31. Januar 2014 – Freitag

Erstaunlich schnell verlassen wir das Verkehrschaos von Cusco. Das bunte Treiben rechts unseres Weges lässt uns frühzeitig pausieren. Ein großer Bauernmarkt ist aufgebaut. Kühe werden verhökert, aus Lautsprecher werden billiges Obst und Gemüse angepriesen. An einem Stand erstehe ich vier Äpfel für einen Sol. Ich zahle der inmitten der Früchte sitzenden Marktsenora den Betrag. Die gleich daneben liegenden Weintrauben soll ich bei ihrer Nachbarin, die neben mir steht, bezahlen. Die sicherlich einen halben Meter kleiner als ich gewachsene  Senora kichert mich an, stellt ihren kleinen Fuß neben meinen Motorradstiefel. Alle Marktweiber die uns beobachten kichern mit. So exotisch wie mir die Menschen in diesem Erdteil vorkommen, genauso exotisch erscheine ich ihnen. Zum Abschied drücke ich die quirlige Peruanerin, der dies nicht unangenehm ist.

Unser Weg geht heute über zwei mehr als 4000 Meter hohe Pässe. In dem dazwischen liegenden Tal verspüren wir nach langer Zeit mal wieder Hochsommertemperaturen. Ich muss meinen molligen Einteiler wegen Überhitzung in einer Fahrtpause ausziehen. Ein Tiefeingeschnittener Canyon füllt meinen Kamerachip mit vielen Bildern. In Abancay finden wir eine komfortable Unterkunft und gutes Abendessen.
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30. Januar 2014 – Donnerstag

Am späten Vormittag erkunden wir die Umgebung von Cusco. Theo fährt mit mir einige Attraktionen an, die ihm am Tag zuvor auf einer Stadtrundfahrt gezeigt wurden. Kurvenreich fahren wir in nordöstlicher Richtung bis Pisac. Jeder Quadratzentimeter hier, wie ich seit dem Inkavortrag von Alex auf Machupicchu weiß, enthält Inkageschichte. Die Relikte in Form von zerfallenen Natursteinbauten ähneln sich alle, und für keinen wirklichen Historiker wie mich fällt es schwer anhaltende Begeisterung zu empfinden. Ich fahre in eine Schotterstrecke, die mich in das Bergdorf Chahuaytiri bringt. Wieder ist es das Anhalten zum Fotografieren was einen Kontakt zu den Einheimischen herstellt. Ein Mann kommt auf mich zu, ich Grüße mit hola und in meiner Reichweite streckt er mir seine Hand entgegen und erkundigt sich woher ich sei. Ich erkläre ihm einen Teil meiner Reise und warum ich gerade hier Fotografieren will. Zwei andere Männer gesellen sich zu uns. Mein Gesprächspartner stellt mich ihnen vor, neugierige Fragen, die ich nicht verstehe weiche ich mit der Frage ob ich sie auch fotografieren dürfe aus. Sie stellen sich in Position. Diese Augenblicke genieße ich und möge leiden, mehr spanische Sprachkenntnisse zu haben.
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29. Januar 2014 – Mittwoch

Ich bin fünf Minuten vor Weckerablauf wach. Draußen prasselt der Regen auf die Wellblechdächer. Im Bad funktioniert das Licht nicht. Eine Katzenwäsche im Taschenlampenschein muss jetzt reichen. Fernando schaut zum offenen Fenster und meint verschlafen, lluvia todo noche. Kurz nach vier stehe ich mit anderen Machupicchu Wanderern vor dem verschlossenen  Frühstückslokal. Zwanzig Minuten später sitze ich vor einer Tasse Kamillentee, schaue die Butter und die dünnflüssige Marmelade mit meinen drei Tischgenossen an. Nach halb fünf endlich kriegen wir dann die Frühstücksbrötchen. Im Dunkeln gehe ich mit übergezogener Regenkombi, Regenschirm und Marschproviant in einer Plastiktüte zum Einstieg des Machupicchu. Doch der ist streng bewacht. Ein Inkaenkel verlangt Pass und Eintrittsticket. Das habe ich alles unter dem verschlossenen Regenkomi. Ich lege den Schirm und die Tüte beiseite, fummle die Kombi auf, warte bis er meinen Papieren einen zustimmenden Blick zuwirft, packe alles wieder ein, und kämpfe mich die endlosen aus gebrochenen Felssteinen geformten Stufen hoch. Rasch steigt meine Temperatur unter der nach außen und innen Wasserdichten Kombi. Oft verweile ich nach Luft schnappend, tue aber so als wolle ich die sportliche Jugend vorbeilassen. Die Dämmerung setzt ein, ich kann den Weg ohne Taschenlampenlicht richtig einschätzen. Nach anderthalb Stunden erreiche ich total verschwitzt den Sammelplatz, an dem wir Touristen den Inkaguids zugeteilt werden. Unter einem Schutzdach lüfte ich mich. Aus meinem Oberhemd und dem Merinofunktionshemd wringe ich einigen Schweiß heraus. Die gegen Bezahlung nutzbare Toilette hat auch einen Händetrockner, mit dem ich mein Unterhemd etwas trockener bekomme. Ich höre wie mein Name draußen gerufen wird. Ich werde der englischsprachigen Gruppe zugeteilt, angeführt von einem Inkaenkel namens Alex.

Wir durchschreiten einen letzte Kontrollstation, zeigen ein letztes Mal Eintrittsticket und Reisepass, und mit den ersten Sätzen die Alex uns gegenüber äußert, geht für mich trotz des feuchten, dunstigen, mit tief in den Berggipfeln hängende Wolken die Sonne auf. In mehr als zwei Stunden an verschiedenen Plätzen der riesigen Anlage erklärt er uns die Inkakultur. Die Entstehung der nie beendeten Machupicchu Stadt. Die Organisation  des einst vom heutigen Ecuador bis weit hinunter nach Chile reichenden Reiches. Die soziale Struktur mit einer Ober- Mittel- und Unterklasse. Das Steuersystem. Die Architektur, das Bildungswesen, die Medizintechniken, die Landwirtschaft, die Astrologie, nicht zu vergessen, die Religion, nach der jeder Inka nach seinem Tod in einer höheren, besseren Ebene geboren wird.

Die körperliche Anstrengung deutlich in meinen Knochen spürend, hat dieser Wahnsinnskerl, der sich von jeden unserer Gruppe mit einer Umarmung verabschiedet mit dem Wunsch, tragt meine Geschichte hinaus in die Welt, mir eine neue Sichtweise auf diesen Kontinent geweckt.

Ich steige frühzeitig den Inkatrail hinab, schaffe es noch ein Stück Torte mit einem Kaffee in Aguas Calientes zu genießen bis ein Nobelzug mich zum Hidroelektika zurückbringt.

Gegen 15 Uhr fahre ich mit meinem Chauffeur von gestern und einer heiteren jungen Truppe die lange Strecke nach Cusco zurück. Dabei klaut uns zunächst ein Bergrutsch, der über eine Stunde lang Felsmassen über unsere Piste ins Tal befördert, dann ein festgefahrener Lastwagen und kurz vor Cusco ein geplatzter hinterer Reifen soviel Zeit, dass ich erst gegen 22 Uhr 30 mein Hostal total erschöpft erreiche.

