeichen gelobt wird.

Abends beim Essen werden wir von der Hoteldame zu einer Tanzvorführung dreier in Trachten gekleideter Kinder aus dem Dorf eingeladen. Der Tanz soll einen jungen Mann bei der Auswahl seiner Braut darstellen. Überraschenderweise stehen die zwei französischen Gäste und ich plötzlich mit im Tanzgeschehen. Ein netter Tagesabschluss.

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04. Februar 2014 – Dienstag

Gestern hatten wir dann doch ganz schön viel Strecke abgespult, durch zum späten Nachmittag hin, von der fallenden Sonne hinter uns, stimmungsvoll ausgeleuchteten Landschaft. Kurvenreich ging es über lange Straßenstücke durch Wüstenbereiche, die mehrmals durch agrartechnisch genutzte Flussmündungen unterbrochen waren. Das plötzlich hinter einer Kurve sichtbare Grün wirkte immer wie eine Fata Morgana auf mich.

Heute wollen wir einen zweiten Anlauf auf den Colca Canyon wagen. Nachdem der erste Anlauf an der zu kurzen Akklimatisierungsphase gescheiter war, hoffen wir heute eine Unterkunft nahe Cabanaconde zu erreichen. Nach einer erholsamen Nachtruhe, einem mäßigen Frühstück sitzen wir wieder im Sattel, gestatten unserem liebsten Freund, dem Bankomaten, noch einen Besuch, geben einen Teil was er uns ausgespuckt hat gleich an den Tankwart weiter. Schnell und unspektakulär erreichen wir den Abzweig auf die Ruta 1SE. Eine Pause vor dem 150 Kilometer langen run aufs Ziel pausieren wir kurz. Bauern bearbeiten die Felder, während ich hinter einer Mauer Kühe sehe, die sich unter einem Sonnenschutz aus Stoffgewebe auszuruhen scheinen. Noch nicht mal richtig Gas gegeben endet auch schon die Asphaltstraße. Ernüchtert fahren wir widerwillig vielleicht fünf Kilometer die Piste entlang in der Hoffnung, dass gleich der Asphalt wieder auftaucht. Wir beratschlagen.

Heute fahren wir in unser bekanntes Domizil nach Arequipa. Von dort wollen wir morgen den dritten Anlauf wagen.

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