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28. Januar 2014 – Dienstag

 Um 7 Uhr 30 soll ich vor dem Hostal vom Kleinbus abgeholt werden. Ich schlinge mir schnell das Frühstück rein und stehe parat. Es soll nach Machupicchu gehen. Gestern habe ich euch nicht alles erzählt. Siwar , unser Agent, hat die Trimm Dich Aktion durchs abendliche Cusco natürlich nicht aus Langeweile gemacht. Er hatte mir gleich auf den Zahn gefühlt, ob ich denn an einer Exkursion zu dieser sagenumwobenen Stadt interessiert sei. So klärten wir erst die Unterkunft bevor er mich in seine Agentur lotste. Machupicchu ist kein billiges Vergnügen und ohne etwas von dem Besuchsablauf zu kennen, hatte ich mir eine finanzielle Obergrenze für das Erlebnis gesetzt. So schrieb mir mein Inka eine detaillierte Rechnung, die alle Einzelheiten der Exkursion enthielten. Selbst meine Passnummer wurde darauf dokumentiert. Geld weg Rechnungsdurchlag in der Tasche warte ich jetzt schon eine halbe Stunde auf meinen versprochenen Transfer. Mein Hostalwirt ruft für mich die auf der Rechnung aufgeführte Telefonnummer an. Die Festnetznummer existiert nicht, teilt er mir mit und ans Handy geht zunächst keiner dran. Ich warte weiter 15 Minuten. Mein Hostalwirt erreicht meinen Agenten, der eine Verspätung einräumt. Mehr als eine Stunde verspätet sitze ich im Renault Master mit weiteren 14 durchweg jungen Touristen. Doch wir haben noch nicht die Stadtgrenze von Cusco erreicht, werden wir gestoppt und müssen unsere Buchungsunterlagen und Pässe abgeben. Den würde ich in AguasCalientes wiederbekommen gibt mir die Tourismusbeauftragte zu verstehen. Na dann.

Ich sitze in der hintersten Reihe, schaue gegen den Dachhimmel des Hochdaches und versuche die rasante Fahrweise unseres Chauffeurs, mit abstützen meiner Arme an der vor mir befindliche Rückenlehne auszugleichen. Es geht hinauf auf 4100 Meter. Klar kurvig mit Serpentinen. Unser Fahrer ist einer der schnelleren. Wir überholen nicht nur Lastwagen und seine Konkurrenten, sondern auch viele Autos. Kurven werden generell geschnitten, manchmal dauert der Überholvorgen zu lange für die Sichtweite. Bergab schlängelt sich die Straße entlang des Rios Lucumayu, ein braun verfärbter, wildreisender Fluss. Ab Santa Maria fahren wir über eine schmale Schotterpiste nach Santa Teresa. Es holpert wie verrückt. Auch hier werden eingeholte Fahrzeuge bedrängelt und zum Verbeilassen genötigt. Steil geht es zum tief unter uns fließenden Rio Urubamba  hinunter. Leitplanken Fehlanteige.

Ich freue mich, heil am Parkplatz Hidroelektrika den Kleinbus verlassen zu können. Wieder Personencheck. Alle Personen müssen sich in ein Besucherbuch mit Passnummer und Datum mit Uhrzeit eintragen. Dann gehe ich mit zig anderen Touristen entlang des spärlich präparierten, zwölf Kilometer langen Weges nach Aguas Calientes.  Fast schon dunkel bekommen wir Hostalzimmer zugeteilt. Ich darf mir ein kleines Dreibettzimmer mit den Urugayer Renzo und Fernando teilen. Wir schließen schnell Freundschaft und nutzen die Zeit bis zum Abendessen mit einem Besuch der warmen Quellen des Ortes. Ein ausgedehntes Breefing für den kommenden Machupicchutag folgt, auf Spanisch. Mir und zwei netten israelischen Chicas wir in Englisch das Wesentliche wiederholt. Fakt ist, vier Uhr Frühstück, 4 Uhr 30 Aufbruch Richtung Inkapfad. Draußen regnet es inzwischen Bindfäden.

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27. Januar 2014 – Montag

Noch ist sie Stadt Cusco fast 400 Kilometer von uns entfernt. Auf dem Weg dorthin müssen wir nochmal einen Pass von 4300 Meter überqueren. Die erste Tankstelle heute morgen kann mir nur 84 Oktan anbieten, für die schon niedrigen 90 Oktan müsse ich zurück ins Zentrum von Puno. Da haben wir uns gerade aber erst heraus gekämpft. Viele Baustellen, die unser Navi natürlich nicht kennt, hatten uns zu waghalsigen Wendemanöver in steilen Straßenzügen gezwungen. Mit den schweren Motorrädern ein kräftezehrendes Unternehmen. Ich hoffe also auf mehr Oktan, an der nächsten Tanke auf unserem Weg. Mit vollem 90 er Tank erwartet uns die Stadtdurchfahrt in Juliaca. Wie auf der Hinfahrt nach Puno finden wir das absolute Verkehrschaos mit langen Standzeiten im undurchdringlich wirkenden Stau vor. Dann raus ins offene Land. Rundlich geformte Berghügel grenzen rechts und links die von uns befahrene gut ausgebaute Ruta 3S ein. Weit verstreut erkenne ich Bauernhöfe. Die Gebäude sind aus Lehmsteine gefertigt und mit einem Blechdach geschützt.

Wir halten uns ran mit dem Fahren, erreichen bald die unscheinbare Passhöhe. Von hier aus fällt unser Höhenniveau ständig. Die Vegetation nährt sich der uns gewohnten heimischen an. Fast ausschließlich Maisfelder sehe ich neben Weideflächen mit Kühen und Schafen. Menschen waschen ihre Kleidung im Fluss und breiten die farbenfrohen Wäschestücke auf Grasflächen zum Trocknen aus. Wir haben die vielen Kilometer dann doch noch recht gut abgespult. Eine letzte Pause legen wir in Quiquijana ein, ein paar Fotos vom Treiben an den Marktständen, ein Schluck Wasser und weiter.

In Cusco werden wir an der Plaza de Arma von einem Vermittlungsagenten angesprochen. Zunächst hilft er mir ein öffentliches WIFI nutzen zu können. Ich will sehen ob Lilia, eine Freundin von Malenka, die Hostalbetreiberin aus Arequipa, sich gemeldet hat. Tatsächlich habe ich eine Mail von ihr bekommen, doch das gebotene Niveau scheint mir zu anspruchsvoll. Der von den Inka abstammende Agent namens Siwar, bietet schnell eine Alternative. Er zeigt uns einen Platz zu dem wir hinfahren sollen. Er läuft direkt in diese Richtung. Als wir dort ankommen winkt er uns hektisch zu. Er sieht, dass wir ihm folgen. Siwar sprintet zu einem Hostal, immer sich zu uns umschauend, ob wir auch folgen. Der häufig für Motorräder genutzte Platz steht voll mit Werkzeugen. Schnell wird auf ein nahe gelegenes Hostal umgeschwenkt. Das Motorrad lasse ich geparkt und folge meinem fleißigen Inka. Die Motorräder sollen in die Rezeption. Die Glastür schätze ich las zu schmal ein. Sein dritter Vorschlag, scheitert an den Preisverhandlungen nur knapp. Dann beginnt ein neuer Dauerlauf zum gegenüberliegenden Ende der Plaza. Wir befahren eine schmale, kopfsteingepflasterte Gasse  im dichten Abendverkehr. Siwar zeigt uns einen weiten Bogen an, den wir einschlagen sollen, um über die Bordsteinkante, dann über die Hauszufahrtstufe und über eine weitere mit einem Kantholz vorbereiteten Stufe in den Innenhof zu holpern. Ich muss dreimal korrigieren bevor ich senkrecht zu den Stufen stehe. Die Passanten scheinen zu ahnen was nun geschieht und verweilen. Dreimal hopp. Ich stehe in einen malerischen Innenhof, eines stilvollen, Inkageschichte ausstrahlende Gebäudes.

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26. Januar 2014 – Sonntag

Ohne Kopfscherzen wache ich auf. Zwar wieder nur etappenweise geschlafen fühle ich mich heute fitter als gestern Morgen. Strom ist auch noch da. Ich kriege am Morgen vor dem Frühstück schon einiges erledigt. Theo fühlt auch eine leichte Besserung. Wir machen einen langsamen Spaziergang zum Hafen, beobachten die vielen peruanischen Familien, die mit drei Generationen ihren Sonntagsausflug genießen, kehren in einer der vielen proper gefüllten Garstuben ein. Ohne wirklichen Hunger zu verspüren, bestelle ich dennoch ein Fischgericht. Der Titicacafisch mundet gut. Zurück steigt der Weg leicht an, was uns dazu verleitet das Angebot eines Rikscha Fahrers anzunehmen, ein Erlebnis für sich. Der kleine Rikscha Motor hat ganz schön zu knabbern an seiner massigen Fracht. Hoffentlich hat die Akklimatisierung heute gut gearbeitet.

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25. Januar 2014 – Samstag

Die zwei Stunden Zeitverschiebung kriege ich irgendwie nicht richtig verarbeitet. Fast Schlag sechs wird es hell und fast Schlag achtzehn wird vom lieben Gott das Licht ausgeschaltet. Gestern lag ich übermüdet um neun im Bett, wache um Mitternacht auf, liege lange wach. Gegen sechs stehe ich auf, um mit dem alten Kontinent zu skypen. Das Licht geht nicht an. In der unteren Etage unseres Hostels herrscht reges Treiben. Die französische Reisegruppe wird abgeholt. Maria bestätigt mir, no luz. Ich vertreibe mir die Zeit mit Bilder vom Vortag auszusortieren, schreibe an euch solange der Akku noch mitspielt. Heute Morgen habe ich latente Kopfschmerzen. Als wieder etwas Ruhe im Hostal eingekehrt ist, erkundigt sich Maria mit einem, como esta, nach meinem Befinden. Gegen meine Kopfschmerzen schiebt sie einen Sauerstoffspender zu mir. Ich solle ungefähr fünf Minuten durch die Maske inhalieren. Ich bemerke keine deutliche Verbesserung.

Puno vorgelagert sind die die schwimmenden Inseln der Urus, ein Touristenmagnet am Titicacasee. Ich breche gegen halbzwölf vom Hostel zu Fuß auf, um die Nachmittagstour zu erwischen. Am Puerto angekommen, werde ich von einem geschäftstüchtigen Peruaner, auf einen Ausflug auf die Floating Islands angesprochen. Der Preis passt, er führt mich zu einer Agentur. Eine junge Peruanerin füllt mein Ticket aus und will acht Soles mehr, als zuvor genannt. Ich stehe auf und erinnere an den zunächst genannten Preis. Die Chica ist nun doch mit dem niedrigeren Satz einverstanden. Innerlich triumphierend schenke ich den beiden Schlitzohren je einen Sol.

Soviel Kultur hat die Reise bisher nicht hergegeben. Und wenn mal gegen geringes Eintrittsgeld, ein historisches Objekt besucht wurde, war das Vorgefundene eher enttäuschend. Heute soll es anders werden. Auf dem Boot begrüßt uns ein dynamischer Tourguide. Erst werden die Nationalitäten der Touris gecheckt, dann das bevorstehende Programm umrissen, dann ein Sprachkurs in Quechua abgehalten. Auf dem anschließend freigegebenen Sonnendeck genieße ich die Fahrt über den Lago Titicaca. Und tatsächlich wird unsere Besatzung mit einem lauten kamisaraqui begrüßt, unsere Antwort waliki ist unserem Anführer zu schmalbrüstig. Erst den dritten Versuch lässt er gelten. Wir nehmen auf einer aus Schilf geformten Bank Platz, kriegen einiges über den Titicacasee beigebracht, der Aufbau der schwimmenden Insel wird an einem Modell erklärt, das soziale Gefüge bildhaft beschrieben. Dann bekommen die drei Familien unserer Insel ihre Chance uns mit Traditionellem zu versorgen. Nicht zimperlich werde ich mit zwei Japaner meiner Mannschaft in die kleine Schilfbehausung gedrängt. Schnell sind die in hecha a mano hergestellten Sachen vor uns ausgebreitet. Die Motive der Stickereien werden uns erklärt. Preise werden uns genannt. Wir Drei schaffen es ohne Souvenir aus der Schilfhütte zu kommen. Doch draußen sind in der Zwischenzeit weitere Andenken auf Ständen ausgebreitet. Hier haben sie mich erwischt. Doch ich handele erbarmungslos und fühle mich als Gewinner. Ernsthaft, klar ist es touristisch, aber die Tour hat richtig Spaß gemacht.

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24. Januar 2014 – Freitag

Die Sonne scheint, der Himmel ist nur leicht bewölkt. Heute wollen wir Puno am Lago Titicaca erreichen. Die Oberfläche des Titicacasees liegt bei ungefähr 3800 Meter über dem Meeresspiegel. Wir werden also 1500 Meter höher Übernachten als in unserm Hostal in Arequipa.

Der chaotische Stadtverkehr erscheint mir heute weniger ausgeprägt als an den letzten beiden Tagen. Bereits nach einer halben Stunde sind wir in Perus Natur unterwegs. Und es gibt ihn wirklich, den Vulkan Chachani. Seine in frischem Schnee getünchte Kuppe hebt sich imposant vom Blau des Himmels ab. Da macht das Motorradfahren schon mehr Freude. Das Hochplateau, das Theo und ich bereits vor zwei Tagen im Gewitterschauer befahren hatten, zeigt uns heute seine wahren Ausmaße. Rechts von uns erhebt sich die Rückseite des Chachani majestätisch aus der Ebene, gerade vor uns, aber nur als kleiner Zuckerhut wahrnehmbar, ein weiterer Vulkankegel und links erhebt sich ein Gebirgszug, dessen weiße Gipfel fast die Ebene berühren. Die Auswirkung der Höhe auf meinen Organismus beschäftigt mich heute ununterbrochen. Die Kurzatmigkeit hatte sich in Arequipa etwas bei mir gelegt, doch heute geht es auf über 4500 Meter hinauf. Überrascht bin ich über den Motorlauf der Twin. Klar, dass die Leistung deutlich nachlässt, worauf ich mich gut einstellen kann. Lediglich beim seltenen Überholen eines Lastwagens muss ich den Gegenverkehr bewusster einschätzen. Die Standgasdrehzahl ist um etwa 300 Umdrehungen gefallen, aber selbst bei knapp unter 1000 Umdrehungen tuckert der Motor so gerade noch durch. Nach unserer Verschnaufpause, bei der Theos Verfassung immer noch unbeeindruckt von der Höhe ist, steigt die Straße nochmals 500 Höhenmeter an. Ruhig auf dem Motorrad sitzend verspüre ich nur ein leicht flaues Gefühl, sobald aber körperliche Bewegung mit ins Spiel kommt ist die Kurzatmigkeit sofort wieder da. Auch Theo verspürt jetzt nach längerem Aufenthalt in der Höhe ein flaues Gefühl. Wir müssen vielleicht 70 Kilometer über dieses Hochplateau, das ist eine Stunde Fahrzeit plus Pausen bevor es auf das immer noch sehr hohe Übernachtungsniveau hinuntergeht.

So vor lauter Gesundheitsstress, bin ich natürlich immer auf der Suche nach Motiven, die Land und Leute wiederspiegeln. Der Kulturschock, den ich in den Stadtrandgebieten erlebt hatte, ist hier auf dem Land verdrängt. Ich sehe kleinere und größere Vieherden, die von Hirten begleitet werden. Die Leute arbeiten an ihren Unterkünften, Verkaufen an Marktständen ihre Produkte. Eine Peruanerin wäscht im seichten Flusslauf ihre Kleidung. Vieles hier auf dem Land ist für mich ungewohnt, hinterlässt in mir aber nicht das Gefühl der Armseligkeit. Das Grüßen und Zurückgrüßen funktioniert wieder. Ein einsamer Straßenstand mitten in der Passabfahrt, an dem farbenfrohe Textilien angeboten werden zwingt mich zum Anhalten. Ich lasse mir von einem vielleicht 12 jährigen Mädchen Decken, Mützen, Handschuhe und andere kleine, liebevoll gestaltete Andenken zeigen. Ich deute auf ein kleines Etui, in das ein Handy passen könnte. Zwanzig Soles, umgerechnet fünf Euro will die geschäftstüchtige Chica. Ich schaue sie an und sage pequenio parte mucho caro. Die Mutter hatte mich, den Touristen, wohl bemerkt und kommt aus der nahegelegenen Hütte, um die Verhandlungen weiterzuführen. Das Töchterchen flüstert der Mutter die Situation zu. Ich erstehe zwei der Täschchen für fünfzehn Soles und handle noch ein Erinnerungsfoto mit ihnen an meinem Motorrad heraus.

Endlich verlassen wir die große Höhe und fahren in die 3900 Meter hoch liegenden Stadt Juliaca ein. Theos Navi führt uns entlang einer Straße, die gerade auch als Marktplatz genutzt wird. Trotzdem quetscht sich der Verkehr in beide Richtungen durch den schmalen verbleibenden Raum. Mir kommen muskelkraftbetriebene, mit Frontladefläche versehene Dreiräder, breite moderne Pickups, vierköpfige Familien auf Mopeds und dreirädrige Minitaxis entgegen. Wir müssen mit den breit bepackten Motorrädern und einer buntgemischten Gruppe anderer Gefährte in die andere Richtung. Alle meinen durch intensive Nutzung der Hupe das Chaos schneller entwirren zu können. Doch irgendwann ist es geschafft. Wir bringen die letzen 40 Kilometer nach Puno zügig hinter uns, finden schnell das uns empfohlene Hostal.

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23. Januar 2014 – Donnerstag

Marica, unsere Hostalbetreiberin, fährt mit uns eine gestern bestellte Batterie für Theos R100GS in Arequipa holen. Die erst bei Rafael vor wenigen Wochen erneuerte Batterie ist laut Schauglas defekt. Gestern im dichten Stadtverkehr drehte sie den Anlasser nicht mehr. Erst mit einer Anschiebeaktion brummte der Motor wieder. Ich staune nicht schlecht, als ich im exklusiven Batteriefachladen beinahe jedes Batterieformat, selbst die Vielfalt für die unterschiedlichen Motorradtypen vorfinde.

Als kleine Akklimatisierungstour haben wir die Laguna Salinas, gute 60 Kilometer von uns in östlicher Richtung ausgesucht. Das Verkehrschaos hat sich gegenüber gestern nicht verändert. Die Hauptstraßen sind zweispurig. Dort auf einer Spur mitzuschwimmen ist relativ ungefährlich, obwohl bei Rotphasen die Peruaner aus einer zweispurigen Straße eine dreispurige machen, indem sie sich mit 10 Zentimeter Abstand neben mein Motorrad quetschen. Spannender wird es, wenn man vorwärts kommen will. Theo nutzt Lücken auf beiden Spuren. Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren versuche ich dranzubleiben. Das schwere Motorrad, die schwierige Einschätzung des rückwärtigen Verkehrs mit Spiegel und Kopfdrehung, das ständige Hupen der Fahrzeuge, die im Kabelgewirr oft spät erkennbaren Ampeln, das urplötzliche Stehenbleiben der unzähligen Kleinbusse, um Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen, macht das Stadtfahren für mich zur Tortur.

Auf einer gut geteerten, kurvenreichen Kreisstraße kann ich mich vom Großstadtstress erholen. Ich hatte Marica auf die unzähligen vielleicht drei mal zwei Meter messenden Behausungen auf losem Wüstenboden vor der Stadt angesprochen. Es sind tatsächlich Behausungen für Peruaner. Als ich äußerte, dass ich dort kurzfristige Notunterkünfte für Emigranten vermutet hätte, erklärt sie mir, dass diese an anderen Orten in Zelten untergebracht seien. Genau so einer liegt jetzt rechts von uns. Anders als bei den Behausungen, an denen kaum Menschen zu sehen waren, herrscht hier auf der Straße reges Treiben. Überall haben sich Menschentrauben gebildet, deren Grund nicht erkennbar ist. Ich merke wie ich mit meinem Motorrad von trübsinnigen Gesichtern beobachtet werde. Meine sonst zum Grüßen lockere Hand umklammert fest den linken Griffgummi. Ich blubbere untertourig die mehreren hundert Meter am Lager vorbei, mit dem irrealen Wunsch nicht bemerkt zu werden. Nach einigen Kurven, das Lager ist außer Sicht, halten wir an. Ich muss einige Worte mit Theo tauschen, dem auch das Entsetzen anzumerken ist.

Der Teerbelag endet im Pueblo Chiguata, das um die 20 Kilometer von Arequipa entfernt liegt. Die Menschen hier leben in authentischen Bauernhäusern, Felder sind terrassenförmig angelegt, mit Mais und Gemüse bestellt, hier und da sehe ich Kühe, Schafe, Ziegen auch ein Alpaka ist dabei. Bis zur aufwändig gestalteten Plaza ist unser Weg befestigt. Wenige Leute halten sich draußen auf, alle weit von mir entfernt. Der weiterführende Weg ist mit tiefen Auswaschungen versehen, ich muss die Honda konzentriert lenken. In einer Kehre kommen mir zwei mit weit geöffneten Augen staunende Kinder entgegen. Meine linke Hand versucht einen Gruß auszusenden und wird mit verhaltenem zurückwinken honoriert. Die nächsten drei auf einer Mauer sitzenden Dorfbewohner grüßen mich, dem exotischen vermummten Außerirdischen, zurück.

Mit zaghaften 30 Stundenkilometer schlängeln wir uns der dunklen Wolkenwand, in einer trist wirkenden Hügellandschaft auf 3600 Meter hinauf. Auch heute erreichen wir nicht unser Wunschziel. Nach ausgedehnter Pause drehen wir. Ein Stadtbummel im kolonialen Altstadtbereich zeigt uns den Reichtum, der neben den, nur wenige Kilometer entfernten Armut, existiert. Arm und Reich auf so nah aneinander.

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22. Januar 2014 – Mittwoch

Das Wetter heute soll relativ gut werden, die nächsten Tage dafür schlechter. So beschließen wir heute zum Canyon Rio Colca aufzubrechen. Lange brauchen wir um aus dem bebauten Bereich von Arequipa herauszukommen. Schon bald hinter dem Zentrumsbereich werden die Läden und Behausungen abenteuerlich. Vor einigen geöffneten Toren stehen provisorisch aufgebockte Autos und Kleinlaster mit demontierten Rädern, Mechaniker liegen unter den Fahrzeugen. Neben der Fahrbahn hört sofort die Befestigung auf. Es staubt und überall liegt Müll herum. Dreirädrige, schmalbrüstig motorisierte Transporträder fahren gefüllt mit Obst und Gemüse oder mit Getränken oder mit anderen Artikeln des täglichen Bedarfs. Eine Reihe von zehn, ich will sie Taxen nennen, zwei Drittel so groß wie ein Trabi, wartet am Straßenrand auf Kundschaft. Zahllose Händler in Zweimeter breiten Läden versuchen Nahrungs- und Genussmittel an Kunden zu verkaufen. Gerne würde ich anhalten, um das Treiben zu fotografieren, doch ich schäme mich, die auf mich armselig wirkende Umgebung für mein Urlaubsalbum zu missbrauchen. Je weiter wir uns durch das Verkehrschaos an den Stadtrand vorkämpfen, desto notdürftiger scheinen die Behausungen, desto mehr Müll verschändelt die Umgebung.

Von Arequipa führt die 34A ständig bergauf. Alte überladene Lastwagen schmeißen dichte schwarze Rußwolken aus den Auspuffen. Ich atme tief ein und halte den Atem beim Überholen an. Die wohlgeteerte Hauptstraße schlängelt sich kurvenreich durch eine karstige Hügellandschaft. Bei einer Pause zeigt Garmina bereits eine Höhe von 3400 Meter an. Ich fühle bei mir bereits seit Arequipa eine Kurzatmigkeit, die sich mit der größeren Höhe noch verstärkt. Das Motorrad ohne Motorkraft zu rangieren oder es vom Seitenständer zu heben strengt mich spürbar an. Die schwarzen Gewitterwolken, die die Sicht auf den Vulkan Chachani verdecken, haben ihre Schleusen geöffnet. Fünfzehn vielleicht auch dreißig Minuten gießt es wie aus Kübeln. Als wir das Hochplateau auf über 4000 Metern befahren reißt langsam die Bewölkung auf. Sonnenstrahlen verdampfen das Wasser auf der Straße. Alejandro, ein 27 jähriger Kolumbianer, den wir vor der Regenschauer überholt hatten, hält neben uns. Wir erfahren, dass seine Weltreise mit der 125er openend sein soll. Erst sei Lateinamerika dran, dann in einem oder zwei Jahren soll es nach Europa gehen. Theo und ich beschließen nicht weiter zurm Canyon zu fahren und hier umzukehren. Auf dem Rückweg halten wir doch im Verkehrsgewühl an, um zu versuchen ein wenig des Chaos aufzunehmen.

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21. Januar 2014 – Dienstag

Vor zehn Uhr haben wir uns bei unserer Gastfamilie bedankend verabschiedet. Die Ruta 5 führt uns über Serpentinen hoch ins Hinterland der Pazifikküste. Von einem Aussichtspunkt, der auch von Gleitschirmflieger als Startzone genutzt wird, schauen wir nochmal auf Arica hinunter. Eine 990er KTM und eine 1200er GS fahren auch auf unseren Aussichtspunkt. Die beiden haben die letzte Woche, ihres 10 Wochentrips angebrochen. Erfahrungen und Eindrücke werden ausgetauscht. Ich werde schon etwas ungeduldig, da eigentlich noch die gesamte Strecke bis Arequipa, mehr als 400 Kilometer vor uns liegen. Gegen Mittag erreichen wir die chilenisch peruanische Grenze. Es ist voll. Der Polizeibeamte, der meine Personendaten bearbeitet, schickt mich in ein Nebengebäude, in dem ich einen für die Ausreise notwendigen Vordruck bekommen soll. Ich steige in voller Montur bei mindestens 30 Grad in den zweiten Stock, finde aber nur eine Kantine, in der einige Gäste zu Mittag essen. Resigniert will ich wieder heruntergehen, als mir ein mit Edding beschriftetes A4 Blatt auf das Formular hinweist. Ich spreche eine in Kantinenmitarbeiterin in Küchenkleidung auf das ominöse Formular an, die mit mir zu einem Pult geht und mir im Tausch gegen 1000 Pesos zwei herausgibt. Mit dem ausgefüllten Wisch gehe ich, stolz die chilenische Bürokratie verstanden zu haben, zu meinem Schalterbeamten hin. Der deutet auf die Menschenschlange in der ich mich hinten einreihen soll. Die Ausreise meines Motorrades geht deutlich schneller. Komplett angezogen freue ich mich auf den kühlenden Fahrtwind durchs Niemandsland bis zur peruanischen Zollstation. Leider liegen keine erwarteten 10 bis 20 Kilometer dazwischen sondern ein Kilometer. Wir werden von einem Heer an Zöllnern empfangen. Zwei von ihnen stürmen auf uns zu, weisen uns einen Parkplatz zu und erklären das Vorgehen. Die Emigration bei der Polizei haben wir schnell erledigt. Zurück zu unseren zwei Zöllnern erkenne ich schnell, wer von ihnen der wichtigere ist. Es ist der Dienstältere. Er teilt uns die nächsten zu erledigenden Schritte in einem modernen Englisch Spanisch Misch mit, dass von dem sehr gut englisch sprechenden Jungkollegen berichtigt werden darf. Alles geschieht in einer liebenswerten wenn auch hitzigen Atmosphäre. Wir müssen die Motorräder in Peru deklarieren. In einem klimatisierten Büro dürfen wir platznehmen. Einige Daten aus unserem internationalen Fahrzeugschein werden in den Computer eingegeben, der Wert in US Dollar wird von uns erfragt, wir verlassen das Zollamt mit einem ehrfürchtig erscheinenden Dokument, das einer deutschen Zulassungsbescheinigung in nichts nachsteht. Noch ein paar Stempel hier und da, der Obst- und Drogencheck, ein Deckel meiner Koffer muss der Form halber geöffnet werden und wir nehmen die ersten peruanischen Meter unter die Räder.

Gleich ist es ein Uhr gibt mir Theo durch vor der Weiterfahrt durch. Die Aufregung der Zollformalitäten verarbeitet, wieder dem Rundlauf des Motors lauschend, bemerke ich, dass meine Naviuhr 11:10 anzeigt. Wir sind mit Grenzübertritt in die um zwei Stunden versetzte Zeitzone von Lima eingefahren. In Tacna, der ersten großen Stadt in Peru versuchen wir einen Geldautomaten zu finden, flüchten aber vor dem chaotischen Verkehr. Das Treiben in der Stadt, die vielen kleinen Läden, das ununterbrochene Hupen erinnert mich an nordafrikanische Städte. In Argentinien und zuletzt in Chile ging es bedeutend gesitteter zu. Zweiter Versuch in einer kleineren Stadt namens Moquegua. Dreimal drehen wir Runden durch ein etwas gelasseneres Chaos als in Tacna. Das Nachfragen bei Einheimischen führt uns zu einer malerischen Plaza aus der Kolonialzeit. Wir halten am Straßenrand. Ich merke wie wir von hunderten Augen beobachtet werden. Den Helm abgezogen gehe ich auf einen Peruaner zu stelle mich kurz vor und frage nach dem Bankomaten. Freundlich, fast glücklich darüber, dass ich ihn angesprochen habe führt er mich zu einem Portal, das in eine ehemalige Festungsanlage einlässt und zeigt mir den versteckt platzierten Geldspender. Jetzt bin ich froh wieder in Landeswährung flüssig zu sein, bedanke ich mich nochmals mit Handschlag bei meinem peruanischen Freund und bitte ihn sich mit mir auf der Plaza fotografieren zu lassen. Ein anderer Beobachter bietet sich an meinen Fotoapparat zu bedienen, möchte danach auf der Twin sitzend mit seiner Kamera geknipst werden. Eine Junge, äußerst attraktive Peruanerin bittet auch um ein solches Foto. Mir ist der Auflauf um uns herum schon peinlich und gebe Theo zu verstehen schnell zu flüchten. Auf dem Motorrad sitzend und weiter Richtung Arequipa fahrend, genieße ich die Plaza von Moquegua und denke es wäre ein schöner Ort für eine Übernachtung gewesen.

Die zwei Stunden Zeitverschiebung klauen uns natürlich auch die gewohnte Helligkeit am Abend. Quasi schon, in der hier nur kurzen Dämmerung, frage ich nach einem Hostel mit sicherer Abstellmöglichkeit für unsere Motorräder. Der dritte Anlauf klappt. Nach 11 Stunden auf trapp, machen wir uns rasch zivil und schlemmern noch ein leckeres Abendmahl. Diese Nacht schlafe ich tief und fest.

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20. Januar 2014 – Montag

Um halb zehn haben wir einen Termin bei Ricardo, dem bevorzugten Mechanikus von Luis. Er holt sofort eine passende Austreibstange, kann aber auch nicht wirklich an den kleinen Steg ansetzen. Ich frage nach einem Heißluftfön. Während Ricardo diesen holt, versuchen Theo und ich uns mit der Austreibstange und einem Verkeilungshebel an dem Lagersitz. Tatsächlich fällt er nach einigen gezielten Schlägen aus der Radnabe. Auf geht es zum Lagerhändler. Er greift ins Regal und holt beide erforderlichen Lager auf die Ladentheke. Ich nehme einen zweiten Satz, mit dem Hintergedanken, dass alles was man ersatzteilmäßig dabei hat nicht kaputt geht. Zurück bei Ricardo schlägt er die Neuteile in die Radnabe. Luis Auto wird jetzt zwischengenommen, es braucht einen neuen Kühlschlauch. Ein Bruch im Alten Schlauch war die Ursache für die Motorüberhitzung und damit mein Schlüssel zur glücklichen Reparatur meines Motorrades.

Schnell ist das Rad eingebaut. Luis ist ganz scharf darauf uns mit seiner Fireblade durch Arica zu führen. An der Playa entlang, am Hafen vorbei zur Peninsula. Die ursprüngliche Insel vor Arica wurde durch aufschütten eines Dammes zur Halbinsel. Hinauf führt seine Runde zur Jesusstatue, von der aus die Ausmaße der Stadt erst ersichtlich werden. Pünktlich zum Mittagstisch sind wir natürlich zurück. Nach einer Siesta holt Luis mit mir seinen Hyundai bei Ricardo ab. In dessen Freiluftwerkstatt  herrscht geschäftiges Treiben. Ricardo selbst hat fünf Jahre in Europa, vornehmlich in Spanien aber auch in Deutschland gearbeitet. Hier in Chile betreut er seine Kunden mit der Unterstützung peruanischer Mitarbeiter. Luis bietet uns eine weitere Besichtigungstour zu den Olivenhainen im Hinterland von Arica. Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Rio San Jose, der es nur zwei Wochen im Jahr schafft sein Wasser bis in den Pazifik zu führen, eine solch üppige, landwirtschaftlich genutzte Vegetation zu ermöglichen.

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19. Januar 2014 – Sonntag

Wir sind in Arica.

Ich wache tatsächlich in einem Bett auf, das mir Luis und seine Familie spontan zur Verfügung gestellt haben. Gestern war ganz schön anstrengend. Nach dem Frühstück baue ich das Hinterrad aus. Ich finde nur noch Einzelteile des geplatzten rechten Lagers. Selbst das Distanzstück zwischen den Lagern ist von den losen, harten Kugeln verformt. Das linke Lager fällt nach einigen leichten Hammerschlägen aus seinem Sitz, der rechte Innenring bietet mir nur eine kleine Kannte, über die ich mit meinem Werkzeug keine Chance habe diesen auszutreiben. Morgen will Luis mit mir eine Werkstatt aufsuchen.

Luis und Sohn Javier nehmen Theo und mich auf einer Besorgungstour mit. Wir besuchen Markthallen auf denen einheimische Produkte angeboten werden, unter schattenspendenden Netzfolien werden Grillhähnchen angeboten. Viele Chilenen nutzen den Sonntag mit ihren Familien hier eine Fiesta zu verbringen. Auf dem Rückweg zeigt uns Luis einen Teil der 30 Kilometer langen Playa von Arica. Nachmittags mache ich einen ausgedehnten Spaziergang, beobachte das bunte Treiben an der Playa, gönne mir ein Eis.

Zum Abendessen besucht uns Ricardo, Patis Vater. Er spricht gut Englisch und beschäftigt sich viel mit hiesiger Politik. So erfahren wir einiges über die Situation zwischen Chile, Bolivien und Peru. Der gesellige Abend vergeht wie im Flug.

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18. Januar 2014 – Samstag

Schon seit einigen Fahrtagen spüre ich beim nutzen der hinteren Bremse ein rubbeln im Fahrwerk. Beim festeren Abbremsen um vom Fahrbahnrand noch ein Foto von Iqieque zu machen vibriert es vom Hinterrad her beängstigend. Wiederum kontrolliere ich den hinteren Bremssattel, keine Auffälligkeiten. Bisher hatte ich mich mit dem Gedanken beruhigt, dass die zwar ungebrauchten aber schon viele Jahre daheim gelagerten Bremsbeläge, die ich vor der Verschiffung eingebaut hatte, vielleicht verglast seien und deshalb das anormale Bremsverhalten erzeugt. Ich fahre nochmal an, bremse ab, alles scheint normal zu funktionieren.

Wir sind heute auf dem Weg nach Arica, der letzten chilenischen Stadt vor der Landesgrenze zu Peru. 250 anstrengende Kilometer durch die heiße und meist monotone Atacama liegen hinter uns. In Cuya, einem  vielleicht 100 Einwohner beherbergendes Pueblo, das aus einer Polizeikontrollstelle entstanden ist, finden wir einen schattenspendenden Baum für eine Pause. Beim Anhalten merke ich die schwergängige Hinterradbremse. Ich kippe die Africa Twin über den Seitenständer, Theo wackelt am Hinterrad. Das Radlager ist bereits soweit ausgeschlagen, dass der Bremssattel an der Radnabe schleift, die noch verbleibenden 100 Kilometer bis zur Stadt Arica mit meinem Motorrad zu fahren scheint mir zu risikoreich.

Ein Polizist könnte mir einen kostenintensiven Transport nach Arica vermitteln. Alternativ frage ich an der Polizeikontrolle anhaltende Lastwagenfahrer nach einer Transportmöglichkeit. Die lehnen wahrscheinlich wegen einer nur umständlichen Verladung des schweren Motorrades auf die hohen Ladeflächen ab. Das Auto von Luis, einem chilenischen Tourist, ist mit Überhitzung kurz vor seiner Heimatstadt Arica ebenfalls liegengeblieben. Er hat bereits einen Abschleppdienst angefordert, und bietet mir an, diesen mit zu nutzen.

Abenteuerlich verladen wir zu viert die Twin auf die zerklüftete Ladefläche des zum Pannenwagen umgebauten Pickups. Lange dauert die Fahrt über die lange ansteigende und wieder abfallende, mit vielen Baustellen gespickte Ruta 5 nach Arica. Ich kann vom Beifahrersitz des Abschleppwagens aus, die von der untergehenden Sonne eingefärbten Berghänge beobachten. Tief unter uns im Tal sehe ich grüne Vegetation. Nach Sonnenuntergang müssen wir noch ein langes Stück unbefestigte Baustellenpiste befahren. Marco, der chilenische gelbe Engel, scheint Hunger zu bekommen. Er lässt den Pickup, beladen mit meinem Motorrad und Luis seinen Hyundai auf der Abschleppkralle, flitzen. Mit jedem Schlagloch glaube mehr, meine Twin nicht mehr beulenfrei wiederzusehen. Marco begleitet die aus dem Radio tönende Andenmusik, Luis sitz mit seiner Frau Pati und dem erwachsenem Sohn Javier in zweiter Reihe, die Füße abgestützt auf grobe Abschlepputensilien. Theo kämpft sicherlich mit der schwindenden Helligkeit und dem losen Untergrund.

Mit Motorbremse fährt der Pickup die lange Abfahrt von der Hochebene nach Arica hinunter. Endlich erreichen wir den Wohnsitz von Luis. Sein Auto ist schnell von der Kralle abgelassen. Luis möchte auch hier den Rampentrick mit einer gottgegebenen Böschung anwenden. Ich hatte im Stillen gehofft, dass sich eine professionelle Abladung meiner Twin bieten würde. Drei mögliche stellen werden diskutiert, scheitern aber an einem Stück Brett oder Balken, um den Abstand zum sicheren Untergrund zu überbrücken. Aufgegeben wird nicht, schließlich kann jede Minute ein neuer lukrativer Auftrag einflattern. Luis findet einen vielleicht 60 Zentimeter hohen Betonsockel, von dem aus ich auf die Straße fahren könnte. Marco steuert mit der Breitseite auf wenige Zentimeter heran. Langsam rollt das Vorderrad auf den Halbmeter tieferen Sockel, das Hinterrad folgt problemlos, mir fällt ein Stein vom Herzen.

Theo und ich dürfen bei Luis seiner Familie übernachten. Ein schrecklicher Tag findet bei einem Bier und von Pati geschmierten Brötchen sein Ende.

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17. Januar 2014 – Freitag

On the road again.

Es ist bereits fast zwölf Uhr als Theo und ich den zähen Stadtverkehr Antofagastas hinter uns lassen. Über 400 Kilometer Atacama pur stehen uns bevor. Nein, wir müssen nicht wie die Dakarteilnehmer hinter der sich rechts von uns aufbäumenden Gebirgskette über grobe Schotterpisten uns zum Ziel durchkämpfen. Wir fahren auf der gut asphaltierten Ruta 1 mit vielen schönen Einblicken auf die karstige Pazifikküste.

In langen Abständen tauchen kleine Pueblos direkt an der Küste auf. Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass die improvisierten Behausungen nur als Freizeitdomizile Verwendung finden. Woher kriegen die hier Wasser und Nahrung. Hier ist Ferienzeit und an einigen Hütten stehen Autos, die Fenster anderer Hütten sind mit Holzplatten gesichert. Es wird heiß. Oft bläst der Wind von hinten, so dass auch die Betriebstemperatur unsere Arbeitstiere ansteigt. Wenn ich eine Böe aus Pazifikrichtung abkriege, fällt die Temperatur rasch. Verladehäfen der für Salze und Kraftwerke haben größere Ansiedlungen entstehen lassen. Die Ansässigen haben sich in der lebensfeindlichen Umgebung Oasen geschaffen, die auch eine uns gewohnte Lebensqualität bietet.

Iquique empfängt uns mit Backofentemperaturen. Daniel hat einem Freund hier gebeten uns bei der Unterkunftsuche behilflich zu sein. Wir nutzen den Service gerne. Nach kurzer Erholung und frischer Dusche genießen wir ein Abendessen mit Blick aufs Meer.

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16. Januar 2014 – Donnerstag

Nachdem ich gestern am Besucherpunkt der Dakar losgefahren war, fiel mir der gebrochene Handprotektor und die verstellte Spiegeleinstellung auf. Ich hielt an. Mein Motorrad hat offensichtlich mit dem rechten Koffer und Lenkerende samt Spiegel auf dem Boden gelegen. Die untere Halterung und die Stirnwand des Koffers sind leicht verformt. Einen das Fahren beeinflussenden Defekt stelle ich nicht fest.

Heute versuche ich den Handprotektor zu reparieren. Der ist jedoch so ungünstig gebrochen, dass ich im Motocross Shop Antofagasta mir Ersatz besorge. Die Montage auf Daniels Hof im heißen Wüstenklima macht nicht wirklich Freude.

Nachmittags offenbart uns Rainer, dass er nicht weiter in den Norden fahren möchte. Chile ist für uns mittlerweile zu einer gewohnten Umgebung geworden. Die heimische Vorstellung in ein Land zu Reisen, das weit von unseren europäischen Standards abweicht hat sich nicht bestätigt. Klar ist nicht jede Straße asphaltiert, manche Behausungen mögen uns ärmlich erscheinen und die Stromversorgung der Häuser mit den verworrenen Freileitungen war bei uns vor dreißig Jahren als sauber angeordnete Variante noch üblich. Doch wir haben fast immer in guten Unterkünften übernachtet, uns gut Verpflegt, alles Notwendige bekommen. Vor allem die Kontakte mit den Menschen haben uns ein wohliges Gefühl vermittelt.

Jetzt steht ein Länderwechsel an. Peru und Bolivien werden von den Chilenen ähnlich eingeschätzt, wie wir uns ganz Lateinamerika vor der Reise vorgestellt haben. Wir werden auf die Hochebenen fahren und beobachten wie unsere Körper auf 4000 Meter Höhe reagieren. Es wird deutlich Kälter und feuchter. Die Spritqualität wird schlechter. Und wie laufen unsere Vergasermotorräder in diesen Höhen. Also viele Neue Unbekannte.

Uns steht noch ein Zeitfenster von sechs bis sieben Wochen zur Verfügung, für mich zu früh zum langsamen Zurückfahren nach Valparaiso. Ich erwarte die nächsten Tage mit Spannung.

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15. Januar 2014 – Mittwoch

Dakar, heute sind wir live dabei. Der ausgewiesene Zuschauerbereich sollte eine Zone sein, in der die Teilnehmer kurz stoppen müssen, um sich das Befahren des vorgegebenen Streckenverlaufs mit einem Stempel auf ihren Zeitkarten bestätigen zu lassen. Ich bin ein wenig enttäuscht, als an unserem Standort lediglich ein kleines Hindernis, in Form zweier halbmeter hohen Böschungen, die eine fünf Meter breite Piste einschließen, die Vollgasfahrt der Teilnehmer unterbricht. An unserm Standpunkt haben sich zwischen einhundert bis dreihundert Fans angesammelt. Viele Schützen sich mit großen Schirmen gegen die Wüstensonne, es wird gegrillt und gespannt den ersten Champions entgegengefiebert. Zwei Hubschrauber fliegen auf uns zu, unter ihnen eine langgezogene Staubwolke. Die Redbull KTM wird von dem Spanier Marc Roma verzögert und quasi zeitgleich wieder lautstark beschleunigt, um das Hindernis zu überwinden, der Wind trägt noch einige Sekunden das infernale Motorengeräusch und die aufgewirbelte Staubwolke zu uns rüber. Vielleicht 30 Sekunden später wird das gleiche Schauspiel von dem Franzosen Cyril Despres auf seiner Yamaha vorgeführt. Als dritter Motorradfahrer erreicht uns der Spanier Johan Barreda Bort auf einer Honda. Ich knipse schon fleißig, doch zeigt sich später, dass nur wenige Fotos es wert sind Speicherplatz zu blockieren. Trotzdem schicke ich euch heute die größte Anzahl an Fotos, die, so meine ich, die Atmosphäre der Rallye ein wenig wiedergibt. Nicht gezählte Motorradfahrer folgen, bevor wiederum zwei Hubschrauber die führenden Rallyeautos ankündigen. Hinter der als erstes auftauchenden Startnummer 301 im Mini verbirgt sich der Katarer Nasser Al-Attiyah mit dem spanischen Beifahrer Lucas Cruz. Die Autos, bedingt durch die zwei Spuren, schaukeln etwas mehr, als die einspurigen Motorräder, was die führenden in dieser Rallye aber nicht davon abhält einen Deut langsamer die Passage zu nehmen. Der andere Hubschrauber klebt quasi am zweiten Mini mit der Startnummer 300, der von der französischen Rallyeikone Stephane Peterhansel mit dem Landsmann Jean Paul Cottret gesteuert wird. Das dritte Rallyefahrzeug ist ein Hilux von Toyota, der von dem Südafrikaner Giniel de Villiers mit dem Deutschen Copilot Dirk von Zitzewitz durch die Wüste geprügelt wird. Inzwischen treffen abwechselnd Autos, Motorräder und Quads an unseren Viewerpoint. Ich möchte gerne noch einen der mächtigen Servicetrucks hier live erleben. Eine Pause vom anstrengenden Peilen machend, sitze ich in meinem Steckcampingstuhl, trinke lauwarmes Wasser und esse den letzten Pfirsich, als einer der Fans lautstark und entdeckerhaft Camiones ruft. Blitzschnell zücke ich meine Kamera, beschwere meinen Campingstuhl mit dem gewichtigen Tankrucksack und erklettere meinen mit chilenischer Flagge gespickten Ausblickhügel. Die Staubwolke in der Ferne ist nochmals deutlich größer als bei den Rallyeautos, die Umrisse lassen tatsächlich den ersten Rallyetruck erkennen. Ein Kamaz mit dem rein russischen Dreierteam und Steuermann Andrey Karginov verzögert und beschleunigt innerhalb von wenigen Sekunden und überwindet das Hindernis graziler, als wenn zu Hause ein Smart versucht einen Bordstein hochzufahren. Man könnte mit Sicherheit  noch weitere Stunden, Teilnehmer der Dakar hier abwarten. Wir wollen aber noch, dass an der La Portada eingerichtete Fahrerlager besuchen.

Es ist alles von Polizisten abgeriegelt. Die Fans können die einkehrenden Rallyeteilnehmer vom, mit mobilen Barrieren gesicherten Straßenrand, beobachten. Innerhalb des mit Maschendrahtzaun gesicherten Camps werden die Fahrzeuge für den nächsten Tag vorbereitet. Es wird unentwegt gearbeitet. Die Freiluftschrauberzonen sind bestens organisiert, nirgendwo scheint Hektik aufzukommen, jeder Handgriff ist hunderte Mal erprobt. Hier wird der Aufwand einer solchen Veranstaltung sichtbar, das Viele Drumherum, um die einzelnen Teilnehmer die Fahrt zu ermöglichen und den Zuschauern, vor allem vor den Fernsehern, das Rallyefeeling nahezubringen. Abends schauen wir in Daniels Fernsehraum was die Rallyeteilnehmer schon alles geleistet hatten, bevor sie unseren Zuschauerpunkt kurz vor Ende der Tagesetappe passierten. Ich empfinde ein wohliges Gefühl heute ein Teil des Spektakels gewesen zu sein.

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14. Januar 2014 – Dienstag

Dakar, Dakar, Dakar. Morgen findet die Etappe von Iquique nach Antoagasta statt. Wir möchten die Rallyefahrer live in der Natur erleben. Doch wo müssen wir hinfahren, um ein Maximum an Wettbewerbsfeeling zu erhaschen. Die Streckenlänge morgen beträgt insgesamt um die 650 Kilometer. Die meisten davon führen weit abseits der Hauptverkehrsadern durch das wüste Hinterland.

Wir wollen die örtliche Touristeninformation aufsuchen. Diese, so glauben wir, werden über dieses in aller Welt verfolgte Event Informationen haben. Den Besuch der mehr als vier Kilometer entfernten Oficina verbinden wir mit einem Stadtbummel. Theos Navigationsgerät sagt, wir würden direkt davorstehen. Wir befinden uns im Bankenviertel, direkt neben uns ragen massive mit Kupferblechen verkleidete Säulen empor. Nach mehrmaligen Straßenseitenwechsel und hin und hergehen traue ich mich ins Gebäude hinein. Eine uniformierte Empfangsdame leitet mich mit einem Handschwenk in ein hell erleuchtetes Büro. Hinter einem Schreibtisch sitzend begrüßt mich eine junge Seniora.  Das einzige, was sie mir an Informationen über die Dakar geben kann, ist ein Hochglanzflyer im A5 Format, auf dem ein riesiger chilenischer Minenlastwagen neben einem klein wirkenden Dakar Transportlastwagen abgebildet ist. Die nette Chilenin weist auf eine www Adresse hin, auf der ich sämtliche Infos entnehmen könne.

Auf dem Rückweg sehen wir erste Dakarfahrzeuge am Straßenrand parken. Zurück bei Daniel  finde ich tatsächlich auf dieser gut strukturierten Seite eine geeignete, um die 60 Kilometer entfernte, ausgewiesenen Zuschauerzone. Der Akku vom Fotoapparat ist aufgeladen, ein Ersatzchip eingepackt, ausreichend Wasser und Essbares verstaut, ich freue mich auf Morgen.

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13. Januar 2014 – Montag

Murks. Ich hole die Iridium Scheibe meiner Motorradbrille aus dem Brillenrahmen, um sie innen und außen mit Seifenlauge gründlich zu reinigen. Entsetzt stelle ich beim Probegucken fest, dass sich die äußere Iridiumschicht auflöst. Bei der anschließenden Ausfahrt Richtung Calama, schaue ich nur durch den oberen Scheibenrand, durch den ich meine Umgebung klar wahrnehmen kann. Wir besichtigen das Eisenbahnmuseum, Museo Ferroviario Baquedano und die ehemalige Salpeterstadt, Oficina  Salitera Chacabuco. Beide Anlagen scheinen am letzten Arbeitstag so verlassen worden zu sein, wie wir sie heute vorfinden. Manch einer mag die Exponate als Schrott und Abrissreife Bausubstanz bezeichnen. Ich finde es klasse, auf die alten Dampfrösser klettern zu können, in den Kesselraum hineinzublicken und mir das ehemalige treiben an diesen Orten vorzustellen. Die Salpeterstadt, mit dem fast noch intaktem Theater, dem ruinösen Fabrikgebäude und den zerfallenen Wohngebäuden zeigt den ehemaligen Reichtum, den dieser Rohstoff in die Region brachte.

Zurück nehmen wir wiederum die Ruta 5. Ich zweige in Antofagasta noch zur La Portada ab, ein vom Meer gezeugte Felsdurchbruch, der gerne nachmittags bei sinkendem Sonnenstand besucht wird. Neben den Besuchern gefällt dieser Küstenabschnitt auch den rotköpfigen Greifvögeln und Schwärmen von Pelikanen. Für mein Scheibenproblem hat der Motocross Laden in Antofagasta eine Lösung.

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12. Januar 2014 – Sonntag

Ruhig startet der Sonntagmorgen. Wir planen hier in Daniels Hostal mehrere Tage zu bleiben, um die Dakar, die in Antofagasta ein Etappenziel hat, mitzuerleben. Wir waschen, scheiben, planen. Angelika kommt zu Besuch. Die englischsprechende Chilenin gibt uns hilfreiche Tipps für Bolivien und Peru. Später bringt sie mich zur Shoppingmall, in der meine Haarlänge auf ein helmfreundliches Maß gekürzt wird. Ich gönne mir ein frisches Tiramisu Eis mit Sahne, genieße das Menschengetummel auf der Promenade, beobachte die Badenden an den kleinen Playastücken und schlendere langsam zum Hostal zurück.

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